~Kapitel 1~

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„Ein bisschen mehr nach rechts. Nein, das ist zu weit!" Louie musste sich strecken, um den Forderungen von Thea folge zu leisten. Sein schmaler Körper bebte vor Anstrengung und seine Muskeln zitterten, als er versuchte die bunte Girlande über die Ecke eines Spiegels zu hängen. Er stellte sich dafür auf die Zehenspitzen und der Stuhl wackelte gefährlich, als er es endlich schaffte die Dekoration festzumachen.

Ich saß gemütlich auf einem Stuhl und hatte die Arme über die Lehne gehängt, während ich entspannt meine Freunde beobachtete.

Louie wollte wohl meinem Beispiel folgen und wieder auf den Boden springen, als Thea ihn mit nachdenklichem Gesicht aufhielt.

„Also irgendwie war es weiter links doch besser." Louie stöhnte gelangweilt und genervt auf, streckte sich aber trotzdem ohne Widerworte, um die Girlande wieder abzuhängen, obwohl diese meiner Meinung nach ziemlich perfekt hing. Für mich hing sie allerdings überall perfekt, da ich auch gut und gerne auf eine Girlande verzichten konnte.

Aber für Thea war es wohl wichtig, da sie schon den ganzen Morgen Louie durch die Wohnung scheuchte, um hier mal Konfetti zu verteilen und da mal einen Luftballon aufzublasen. Richtig lustig wurde es aber erst, wenn Louie versuchte etwas aufzuhängen.

Er war sowieso schon relativ klein und Muskeln besaß er auch keine, ganz zu schweigen von Gleichgewicht oder Körperspannung. Der typische Streber wie im Klischee eben! Aber ich musste schon zugeben, dass unsere Partykönigin heute wirklich sehr pingelig war. Vielleicht weil ihr die Geburtstage ihrer Freunde einfach wichtig waren.

Mit einem Seitenblick stellte ich jedoch fest, dass sie Louie einfach nur ärgern wollte. Dieser stand nur noch auf einem Bein und streckte verzweifelt die Arme, um die von Thea gezeigte Stelle zu erreichen. Sie sah mich amüsiert an.

„Fehlt nur noch die Kamera!" Louie hatte sie offenbar gehört, denn er stolperte und fiel fast vom Stuhl. Mit einem unbeholfenen Satz sprang er vom Stuhl und funkelte Thea beleidigt an.

„Das ist nicht lustig! Ich bemühe mich hier die ganze Zeit und du sitzt nur rum und kommentierst alles." Nun schaltete ich mich ein, immer noch auf den Stuhl gelehnt und mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

„Ein bisschen amüsant ist es schon und du bist schließlich derjenige, der sich so doof anstellt."

„Ach ja, Tirara? Ich finde auch so einige Dinge amüsant." Meinen Namen betonte Louie dabei deutlich, denn er wusste genau wie sehr ich ihn hasste. Tirara. Jeder Lehrer brach sich fast die Zunge, wenn er meinen Namen das erste Mal aussprach. Vielen Dank auch, Mum und Dad! Es gibt eine Sache in der euch jemals einig wart und das war dieser Name?

Meine Freunde hatten schon aufgegeben, was meinen Namen anging und nannten mich nur noch Tia. Das war kurz und einfach und gefiel mir deswegen besonders. Bei diesem Namen sollte es auch gefälligst bleiben!

Ich wollte gerade etwas zurückschleudern, als die Tür aufflog und ein Junge mit einer Kiste voll mit alkoholischen Getränken eintrat. Ich zählte mehrere Liköre, Schnaps, Wodka und einige fertiggemixte Cocktails.

„Wenn ihr dann fertig mit herumalbern seid, könnt ihr mir helfen die Getränke zu holen." Er drückte Thea den Kasten in die Hand, welche unter dem Gewicht kurz schwankte. Dann deutete er hinter sich.

„Im Auto sind noch die Bierkästen und ein paar Flaschen Wein sind auch noch da. Mir ist egal, wer von euch das jetzt tut, aber einer muss das reintragen." Thea sah ihn vorwurfsvoll an.

„Deine Hände sind frei, hol du es doch."

„Ich habe meinen Teil der Aufgaben erledigt, jetzt bist du mal dran." Thea schmollte noch immer und stützte die Getränke mit ihrem Knie. Offensichtlich war sie nicht gewillt nachzugeben, obwohl ich sagen würde, dass es viel einfacher wäre, die Sachen einfach zu erledigen, aber das war ja nicht Theas Art. Sie war so versessen darauf ihren Willen durchzusetzen, dass ihr es völlig egal war, wie viel Zeit das in Anspruch nahm.

Ich verdrehte nur die Augen. Wir hatten keine Zeit mehr, denn die Gäste würden in wenigen Stunden hier aufkreuzten und nichts war fertig!

„Ich geh schon, aber stellt ihr doch bitte schonmal die Getränke kalt. Keiner mag warmen Alkohol. Und um Himmels Willen beeilt euch!" Mit diesen Worten verließ ich das Wohnzimmer um die restlichen Sachen aus Augusts Kofferraum zu holen. Der Kofferraum war ziemlich zugemüllt, wobei ich nicht vermutete, dass viel von dem Zeug zu August gehörte. Abgesehen von dem Bier und dem Wein natürlich, denn den durften seine Geschwister noch nicht trinken. Wobei ich sagen musste, dass es mich wundern würde, wenn sie noch nie eine Bierflasche in der Hand gehalten hätten.

Apropos Bierflaschen, jetzt trödelte ich wieder rum! Ich seufzte und griff mir den nächstbesten Kasten. Es half sowieso alles nichts. Unter Ächzen und Stöhnen schleppte ich mich zurück ins Wohnzimmer, wo ich den Kasten fallen ließ. Es schepperte laut und ich merkte sofort, was für eine blöde Idee das gewesen war. Das würde sicher Kratzer im Holzboden geben!

Wenigstens hatten Thea und Louie sich mittlerweile in Bewegung gesetzt und halfen gründlich zu räumen und Möbel zu verrücken. Der Tisch wurde an eine Wand geschoben, um Platz für eine Tanzfläche zu machen, die ich sowieso nicht betreten würde. Meine Mutter hatte immer gesagt, dass ich zwei linke Füße hatte und ich konnte ihr da auch nicht widersprechen.

Thea rannte nun hektisch durch die gesamte Wohnung und vergaß die Hälfte der Zeit, was sie eigentlich vorhatte. August dagegen war ruhig geblieben und immer noch so entspannt, wie zuvor. Er hatte sich doch noch einmal erbarmt und die restlichen Kästen hineingetragen. Gerade noch rechtzeitig, denn dann strömten auch schon die ersten Jugendlichen in den Raum.

Und wieder war ich offiziell ein Jahr älter, oder anders gesagt, wieder war ein Jahr meines Lebens vorbei, welches meine Eltern einfach verpasst hatten.

Area 51 - Don't trust anybody! Where stories live. Discover now