19. JuneOLeary • Und täglich grüßt ... der Weihnachtsmann

Start from the beginning
                                    

Er zuckte zusammen, als sich kalte Finger zwischen seine schoben, und sein Blick flog zu Gwen, die ihn sanft mit ihren haselnussbraunen Augen anschaute. Sofort fühlte er sich getröstet. Seiner Frau war es egal, dass sie in einer kleinen Wohnung hausierten, die nicht viel mehr beinhaltete als ein durchgelegenes Bett, einem Schrank, einem Fernseher und seiner Gitarre, wenn man vom Bad und der Küchenzeile absah. Oder, dass er sie in einer rostigen Karre herumkutschierte, obwohl sie einen Upperclass-Wagen fahren könnte. Aber nicht mehr lange. Dann lege ich ihr die Welt zu Füßen, wie sie es verdient hat.

Er verknotete seine Finger mit ihren und ahnte, dass Gwen ganz genau wusste, dass er sich jedes Mal fragte, was sein Schicksal wohl von ihm gewollt hatte, als es ihn in diese abstruse Situation geworfen hatte: Der nahezu mittellose Musiker auf der Suche nach Erfolg und die gutsituierte Studentin in enganliegender Lederhose und einem, zu einem bauchfrei geknoteten Band-Shirt, die seit dieser Nacht nicht mehr aus seinem Leben verschwunden war. Zu seinem Glück. Manchmal fragte er sich, ob er die Gefühle zugelassen hätte, hätte er gewusst, dass sie eben nicht nur eine Studentin, sondern die Erbin des Familienvermögens war. Im Grunde war er gar nicht gut genug für sie. Schließlich trug er zu ihrem Einkommen nicht recht viel bei.

„Lass es, a gra. Vergiss den Gedanken sofort wieder. Genauso wie das Benehmen meiner Mutter. Sie kommt irgendwann darüber weg." Ihre Stimme löste wie immer ein Flattern in seinem Bauch aus und er zog sie an sich, um ihr einen Kuss in ihr welliges Haar zu hauchen.

„Woher weißt du nur jedes Mal, worüber ich nachdenke?"
„Das ist einfach. Du grübelst zu laut." Ein Lächeln zupfte an ihren Lippen und brachte ihr Gesicht zum Leuchten. Erneut schimpfte er sich einen verdammten Glückspilz und strich ihr sanft über die Wange, ehe er sie kurz küsste.

Dann seufzte er und murmelte: „Na los. Bringen wir es hinter uns. Ist ja nur ein Abend und der darauffolgende Tag im Jahr, an dem ich mich nicht unter einem Vorwand davor drücken kann, mich dem Unmut deiner Mutter auszusetzen."
„Oh, mein armer Schatz. Vielleicht sollte ich dir eine Rüstung kaufen. Die kannst du dann künftig anlegen, wenn wir zu meinen Eltern fahren." Der leise Spott brachte ihn tatsächlich dazu, zu grinsen, und er ließ sich von Gwen durch den breiten Bogen ziehen, hinter dem sich das Esszimmer verbarg. Wie ein Paralleluniversum. Wir lehnten uns sonst an den Kopf unseres Bettes und aßen da.

Sein Lächeln verflog jedoch sofort wieder, als sein Blick auf Diane fiel, die ihn weiterhin anstarrte, als wäre er ein lästiges Insekt, das sie nicht totschlagen durfte. Stattdessen zog er für Gwen den Stuhl unterm Tisch hervor und wartete, bis sie sich gesetzt hatte, ehe er auch Platz nahm. Er hatte gar keinen Hunger, obwohl er sonst ein Vielfraß war. Was vielleicht ebenfalls an der Tatsache lag, dass er es eigentlich bodenständiger mochte. Doch da standen Austern auf dem Tisch. Schon bei dem Gedanken, diese glibberigen Scheißerchen zu essen, schüttelte es ihn. Der Blick von Diane verriet ihm unmissverständlich, dass sie das wusste. „Dann wünsche ich euch einen guten Appetit."

Wenn er sich nicht täuschte, verbarg seine Schwiegermutter ein gehässiges Grinsen. Das wird ein langer Abend. Wär das toll, wenn ich es schon hinter mir hätte.

Er geisterte wie jedes Jahr durch das dunkle Haus seiner Schwiegereltern und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Gwen lag schlafend im geräumigen Gästezimmer ihrer Eltern und er hatte sich hinausgeschlichen, um sie nicht mit seiner Unruhe zu wecken. Doch leider wusste Lukas absolut nichts mit sich anzufangen. Also streunte er im Erdgeschoss des großen Hauses umher, in dem weiterhin der Geruch des Lammbratens hing, der den zweiten Gang ihres Abendessens dargestellt hatte.

Seufzend strich er sich über sein Gesicht, als er die mondbeschienene Küche betrat, deren Arbeitsfläche im Silberlicht blitzte. Wie im übrigen Haus sah es hier ebenfalls aus wie geleckt. Doch was anderes hätte er von einem Haushalt auch nicht erwartet, dem Diane vorstand. Ihm knurrte der Magen. Die Portionen, die heute serviert worden waren, reichten nicht mal, um einen hohlen Zahn zu füllen, geschweige denn, ihn satt zu bekommen. Ob er sich etwas aus dem Kühlschrank stibitzen sollte? Vielleicht konnte er dann schlafen?

Wichtel-Adventskalender 2023Where stories live. Discover now