Kapitel 22

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„Tiago ist-" Ich traute mich gar nicht das Wort auszusprechen. Ich konnte es selbst noch nicht richtig glauben. „Er ist tot."

Noah Pov

„Er ist tot." Es fühlte sich total falsch und unrealistisch an, das zu sagen, aber so hatte es mir der Typ am Telefon gesagt.

„Nein, nein das kann nicht sein." Shari schaute mich flehend an und wischte sich die Tränen weg.

„Es tut mir leid, Shari. Ich hätte- ich hätte ihn nicht alleine dort lassen dürfen." Ich setzte mich neben sie und fuhr mir durch meine Haare. Auch meine Augen waren mit Tränen gefüllt.

Shari schluchzte. „Er kann doch nicht einfach gehen und mich hier alleine lassen. Er kann doch nicht einfach sterben."

Ich nahm Shari in den Arm und versuchte selbst nicht in Tränen auszubrechen.

„Nein, das kann doch einfach nicht sein! Er kann doch nicht einfach gehen!" Shari weinte sich die nächsten Stunden aus und auch ich musste ein paar Tränen aus meinen Augen fliehen lassen.

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Ich wusste wirklich nicht was ich machen sollte. Wie sollte ich Shari trösten? Es gab gerade wirklich nichts, was Tiago ersetzen könnte. Essen würde sie auch nicht herunterbekommen. Was sollte ich bloß tun? Erstmal sollte ich Tiagos Familie benachrichtigen. Auch wenn Tiago nicht viel mit seinen Eltern zutun hatte, sollten sie das Recht haben, es noch vor den anderen herauszufinden.

Schnell suchte ich die Telefonnummer von Iris Anderson heraus und wählte diese Nummer auf meinem Handy.

„Guten Tag Mrs Anderson."

Mrs Anderson antwortete nicht direkt. „Mit wem spreche ich?"

„Hier ist Noah Te Ratana, Tiagos Freund." Es war nicht einfach, Tiagos Namen laut auszusprechen.

„Ich habe gerade leider nicht so viel Zeit, da ich gleich eine wichtige Ansprache halten muss, also falls es nichts wichtiges ist-"

Ich unterbrach sie. „Tiago ist leider bei einem Autounfall umgekommen." Die Worte verließen meinen Mund nicht so leicht. Ich selbst musste erstmal realisieren, was ich da gerade gesagt hatte und dabei merkte ich, dass ich immer noch nicht richtig verstanden hatte, was gerade überhaupt Sache war.

Es war still. Auch auf der anderen Seite der Leitung war nichts zu hören.

„Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen diese Nachricht jetzt vor Ihrer wichtigen Ansprache weitergeben muss, aber ich wollte nicht, dass Sie das durch irgendwelche anderen Quellen erfahren."

Immer noch brachte Mrs Anderson keinen Ton heraus.

„Gibt es eine- eine Beerdigung?", fragte sie nur.

„Ich dachte, vielleicht wollen Sie das übernehmen, als Eltern von Tiago, aber falls Sie dafür keine Zeit haben, kann auch ich das übernehmen", meinte ich.

Es herrschte kurz Stille. Anscheinend hatte sie gemerkt, was ich meinte. „Ich habe in der nächsten Zeit leider nur wichtige Termine. Falls du das übernehmen könntest und mir das Datum und den Ort schickst, komme ich natürlich auch." Irgendwie machte mich das sauer. Ihr Sohn war gerade gestorben und ihr Job war ihr immer noch so wichtig, dass sie nicht mal die Planung der Beerdigung übernehmen konnte?

„Alles klar", sagte ich nur und legte auf. Ich schmiss mein Handy aufs Sofa und setzte mich daneben. Ich vergrub meine Hände vor meinem Gesicht. Tiago tat mir leid. Er tat mir einfach so unendlich leid.

