Bonus 18

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Vor 114 Jahren

Agathe saß im Schlossgarten. Die Sonne ging unter und tauchte alles in goldenes Licht. Erschöpft betrachtete sie den orangen Himmel. Der Tag war lang gewesen. Sehr lang. Ihr bester Freund, Baron Gustav, war zu Besuch gekommen. Doch sie musste den Besuch rasch beenden, als sie hörte, dass mehrere Dörfer überschwemmt wurden.

Starke Regenfälle hatten die Katastrophe verursacht. Auch der kleine See in der Nähe des Schlossgarten war übergelaufen. Dadurch wurden Teile des Schlossgartens beschädigt und Wasser war in den Keller des Schlosses gelaufen. Die Küche stand noch immer unter Wasser.

Eine Katastrophe.

Gustav reiste bereits nach einer Stunde überstürzt ab, um sicherzustellen, wie es um sein Anwesen stand. Es war in der Nähe eines kleinen Flusses erbaut worden. Agathe hoffte, dass er es sicher und trockenen Fußes nach Hause geschafft hatte.

Am nächsten Tag sollten Gärtner und andere Arbeiter in das Schloss kommen und die Wiederherstellung aller beschädigten Flächen planen und in Angriff nehmen. Derzeit waren einige Hexen und Zauberer damit beschäftigt, Schloss und Teile des Gartens vom überschüssigen Wasser zu befreien. Interessiert betrachtete Agathe, wie Wassersäulen das Schlossgrundstück verließen, geführt von den fleißigen Hexen und Zauberern.

Gleichzeitig mussten Hilfsgüter zu den Dörfern geschickt werden...

Es war ein sehr langer Tag gewesen. Zum Glück war niemand im Schloss zu Schaden gekommen. Doch in den Dörfern gab es, soweit Agathe informiert war, Tote und Vermisste.

Am nächsten Morgen erwartete Agathe die Arbeiter im Thronsaal. Es waren mehrere Männer und Frauen. Größtenteils Sterbliche. Sie verbeugten sich tief vor der Königin, bevor ihre Dienerschaft den Arbeitern ihre Arbeitsplätze zuwiesen. Besonders ein Arbeiter, einer der Gärtner, fiel Agathe ins Auge. Ein junger Mann um die zwanzig Jahre mit dunkelbraunen Augen und schwarzem Haar. Er war groß und leicht muskulös. Agathe musste sich zusammenreißen, um ihn nicht anzustarren.

Es war nur ein Sterblicher. Ein Gärtner. Und sie war die Königin.

Seit Jahren umwarben adlige Herren sie. Agathe sagte keiner von ihnen zu. Sie waren doch alle nur auf ihr Geld aus. Auf ihr Ansehen. Auf ihre Macht. So einen Mann wollte sie nicht. Sie wollte einen Mann, der sie liebte. Sie. Agathe. Überlebende eines fürchterlichen Krieges, gekrönte Hexe und Beschützerin ihres Landes. Nie wieder würden sich Wölfe und Elfen gegen das Land erheben.

Kaum verließen die Gärtner den Thronsaal, nahmen die Pflichten sie ein und sie vergaß den attraktiven Gärtner. Sie vergaß ihn, bis sie abends einen Spaziergang durch den Schlossgarten unternahm. Sie hatte nicht vor, bis zu den beschädigten Flächen zu gehen, doch ihre Füße trugen sie zu dem vielen Schlamm und den faulenden Blumen und Büschen. Das Bild erschütterte sie.

Sie erinnerte sich an den Zustand des Schlosses, als sie gekrönt wurde. Vieles war kaputt. Teile waren sogar niedergebrannt und die Städte und Dörfer lagen in Schutt und Asche. Sie schüttelte den Kopf, um die Bilder der Zerstörung zu vertreiben.

„Ist alles in Ordnung, Majestät?", fragte jemand mit tiefer Stimme. Blinzelnd sah sie auf. Neben einem der toten Büsche, tief im Schlamm, stand der Gärtner mit den braunen Augen.

Agathe rümpfte die Nase. „Natürlich."

„Das ist gut." Er lächelte. „Jemand so schönes sollte nicht so verängstigt aussehen."

„Verängstigt?" Überrumpelt vergaß sie, ihn auf sein unakzeptables Verhalten hinzuweisen. „Ich bin nicht verängstigt. Ich habe mich nur an etwas unschönes erinnert."

