~Kapitel 6~

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Die Schule. Meiner Meinung nach ziemlich vergleichbar mit einem Urwald. Nicht, weil die Gänge so verwirrend wären, nach einer Woche fand man sich selbst als Neuling zurecht, sondern wegen der Leute. Und nein, damit meinte ich auch nicht die Menge der Schüler oder der Lehrer. Diese war nämlich eigentlich ganz überschaubar, da wenige Familien hier in der Stadt wohnten. Ich meine, wer verzichtet auch freiwillig auf eine Shoppingmall und gutes Internet?

Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte, war, dass man hier die unterschiedlichsten Gruppen von Menschen treffen konnte. Obwohl wir nicht viel Schüler waren, muss man wissen, dass wir in verschiedene Cliquen unterteilt waren. Es hatte sich einfach so ergeben, ich denke, es war schon immer so. Es mag vielleicht ein wenig übertrieben sein, aber wir sprachen auch außerhalb unserer Cliquen nicht mit anderen Schülern, es bestand einfach kein Interesse.

„Hatten wir Hausaufgaben auf?" Thea blickte August fragend an.

„Wir kriegen doch jede Stunde Hausaufgaben bei dem." Thea zuckte nur mit den Schultern und setzte ein bettelnden Gesichtsausdruck auf. August schien schon zu wissen, was sie jetzt fragen würde und ich wusste es ehrlich gesagt auch schon. Dafür kannte ich Thea einfach schon zu lang. Aber das taten wir alle, da die Stadt einfach nicht genug Jugendliche in unserem Alter hatte. Und so kannte eigentlich jeder so gut wie jeden in der Schule. Außer natürlich man ignorierte die anderen Schüler, so wie ich.

„Versuch's gar nicht erst!" August verschränkte die Arme und lief ein Stück weiter vor. Thea schmollte. Dann wandte sie sich mir zu.

„Tia, hast du vielleicht..." Ich unterbrach sie.

„Du weißt, dass es eh falsch sein wird, was ich in Mathe gemacht habe."

„Das ist mir egal. Ich brauche einfach nur die Ergebnisse. Und wenn der Lehrer fragt, sage ich halt, dass ich es versucht, aber nicht verstanden habe." Thea hatte eigentlich recht. Und ehrlich gesagt war ich auch nicht besonders schlecht in der Schule. Ich war nur nun einmal die durchschnittliche unsichtbare Schülerin.

Ich verdrehte die Augen. Thea nahm das sofort als eine Antwort und ehe ich mich versah, war ich mein Heft los und von Thea war keine Spur mehr. Ich hoffte nur, dass ich dieses wiedersehen würde, bevor die Mathestunde begann.

August blickte mich tadelnd an und ich konnte mir genau vorstellen, was er gerade dachte.

„Du sollst ihr nicht immer helfen! Sie lernt doch sonst niemals etwas daraus."

„Sie lernt auch so nichts daraus." Die Schulklingel ertönte nun zum zweiten Mal und langsam hatte ich Zweifel, ob August nicht doch recht hatte. Thea hatte jetzt vielleicht die Hausaufgaben, aber ich musste ohne Heft den Matheunterricht betreten. Ich blieb ein paar Schritte vor der Tür stehen und drehte mich suchend um, während August bereits in den Kursraum ging.

„Ms. Johnson, mich würde wirklich interessieren, was wichtiger als mein Matheunterricht ist."

Ich wirbelte erschrocken herum und blickte in das grimmige Gesicht meines Mathelehrers. Dieser stand wartend an der Tür und musterte mich ungeduldig und ein wenig finster.

„Falls Sie meine Aufforderung nicht verstanden haben, Sie halten den Unterricht auf! Also gehen Sie auf Ihren Platz." Ich schluckte, doch zu meinem Glück hörte ich ein Keuchen neben mir. Thea hatte die Arme in die Seite gestemmt und in einer Hand hielt sie mein Matheheft. Ob sie es noch geschafft hatte abzuschreiben? Sie wollte mir mein Heft geben, doch da unterbrach uns mein immer noch sehr wütender Mathelehrer.

„Ich sage es nicht noch einmal! Ihr geht jetzt entweder an euren Platz oder zum Direktor!" Wir zuckten zusammen und ich murmelte eine Entschuldigung, die aber wegen dem lauten Kurs kaum zu verstehen war. Ich zögerte aber nicht weiter und lief zu meinem Platz, der sich ungünstiger Weise genau auf der entgegengesetzten Seite zu Theas Platz befand.

Ich ließ mich unsicher auf den Sitz neben Jessica fallen, die gerade irgendetwas in ein Heft schrieb und mich überhaupt nicht beachtete. Thea schielte von der anderen Seite des Raumes zu mir herüber. Sie wollte mir wohl etwas zuflüstern und formte einige Worte mit den Lippen.

„Was? Ich versteh dich nicht!" Ich wünschte ich hätte ihr diese Worte laut zurufen können, doch der Lehrer sah mit einem Todesblick zu uns rüber und so hörte ich auf zu flüstern. Jessica war auf meine Flüsterschreie aufmerksam geworden und betrachtete mich gelangweilt. Dann flogen ihre Augen zu Thea und ich dachte schon, sie würde uns verpfeifen.

Wenn man Jessica eines lassen musste, dann, dass sie schlau war und so checkte sie sehr schnell, was los war. Sie hob den Arm und wedelte mit der Hand herum, bis der Lehrer auf sie aufmerksam wurde. Sofort wurde seine Mine freundlich und er lächelte.

„Ja, Ms. Green?" Jetzt würde ich wohl doch noch Ärger bekommen. Ob ich wohl nachsitzen müsste? Vielleicht würde ich aber auch direkt von der Schule fliegen. Bei diesem Lehrer wusste man nie.

„Meine Schwester hat aus Versehen mein Heft eingepackt und ich benötige es für den Unterricht. Dürfte ich es mir kurz holen gehen?" Ich weiß nicht, ob Thea oder ich überraschter war.

„Aber natürlich." Jessica schritt selbstbewusst zu Theas Tisch und schnappte sich mein Matheheft. Dann drehte sie um und warf es mir vor die Nase. Ich war völlig verdattert. Jessica ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und zischte mich mit einem Seitenblick an.

„Nächstes Mal helfe ich dir nicht." Ich war zu verdutzt, um zu antworten. Ich kam auch gar nicht dazu, denn mein Mathelehrer fing wieder an zu reden. Ich dachte kurz, er würde noch etwas zu meinem Matheheft sagen, da er Jessica ansah, aber da irrte ich mich.

„Sie sind doch mit Louie Parker befreundet, oder? Wissen Sie zufällig, wo er heute ist?" Jessica schüttelte nur den Kopf. Ich war verwirrt. Ich war so mit meinem Matheheft und den Hausaufgaben beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass der Platz neben Thea leer war. Wo steckte Louie bloß?

Area 51 - Don't trust anybody! Where stories live. Discover now