~Kapitel 48~

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Ich tunkte meinen Lappen noch einmal in die mittlerweile braune Brühe ein. Ekelhaft! Wann hatte das letzte Mal jemand die Gänge gesäubert? Ich richtete mich auf und streckte mich. So viel hatten wir schon hinter uns und trotzdem gab es noch so viel zu tun!

Mit mehr Hilfe würde es sicher schneller gehen, aber Louie war auf die andere Seite der Einrichtung verbannt worden. Mein Vater war der festen Überzeugung gewesen, dass wir zusammen nur Ärger machten. Was bisher auch irgendwie stimmte.

Wenigstens hatte ich noch Shanes Hilfe, während Louie alleine sauber machte. Ich schielte zu meinem Arbeitspartner rüber und versuchte seine Gesichtszüge zu entschlüsseln. War er wütend? Oder enttäuscht? Scheiße, mir war alles lieber als diese komische Stille!

Unsicher kniete ich mich neben ihn und seinen Besen und wischte noch einmal über die längst saubere Stelle. Die Einzige in dem langen Gang wohlgemerkt.

„Warum sagst du nicht einfach etwas, wenn du ein Gespräch anfangen willst?" Shane grinste mich selbstgefällig an. War das so offensichtlich gewesen? Oder konnte dieser Junge Gedanken lesen? Schon komisch, wie er das einfach so geradeheraus gefragt hatte. Aber wenigstens war es ehrlich gewesen. Also konnte ich ihm auch eine ehrliche Antwort geben.

„Weil du schlecht einzuschätzen bist und ich nicht schon wieder streiten will?" Shane nickte anerkennend. Offenbar schätzte er meine Ehrlichkeit.

„Bin ich denn so geheimnisvoll?"

„Ich weiß überhaupt nichts über dich!"

„Also gut, was willst du wissen?" Ich traute meinen Ohren nicht. Das war ja mehr als perfekt! Wenn er schon so fragte, dann bot er mir ja quasi die Gelegenheit an ihm auszufragen.

„Wie bist du hierher gekommen? Die scheinen Jugendliche nicht so unbedingt zu mögen. Ich meine, eigentlich ziemlich verständlich. Dieser Ort ist ja auch nicht gerade ein Kinderspielplatz." Gespannt wartete ich auf eine Antwort. Vielleicht war ich aber auch schon wieder zu neugierig. Doch Shane lächelte zu meiner Erleichterung nur stolz.

„Für mich war es das schon. Ich bin hier aufgewachsen. Meinen Vater und mich gab es quasi nur im Zweierpack!" Überrascht sah ich ihn an.

„Deine Eltern haben dich einfach mit hierher genommen?"

„Ne, nicht so ganz. Meine Mum arbeitet in einem Supermarkt in einer etwas weiter entfernten Stadt. Viel mehr hat mein Vater aber auch nicht über sie erzählt." Mein Herz zog sich zusammen. Ich kannte diese Situation nur zu gut.

„Sind... Sind deine Eltern getrennt?"

„Ja, schon seit ich ganz klein war. Ich habe meine Mum nie richtig kennengelernt. Als mein Vater hier den Job bekommen hat, wollte er, dass meine Mutter und ich mit ihm kommen, doch sie wollte ihr Leben nicht aufgeben." Shane machte eine kurze Pause und holte dann tief Luft.

„Laut meinem Vater hatten sie einen großen Streit, nach dem er mich dann mitnahm und sie zurückließ." Er lächelte auf einmal wehmütig, aber auch glücklich. Ich staunte darüber, dass er noch andere Seiten hatte, die ich nicht kannte. Das hier war ein anderer Shane, aber ich konnte nicht leugnen, dass er mir so gefiel.

„Ein anderes Leben kann ich mir nicht vorstellen. Oliver ist wie ein Zwillingsbruder für mich und seine Eltern gehören auch praktisch zur Familie. Die sind nämlich anders als meine Eltern einvernehmlich hierher gekommen und arbeiten jetzt beide hier!" Dann huschte wieder ein trauriger Ausdruck über sein Gesicht.

„Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht manchmal frage, wie es wohl wäre mit meiner Mum zusammenzuleben. Doch ich habe keinerlei Kontakt zu ihr." Er zog eine Kette mit kleinen Metallmaschen hervor. Zuvor hatte ich sie gar nicht bemerkt, da sie unter seinem Oberteil versteckt gewesen war. Die Kette war an einer Stelle durch ein Loch in einem halben Ring gefädelt. Shane ließ sie durch die Finger gleiten und lächelte erneut.

„Das ist der Ehering meines Vaters. Er hat ihn für uns beide aufgeteilt, damit wir jeder eine Erinnerung an Mum haben." Dann schüttelte er den Kopf und ließ die Kette wieder los. Das altbekannte Grinsen legte sich wieder auf sein Gesicht und verdrängte den emotionalen Shane. Er stieß mich frech in die Seite.

„Also, da ich jetzt mein Leben vor dir ausgebreitet hab, Prinzessin, schuldest du mir das Selbe!" Das war also sein Plan gewesen. Ich sah ihn beleidigt an.

„Kommt nicht in Frage!"

„Ach komm schon. Was ist zum Beispiel mit deinen Dad? Warum bist du nicht mit ihm gegangen?" Seufzend gab ich mich geschlagen.

„Das ist kompliziert. Mein Vater hat mich mehr oder weniger zurück gelassen, weil er der Meinung ist, dass ich ein normales Leben haben sollte." Ich lachte verbittert auf.

„Naja, so normal das Leben eines Kindes, das alleine lebt, eben sein kann!" Shane hob irritiert eine Augenbraue.

„Was ist mit deiner Mutter? Lebst du nicht bei ihr?"

„Nein, meine Eltern haben sich noch nie verstanden und nach meiner Geburt entschied meine Mutter, dass ich nicht bei ihr bleiben sollte. Am Anfang habe ich sie noch besucht, aber jetzt, wo ich älter bin, will ich gar keinen Kontakt mehr. Ich meine, welche Mutter hat denn keine Lust ihr eigenes Kind groß zu ziehen? Mein Vater hat dann den Job hier angeboten bekommen und ich wurde zu den Eltern von Louie gegeben. Ich schätze, er brauchte einfach das Geld, um uns ein gutes Leben möglich zu machen."

Area 51 - Don't trust anybody! Where stories live. Discover now