„Etwas unschönes?"

„Allerdings, ja." Ihr Blick fiel auf seine einfachen Schuhe, die im Schlamm zu versinken schienen. „Sie sollten für heute mit der Arbeit aufhören. Oder sie werden sich erkälten."

„Macht Ihr Euch Sorgen um mich?" Er zwinkerte ihr zu. „Keine Sorge, Majestät. Ich bin an jedes Wetter gewöhnt."

Sie rollte mit den Augen. Flirtete er etwa mit ihr? „Ach ja? Und wie heißen Sie?"

„Mirko Moosblatt." Erneut verbeugte er sich.

In den darauffolgenden Tagen trafen die beiden immer wieder aufeinander. Und sie unterhielten sich. Agathe hatte viele Fragen über den Alltag eines Gärtners, welche Mirko ihr gern beantwortete. Er hingegen hatte Fragen zum Alltag einer Königin. Aber er fragte auch nach dem, was sie privat gerne machte. Las sie gerne? Mochte sie es, zu reiten?

Und ohne Unterlass flirtete er mit ihr. Agathe genoss es. Er sah sie an, wie sonst Keiner. Und er sah sie, nicht nur die mächtige Königin.

Noch bevor die Gartenarbeiten beendet waren, fragte Agathe ihn, ob er sich vorstellen könne, König zu sein. Mirko blinzelte verwirrt. „Ich? König? Ein einfacher Gärtner?"

Sie nickte. „Ja. Du. Ein einfacher Gärtner."

„Aber..." Er raufte sich das Haar. „Ich kann doch nicht... Ihr seid so wundervoll! Und ich bin nur ein Sterblicher."

„Und?" Sie verzog schmollend das Gesicht. „Ich mag dich. Und sagtest du nicht, deine Familie sei reich? Niemand im Adel wird sich also an dir stören, auch wenn du kein Adliger bist."

„Ich mag Euch auch, Majestät. Sehr sogar", sagte er mit feuerroten Wangen. „Meine Eltern sind Kaufleute, ja... Aber ich bin trotzdem nur ein Bürgerlicher. Natürlich wird der Adel sich daran stören!"

„Nein. Keiner wird es wagen." Agathe nickte und strich über die Blätter eines frisch gepflanzten Buschs. „Du magst mich auch? Dann nenn mich Agathe und heirate mich. Bitte. Du musst nicht regieren. Es reicht, wenn du bei mir bist. Um mehr bitte ich nicht."

„Agathe?", sagte er vorsichtig, unsicher. „Was kann ich dir bieten?"

„Was kann ich dir bieten?" Seufzend zupfte sie eines der Blätter des Buschs. „Alle Reichtümer, unendliche Liebe aber kaum etwas von meiner Zeit. Und dennoch, bitte, blieb bei mir."

Er nickte, noch immer erschrocken. „Ja, Agathe. Du bist mehr als genug. Ja! Ich brauche keine Reichtümer. Aber... Bist du dir sicher? Wir kennen uns kaum."

War diese Entscheidung übereilt? Natürlich. Doch Agathe wollte ihn nicht gehen sehen. Sie wusste, dass sie ihn brauchte. Und eine Vision hatte ihr gezeigt, dass sie glücklich zusammen sein würden. Also ignorierte sie es, dass er sterblich war. Sie ignorierte, dass sie ihn eines Tages verlieren würde.

Anders als das ursprüngliche, königliche Protokoll es erforderte, heirateten sie relativ bescheiden. Es war Mirkos Wunsch. Nun, bescheiden für königliche Verhältnisse. Mirko brauchte einige Monate, um sich an sein neues Leben zu gewöhnen. Und nach zehn Jahren kam ihr erstes Kind zur Welt. Prinz Fritz, ein süßer Junge mit Agathes grünen Augen und Mirkos schwarzem Haar.

Und Agathe war glücklich.

Und gleichzeitig hoffte sie, dass ihr Sohn niemals solch einen Krieg erleben würde, wie sie. Ja, sie würde ihn beschützen. So wie sie eisern ihr Land schützte. Machtvoll.


(c: sasi)


Agathe als Teenager

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Agathe als Teenager.

Hexe - Die KöniginOù les histoires vivent. Découvrez maintenant