Ich wusste nicht, dass die Beziehung zwischen seinen Eltern so schlecht war. Wie hatte Tiago nur ohne so wenig Zuneigung seiner Eltern überlebt? Vor allem noch als Shari sich von Tiago getrennt hatte? Wie einsam hatte er sich bloß gefühlt?

Shari betrat das Zimmer. Ihre Augen waren angeschwollen und strahlten keinen Funken Leben aus.

„Hast du mit ihnen telefoniert?", fragte sie und setzte sich neben mich. Natürlich wusste ich, wen sie meinte, Tiagos Eltern.

„Ja, aber sie wollen die Beerdigung nicht übernehmen. Sie haben keine Zeit." Und sofort bildeten sich wieder Tränen in Sharis Augen. Ich nahm sie wieder in den Arm und anscheinend fand sie das genauso verantwortungslos wie ich.

Nach einiger Zeit entschied ich mich, Holly anzurufen. Auch sie und die anderen mussten das erfahren.

„Hey Holly", begrüßte ich sie und rang mir ein Lächeln ab. Im Hintergrund sah ich die Cafeteria, anscheinend aßen sie dort gerade Abend.

Sobald sie mein Gesicht sah, merkte sie anscheinend, dass etwas bei mir nicht stimmte.
„Hey, was ist los?", fragte sie besorgt und sofort erschienen zwei weitere Gesichter auf dem Bildschirm. Carag und Tikaani.

„Hey Leute", meinte ich nur und sobald ich daran dachte, was ich ihnen jetzt sagen musste, bildeten sich schon wieder Tränen in meinen Augen.

„Hey Noah, was ist los? Du weißt doch, dass ich du mir alles erzählen kannst." Dabei schaute sie mir intensiv in die Augen und schob Carag und Tikaani aus dem Bildschirm.

„Du kannst die beiden wieder herholen, ihnen muss ich es auch sagen", meinte ich und biss mir auf die Lippen.

„Los, sag schon", meinte Carag und wippte auf seinem Stuhl herum, als wäre er Holly.

„Heute war so eine Art Gala zu der Shari gegangen ist", begann ich. „Tiago, ich und Shari waren da."

„Ja und? Was ist denn passiert? Ist jemand gestorben oder wieso ist das ein Grund zum Weinen", meinte Tikaani aus Spaß. Natürlich wusste ich das, aber mich traf das. Mehr Tränen bildeten sich in meinen Augen.

Die anderen sahen das natürlich und sie waren alle still.

„Du verarscht uns doch", meinte Carag und sein Blick wurde unsicher.

„Tiago ist mit einem Taxi zurückgefahren. Er hatte einen Autounfall." Jetzt waren die Tränen unaufhaltsam und ich schaute die anderen an.

„Was?", schrie Holly durch die gesamte Cafeteria und alle Köpfe drehten sich zu ihr.

Auch die anderen bekamen feuchte Augen und wünschte, ich könnte sie alle jetzt einfach umarmen.

„Was ist mit Shari? Geht's ihr gut?", fragte Tikaani. Ich wusste, dass die beiden sehr enge Freunde geworden waren, während die drei hier waren.

„Na ja, wie solls ihr denn gehen. Schlecht natürlich. Sie ist in ihrem Zimmer. Ich weiß nicht was ich tun kann um sie zu trösten. Es gibt ja nichts was Tiago ersetzen kann", meinte ich.

„Natürlich nicht. Wir kommen sobald es geht. Wir werden uns so früh es geht Urlaub nehmen und dann fliegen wir sofort zu euch", meinte Tikaani und schaute damit todesernst in die Kamera. Irgendwie einschüchternd.

„Danke euch. Ich glaube, Shari braucht gerade wirklich jemanden, der bei ihr ist. Blue kümmert sich bestimmt auch um sie, solange ihr noch nicht da seid", meinte ich und fuhr mir durch die Haare. 

Seawalkers - That's my JobWhere stories live. Discover now