S O N N E N S T R A H L E N
Jeder hatte sie verstanden, als Alisa ihre beste Freundin verloren hatte. Doch das Verständnis wurde immer weniger.
Ihre Eltern waren der Meinung, dass sie darüber schon längst hätte hinwegkommen müssen.
Sie stritten sich oft. Alisa isolierte sich immer mehr.Bis zu dem Tag, als Alisa eine neue Nachbarschaft bekam. Bis zu dem Moment, als sie zum ersten Mal Zeit miteinander verbrachten - als Alisa seit Jahren wieder jemanden mit sich reden ließ; und diese Verbindung eine ganz besondere wurde.
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E N D L O S
Manchmal ist das Leben eine Endlosschleife. Aus Gutem oder Schlechtem. Man ist gefangen und es scheint, als gäbe es kein Entkommen- hängt in Gedankenschleifen fest wie in einer Telefonschleife.
Alisa und Marlena kannten sich seit dem Kindergarten. Sozusagen Sandkastenfreunde.
Okay, nicht nur sozusagen. Von diesem Zeitpunkt an teilten sie alles miteinander. Sie verbrachten jeden Tag zusammen. Ihre Familien fuhren gemeinsam in den Urlaub und die Kinder wurden gemeinsam eingeschult.
Nach vier Jahren Grundschule, in denen sie genauso unzertrennlich waren wie in der Zeit davor, kamen sie gemeinsam auf die weiterführende Schule - das Gymnasium in der Umgebung.Sie teilten sich eine Schulbank, bildeten Teams im Sportunterricht und fanden gemeinsam neue Freunde.
Auch nachmittags waren die beiden Mädchen wie Schwestern. Sie trafen sich fast täglich und gingen einmal in der Woche zusammen zum Tanztraining.Sie dachten nie darüber nach: Was wäre, wenn sie sich nie kennengelernt hätten? Dazu waren sie zu jung und zu optimistisch. Denn wenn man jung war, dachte man nicht zu viel über alles nach.
Bis zu dem Tag, als Mila nicht zum Tanztraining kam; als sie nicht Bescheid gesagt hatte, dass sie zu spät kommen würde wie an allen anderen Donnerstagnachmittagen. Nichts.Nichts, außer ein mulmiges Gefühl im Bauch, als sie nicht auftauchte.
Nichts, außer geschockte Eltern, die sie Zuhause noch verabschiedet hatten.
Nichts, außer eine Vermisstenanzeige.
Nichts, außer eine Leiche eines jungen Mädchens in einem Waldstück neben der Autobahn.
Nichts, außer Schreie und Tränen.
Nichts, außer einer Beerdigung.
Nichts und wieder nichts.• • •
F A L L E N
Regen prasselt gegen das Dachfenster. Der Wind bläst um das Haus.
Die Welt ist dunkler, seit du nicht mehr hier bist, als hättest du einen Teil ihrer Farben an den Ort mitgenommen, wo du jetzt bist. Wo auch immer das sein mag, jeder Tag ist gleich. Grau, neblig, undurchsichtig und trüb.
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, wozu ich noch bin, mit wem ich noch bin - ohne dich.
Jeden Tag denke ich an den Moment, als mir gesagt wurde, dass ich dich verloren habe.
Alles ist schwarz geworden, als hätte man das Kabel für einen Lichtschalter in meinem Inneren gezogen. Stecker raus, Licht aus.
Andauernder Stromausfall.
Ohne Ende kein Strom.
Licht aus.
Für immer.Jeden Tag höre ich dein Lachen, und es fühlt sich an, als würdest du noch immer neben mir liegen; im Garten, im weichen Gras und mit mir die Zugvögel am Himmel beobachten.
So wie früher.
Weißt du noch?Warum?
Es schien fast so, als würde die Welt um das Mädchen trauern, was sie verloren hatte.

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Wichtel-Adventskalender 2023
Short StoryWeihnachtszeit ist die schönste Zeit! Und ein Adventskalender darf in der Lounge natürlich auch nicht fehlen! Fast zwei Monate hat unsere Community fleißig geschrieben, hat eine Herausforderung angenommen, die ihnen das Schreiben ein wenig spannende...