Kapitel 26

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Langsam kam die Person auf mich zu und hob meinen Deckel an. Ich schaute auf und blickte der Person genau in die Augen. 

Tiago Pov

„He! Kommt raus da!", rief der Typ und trat gegen meine Kiste.

Sofort sprang ich hoch und versuchte dabei die anderen beiden Kisten zu verdecken, damit wenigstens sie wegkamen.

„Du hast versucht zu flüchten, stimmt's?", fragte der Mann und grinste mich dreckig an.

„Ne, ich bin hier um an den Kisten zu knabbern", meinte ich um ihn zu provozieren.

„Du denkst du bist lustig? Ich zeig dir was lustig ist", meinte er und holte aus, um mir mit seiner Faust ins Gesicht zu schlagen. Natürlich hatten meine Reflexe nachgelassen, da ich sehr, sehr lange kein Training mehr hatte, aber ich hatte trotz allem noch reichlich Reflexe, die verhindern konnten, dass mich jemand ins Gesicht schlug.

Mein Kopf sauste kurz vor dem Schlag in die Tiefe und schnellte wieder hoch. Gleichzeitig rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine.

„ARGHH!", schrie er und schnell verließ ich den Laster, um Carag und Jasper aus dem Spiel zu lassen. Sie könnten zurück nach Hause finden und dann Hilfe rufen.

Natürlich folgte er mir. „Komm her du kleiner-", doch weiter konnte er nicht reden, denn hoch trat ihm gegen die Brust und schob ihn weg, sodass er rückwärts auf den Boden fiel und sich den Kopf stieß.

Ich musste Zeit gewinnen, bis die Laster fertig waren, um loszufahren. Denn erst ab dem Moment, in dem die Räder sich in Bewegung setzten, waren die anderen in Sicherheit.

„Das wirst du bereuen!", brüllte der Typ mich an und packte mich am Kragen. „wenn du erstmal erfährst, was sich in dem Keller hier befindet, wirst du das, was du hier tust, bereuen und dir wünschen, dass du einfach nur stirbst!"

Shari Pov

Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, dass Tiago nicht mehr da war. Ich war schon öfters bei einem Therapeuten gewesen, der mir immer wieder gesagt hatte, man müsste auch wissen, wann es Zeit war, Dinge loszulassen und sie zu vergessen. Aber ich würde Tiago niemals vergessen können. Er war ein Teil von mir, den ich verloren hatte.

Nächste Woche würde sich das Ereignis jähren. Bald würde es schon ein Jahr her sein, seitdem ich erfahren hatte, dass Tiago weg war.

Ich hatte mehrere Filme gedreht, die im Moment wahrscheinlich geschnitten wurden, damit sie nächstes Jahr veröffentlicht werden konnten. Natürlich würde ich sie angucken, doch jedes Mal, wenn ich mir meinen eigenen Film anschaute, wünschte ich mir, Tiago würde neben mir sitzen und mich umarmen, wenn mal wieder eine traurige Szene erschien, mir die Augen zuhalten, wenn die Szene gruselig wurde und mich küssen, wenn es eine Kussszene gab. Doch das würde sich wohl für immer nur als Traum verwirklichen lassen.

Es war sozusagen ein Ritual geworden, dass ich jeden Morgen, wenn ich das Haus verließ, kurz in Tiagos Zimmer vorbeischaute und die Bilder auf seinen Regalen anschaute. Manchmal fuhren Noah und ich auch in ihre alte Wohnung, in der die beiden gewohnt hatten, nachdem und bevor Tiago und ich zusammen waren. Jedes Mal, wenn ich die ganzen DVDs meiner Filme fand, stach es mir ins Herz. Jedes Mal bereute ich es, mit Tiago Schluss gemacht zu haben. Jedes Mal bereute ich es, dass ich nicht so viel Zeit mit ihm verbracht hatte. Jedes Mal verließ ich die Wohnung weinend und musste von Noah umarmt werden, um nicht einfach auf den Boden zu sacken und mich nie wieder zu bewegen.

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„Shari! Wir müssen zum Flughafen, die anderen landen gleich!", rief Noah zu mir hoch.

„Ja! Ich komme gleich!", meinte ich und zog mir schnell graue Stoffshorts und eines von Tiagos T-Shirts an. Ich hatte mir seine geklaut, um immer seinen Geruch bei mir zu haben.

„Können wir?", fragte Noah und lehnte im Türrahmen, mit einem Autoschlüssel in der Hand.

„Jap."

Wir düsten den Highway entlang, in Richtung Flughafen.

„Das T-Shirt hast du von Tiago geklaut, nicht?", fragte Noah lächelnd.

„Ja, woher wusstest du das?", fragte ich und schaute ihn verwirrt an.

„Ich hab es schon oft an ihm gesehen", meinte Noah nur und zuckte mit den Schultern.

Wir hatten uns daran gewöhnt, über Tiago zu reden, als wäre er noch am Leben. So als wäre er nur kurz im Urlaub oder so. Trotzdem piekst mich jedes Mal etwas ins Herz, wenn jemand seinen Namen laut ausspricht.

Das Auto parkte Noah in die Tiefgarage. Wir stiegen aus, um unsere Freunde direkt am Gate zu empfangen.

Auch deren Anzahl war geschrumpft, denn bis jetzt hatten wir Carag immer noch nicht finden können. Es war kein Anruf wegen Lösegeld oder sonst was eingetroffen. Er war einfach spurlos verschwunden.

„Hey Leute", begrüßten wir die beiden und umarmten sie.

Ich umarmte Tikaani etwas länger und wir beide fragten gleichzeitig, wie es uns ginge. Ich wusste, dass es Tikaani womöglich schlechter gehen würde als mir. Ich wusste wenigstens, was meinem Freund geschehen war, aber Tikaani hatte nicht einmal eine Vermutung, was passiert sein könnte. Das musste schlimmer sein.

Die Fahrt nach Hause war relativ still. Alle mussten wohl an die beiden denken, die wir verloren hatten. Aber das war auch gut so. Die beiden hatten es verdient, dass an sie gedacht wurde.

„Ihr könnt eure Sachen schon mal in die Zimmer bringen", meinte ich und deutete auf den Gästezimmerbereich im zweiten Stock.

Gerade als die beiden die Treppen nach oben gehen wollten, klingelte es an der Tür.

Natürlich schauten wir alle zuerst auf die Kamera, um zu sehen, wer es ist. Schließlich wollten wir nicht irgendeinem Reporter die Tür aufmachen.

Als Tikaani sah, wer da vor der Tür stand, bildeten sich Tränen in ihren Augen und sie stürmte auf die Tür zu. 

Seawalkers - That's my JobWhere stories live. Discover now