19. JuneOLeary • Und täglich grüßt ... der Weihnachtsmann

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Zuhause hätte er jetzt die Küche geplündert, sich seine Akustikgitarre und die dicke Decke geschnappt und wäre hinauf aufs Dach. Dort hätte er sich eingewickelt und unter dem Sternenhimmel sein spätes Mahl eingenommen und anschließend auf seiner Gitarre herumgeklimpert. Er hoffte, dass dieser Plattendeal klappte. Doch das bedeutete auch, dass sie Shane umstimmen mussten. Der hatte keinen Bock, sich den Wünschen eines Labels zu unterwerfen. Lieber würde er weiter am Hungertuch nagen, bis sie die Kohle zusammenhatten, selbst ein Album aufzunehmen.

Doch das könnte noch Jahre dauern. Und ich möchte nicht weiterhin von Gelegenheitsjobs und Gwens monatlicher Unterstützung durch die Eltern leben. Kurz kämpfte er mit sich. Er war wirklich hungrig. Und wenn er Hunger hatte, war er ziemlich unleidlich. Und bis zum Frühstück waren es Stunden. In denen sich seine Laune nur verschlechtern würde. Doch er war hier einfach nicht zuhause. Das bewies ihm Dianes Verhalten immer wieder. Da half es auch nicht, dass sie einen süßlichen Ton anschlug, während sie ihn nach seinen Karriereplänen fragte und dann gespielt milde seufzte, wenn er ihr erklärte, sie würden unter Hochdruck daran arbeiten. Was seiner Schwiegermutter zumindest einen entrüsteten Blick ihrer Tochter eingebracht hatte.

Sei's drum. Ich ess jetzt was. Sonst sinkt meine Laune noch mehr und ich motze Diane bei der nächsten Gelegenheit an. Damit wäre niemandem geholfen und Gwen würde sich nur schlecht fühlen.

Mit diesem Gedanken trat er zum Kühlschrank und wollte gerade die Tür aufziehen, als er ein Poltern hörte. Sofort hielt er alarmiert inne und lauschte. War etwa ein Einbrecher im Haus? Sollte er nachsehen gehen? Aber was, wenn da wirklich Fremde waren? Würden die ihn angreifen? Vielleicht sogar töten?

Lukas schüttelte den Kopf. Seine Fantasie schien wohl wieder einmal mit ihm durchzugehen. Trotzdem pulsierte Adrenalin durch seine Adern, als er durch die Küche zurück ins Esszimmer schlich. Aus dem Wohnzimmer drang das warme Licht der Kerzen auf dem Weihnachtsbaum und da lokalisierte er auch die Geräusche. Wenn das Einbrecher waren, gingen sie wirklich umsichtig vor. Denn es war jetzt kaum mehr etwas zu hören. Aber eben nur kaum.

Suchend schaute er sich nach irgendwas um, das er als Waffe zur Verteidigung einsetzen konnte, und griff nach dem Weihnachtsstern, der auf einem der vielen Blumenhocker in Szene gesetzt worden war. Das war immerhin mehr als nichts, sagte er sich und schlich weiter in die Halle, von der gegenüberliegend das Wohnzimmer - oder wie Diane sagen würde: der Salon - abging. Dabei versuchte er, möglichst kein Geräusch zu machen. Kurz, bevor er den Torbogen erreichte, hielt er nochmal inne und biss sich auf die Unterlippe. Der Überraschungseffekt war wohl seine effektivste Waffe.

Er holte abermals tief Luft und schloss für einen Sekundenbruchteil die Augen, um seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Dann riss er die Augenlider wieder auf und machte einen Satz in den Raum, nur um wie erstarrt stehen zu bleiben, als er sah, was da gerade vor ihm passierte. Der Blumentopf glitt ihm aus den Händen und zerschellte auf dem teuren Parkett, während sein Gegenüber nun - aufgescheucht wegen des Geräusches - zu ihm herumfuhr. „Santa?"

Der dickliche Mann im roten Anzug und dem langen weißen Bart schaute ihn genauso verwirrt an wie Lukas ihn und er schluckte trocken. Träumte er? War er betrunken? Aber so viel Wein hatte er doch gar nicht gebechert? Überhaupt hatte er kaum etwas getrunken! Trotzdem stand da Santa. In voller Montur. Mit ausgebeultem Sack in seiner Rechten. „Lukas..."

„Wo ... woher kennen Sie ... Sie meinen Namen?" Er schalt sich automatisch einen Idioten, während sich auf dem flächigen Gesicht mit der Brille auf der Knuppelnase ein Lächeln ausbreitete. Obwohl er sich maßregelte, dass die Erkenntnis absolut bescheuert war, dass Santa natürlich seinen Namen kannte, wusste er instinktiv, dass das die einzig mögliche Erklärung war.

Die Bestätigung seiner Vermutung ließ nicht lange auf sich warten. Denn sein Gegenüber schaute ihn lächelnd an und erklärte: „Lieber Lukas, ich kenne alle Namen dieser Welt. Schließlich waren alle Erwachsenen auch mal Kinder, nicht? Lukas Hoppbrunner, wohnhaft in..."

Wichtel-Adventskalender 2023Where stories live. Discover now