~Kapitel 35~

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Beim Näherkommen wirkten die Stapel auf einmal immer höher. Zudem kam jetzt die Frage auf, wie ich die Kisten von unten wegnehmen konnte, ohne dass der der ganze Turm einkrachte. Von oben nehmen konnte ich vergessen, dafür waren die Stapel viel zu hoch.

Versuchsweise zerrte ich an einer der Kisten. Zunächst bewegte sich gar nichts. Ich versuchte sie mit meinen Fingern fester zu fassen und noch stärker zu ziehen. Als sie sich dann doch bewegte, sprang ich sofort erschrocken zurück. Der ganz Turm wackelte. Ich trat noch ein paar große Schritte zurück. Nein danke, ich wollte heute nicht noch von Kisten zerquetscht werden.

„Doch nicht die Kisten." Ich wirbelte wie elektrisiert herum, als ich die Stimme vernahm. Sogleich schämte ich mich für meine bescheuerte Reaktion. Shane hievte mit hochgekrempelten Ärmeln einige Kisten zu den LKWs. Mühelos. Aber vermutlich machte er das auch schon länger.

„Und welche dann?"

„Auf jeden Fall nicht die, die bis zur Decke gehen. Die werden mit nem Kran geholt." Schon irgendwie offensichtlich. Ich fühlte mich ziemlich dämlich. Schnell lief ich zu einem wesentlich kleineren Stapel. Genau genommen war es fast mehr ein Haufen. Und hier konnte ich sogar die Kisten von ganz oben nehmen. Dachte ich zumindest. Denn sobald ich die Kiste über die Kante schob zog mich das Gewicht nach unten und sie fiel mit einem lauten metallenen Scheppern auf eine andere Kiste.

Shane warf mir einen kühlen tadelnden Blick zu und drückte mich zur Seite. Dann griff er die Kiste und hob sie mit einem Ruck hoch. So trug er meine Kiste zu dem LKW. Und ich stand dumm daneben. Er stellte sie auf die anderen, als wäre die Last gar nichts für ihn. Schnell wandte ich den Blick ab, als ich merkte, dass ich ihn anstarrte. Jedoch bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass er mich nicht einmal mehr ansah. Warum war er bloß so kalt? Naja, was der konnte, konnte ich schon lange.

Ich versuchte mich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren und das funktionierte auch überraschend gut. Mein Kopf war völlig klar und ich fokussierte mich nur auf das Tragen der Kisten. Shane ignorierte mich zwar immer noch so gut es eben ging, aber das war mir egal. Warum sollte es auch anders sein? Mein Vater konnte mir nicht vorwerfen, ich hätte es nicht versucht. Aber ein letzter Versuch schadete doch nicht.

„Was machen Oliver und du eigentlich hier? Ich hab schon über mehr als eine Ecke gehört, dass Jugendliche hier eher unerwünscht sind." Ich versuchte so desinteressiert wie möglich zu wirken, was mir nicht ganz gelang. Shane reagierte jedoch nicht einmal darauf.

„Hallo? Ich habe dir ne Frage gestellt!" Shane funkelte mich daraufhin nur finster an.

„Familienangelegenheit. Du hast meinen Vater doch getroffen." Er drehte mir den Rücken zu und stemmte die letzte noch verbleibende Kiste von unserem Stapel in den LKW. Die nächsten Worte murmelte er vor sich hin.

„Hör zu. Ich weiß nicht, was dir mein Vater oder deiner gesagt haben, aber ich werde nicht deinen Babysitter spielen. Wenn du Fragen hast, frag jemand anderen." Ich funkelte ihn wütend an.

„Meinen Babysitter?! Mein Vater hat mir die Ohren voll geheult, dass du keine Freunde hast und ich doch bitte Zeit mit dir verbringen soll."

„Ich brauche dich nicht. Verzieh dich einfach." Jetzt konnte ich nicht mehr nur da stehen. Ich stellte mich vor ihn und verschränkte die Arme.

„Ich gehe nirgendwo hin. Ich will keinen Stress mit meinem Vater, also wirst du mich nicht los." Shane zuckte mit den Schultern. Ganz kurz meinte ich seine Mundwinkel nach oben gehen zu sehen. Es war fast nur ein Zucken, doch es war das, was einem Lächeln am nächsten kam.

„Na schön, Prinzessin. Mach was du willst." Ob er jetzt akzeptiert hatte, dass wir beide uns wohl oder übel verstehen mussten, wusste ich nicht so ganz.

Jedoch war ich fast froh, dass unsere Konversation von Oliver unterbrochen wurde.

„Hey Bro, wir sind hier fertig! Braucht ihr noch Hilfe?" Shane schüttelte den Kopf.

„Wir können den Rest morgen machen." Dann schielte er zu mir.

„Ich hab... sowieso keine Lust heute noch weiter zu machen." Ich schluckte die hochkommende Wut hinunter. Es war nicht meine Schuld, dass er absolut nicht auszuhalten war. Meine Laune war nun offiziell im Keller und damit war ich zumindest nicht ganz alleine. Abgesehen von Shane natürlich, bei dem man aber nicht ganz sagen konnte, ob das nicht eher ein Dauerzustand war. Louie schmollte immer noch vor sich hin und blickte manchmal wütend zu Oliver.

Ich hatte Oliver zwar während der Arbeit nicht beobachtet, aber es war zu vermuten, dass er nicht eine Sekunde von Jessicas Seite gewichen war. So wie auch jetzt nicht. Jessica schlenderte neben ihm her und strahlte ihn glücklich an. Und zu meiner Überraschung erwiderte er ihren Blick. Vielleicht hatte sie so eben ihre Meinung geändert und wollte nicht mehr so unbedingt zurück.

Na wenigstens eine von uns war glücklich.

Area 51 - Don't trust anybody! Where stories live. Discover now