~Kapitel 12~

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Vielleicht hätte ich doch nicht diesen Vorschlag machen sollen. Nachdem ich eine ganze Nacht darüber nachgedacht hatte, war ich völlig übermüdet. Schon wieder. Ich hatte mich die ganze Zeit nur von einer Seite auf die andere gewälzt und angestrengt versucht eine Entscheidung zu treffen. Und da ich jetzt eine hatte, war mir klar, dass ich Louie umsonst Hoffnungen gemacht hatte. Es war einfach viel zu leichtsinnig, egal ob wir da nur in die Nähe wollten. Wir würden sowieso nur riesigen Ärger bekommen und wofür? Einen Zaun, ein paar vertrocknete Grashalme und Staub.

Meine Schritte fühlten sich schwer an, als ich mich nahe einer Schülergruppe vorbei quetschte, die man auch gut mit kitschigen Prinzessinnen verwechseln konnte. Ob man vom nur Pink tragen wohl eingebildet wurde oder waren diese Mädchen einfach von Anfang an so eingebildet gewesen, dass sich das auf ihre Kleidung abfärbte? Wurde das nicht irgendwann langweilig?

Ich schüttelte den Kopf und lief an den dreckigen und Kaugummi-beklebten Spinden vorbei. Das war nicht mein Problem und ich hatte jetzt auch keine Zeit mich mit denen auseinander zu setzen. Der Unterricht könnte jede Sekunde beginnen und wenn ich Louie nicht langsam mal fand, würde ich mich den ganzen Tag damit wahnsinnig machen, wie ich ihm das am besten erklären würde.

Eine Spindtür flog direkt vor meiner Nase mit einem lauten Knall zu. Einen Zentimeter näher und meine Nase wäre jetzt gebrochen. Ein Mädchen mit einem pinken bauchfreien Top und einer schicken weißen Hose hatte sich lässig an den Spind gelehnt. Dazu trug sie noch eine Markenjacke und so viel Schminke, dass man meinen könnte, dass gleich mehrere Schichten von ihrem Gesicht abblättern könnten. Vielleicht nutzte sie das Make-up, um ihr hässliches falsches Lachen zu verstecken, doch dann war es nicht besonders wirksam.

„Tirara! Wie schön dich zu sehen, Maus!" Mir wurde fast übel bei ihrer falschen Freundlichkeit.

„Hallo Valerie." Ich wollte mich einfach an ihr vorbeischieben, doch sie trat unauffällig einen Schritt beiseite, sodass sie mir den Weg versperrte. Dann lächelte sie wieder übertrieben freundlich.

„Wir haben sooo lang nicht mehr gesprochen. Wie geht es dir? Und deiner Familie?" Ich drehte ab und lief in die andere Richtung zu meinem Spind. Als ich diesen jedoch aufschloss, stand Valerie bereits wieder neben mir.

„Also?" Ich biss die Zähne zusammen und tat so, als würde ich etwas ganz Wichtiges suchen. Innerlich bettelte ich, dass sie einfach gehen würde. An jedem anderen Tag würden mich ihre Sticheleien nicht im Geringsten stören, doch nach den letzten Tagen hatte ich die Schnauze gestrichen voll. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich nicht einmal etwas gegen sie sagen konnte. Valerie hatte ein unfassbares Talent unschuldig auf andere zu wirken, weshalb ich dann den Ärger bekommen würde.

„Mir gehts super, meinen Eltern auch." Ich antwortete so knapp wie möglich. Valerie plapperte einfach weiter. Was wollte sie denn noch von mir?

„Das freut mich natürlich. Aber bist du dir da auch sicher? Denn ich meine, du kannst nicht mal mit deinem Vater sprechen. Er ist leider viel zu beschäftigt." Ich wollte sie am liebsten anknurren, dass sie das nichts anging. Damit würde ich ihr allerdings nur einen Gefallen tun. Sie wusste genau, wie sie am besten Salz in die Wunde streute.

„Ich kann mit ihm telefonieren. Außerdem kommt er bald nach Hause." Na klasse. Jetzt hatte ich auch noch eine Lüge erzählt, die ich selbst nicht glaubte.

„Echt? Ich habe gehört, er war nicht einmal bei deinem Geburtstag. Er hat aber bestimmt nicht viel verpasst." Valerie klimperte unschuldig mit den Wimpern und setzte ein strahlendes Lächeln auf.

„Aber er hat sicher viel zu tun, vor allem mit der Presse." Ich sah Valerie fragend an. Sie fuhr fort ohne mich aus den Augen zu lassen.

„Seit die ganzen Stromausfälle im Radio sind, sind die Angestellten dort bestimmt sehr beschäftigt. Du weißt nicht zufällig, was da vor sich geht? Ich meine, das dürftest du eh nicht, denn es ist schließlich streng geheim." Darauf wollte sie also hinaus. Ich knirschte mit den Zähnen und steckte meine Nase tiefer in mein Schließfach.

Das war eine Fangfrage. Ich konnte nur verlieren. Wenn ich lügen und sagen würde, dass mein Vater mir etwas erzählt hätte, würde sie mir vorwerfen, dass das verboten sei und mein Vater würde vermutlich Probleme bekommen. Wenn ich allerdings sagen würde, dass mein Vater mir nichts erzählt hatte, wäre das für sie gefundenes Fressen.

Vermutlich war mich fertigzumachen aber nicht ihr einziges Ziel. Man konnte ihre Neugier förmlich riechen. Oder auch ihr Parfum.

„Du weißt also nichts?" Sie trat einen Schritt vor und blickte mir forschend in die Augen. Dann wirbelte sie einfach herum und stolzierte davon.

Erleichtert knallte ich mein Schließfach zu. Gleichzeitig war ich aber auch unfassbar wütend. Ich hätte kontern können, wenn mein Vater mir einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken würde.

Mit einem Buch unter den Arm geklemmt machte ich mich auf den Weg zu unserer Bank. Nun ja, es war nicht wirklich unsere Bank. Es war nur der Ort, wo wir jede Freistunde und jede Pause rumhingen. So war sie immer von uns besetzt, weshalb sie vermutlich doch unsere Bank war. Wie erwartet, war Jessica schon mit Louie und Thea dort. 

Area 51 - Don't trust anybody! Where stories live. Discover now