Kapitel 4

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Cleo

„Du siehst schön aus." Cleo beobachtete, wie Charlotte ihr Spiegelbild betrachtete.

„Ich weiß nicht. Dieses Kleid? Oder doch das blaue?" Sie trug ein rotes Kleid. Es stand ihr gut. Neben Cleo lag das blaue Kleid, welches ebenfalls zur Wahl stand. Das rote Kleid war schlichter und gefiel Cleo besser. Das Blaue hatte einen schimmernden Rock aus Tüll und war mit Blüten aus Perlen bestickt. Ein Ballkleid.

„Du ziehst dich jetzt seit einer Stunde immer wieder um. Du bist schön. Das rote Kleid ist gut."

„Cleo! Wir besuchen meine Großmutter, weil sie dich kennenlernen will. Ich habe sie länger nicht gesehen... Sie ist furchtbar streng und reich. Ich darf nicht schäbig aussehen!"

Cleo lag auf ihrem gemeinsamen Bett und grinste. Sie hatte sich auf den Bauch gedreht, um ihre Frau besser beobachten zu können. „Aber ich darf schäbig aussehen?"

Seit die beiden verheirateten waren, lebten sie gemeinsam in Cleos kleinen Anwesen. Ihres war das kleinste Anwesen zwischen Fritz, Lea und ihr. Sie mochte es gern klein, schlicht und gemütlich. Allerdings war Charlotte durch ihre Villa gefegt wie ein Wirbelsturm und hatte alles umdekoriert. Anstatt ihrer sporadischen Einrichtung war die Villa nun ein buntes, flauschiges Dekoparadies. Seufzend hatte Cleo ihr Schicksal hingenommen. Ihr gemeinsames Schlafzimmer zierte nun rosa Bettwäsche und rosa Gardienen. Charlotte wollte auch die Wände rosa streichen lassen, doch Cleo konnte sie davon abhalten und die hellgrauen Stofftapeten beschützen. Nur ein Raum war unberührt geblieben. Cleos Hobbyraum, wo ihre Übungsschwerter an der Wand hingen.

Charlotte setzte sich neben sie. „Du, meine Liebe, könntest in einem Kartoffelsack oder nackt erscheinen! Aber ich? Nein. Ich muss vorzeigbar sein. Anders als die älteste, wunderbare Prinzessin!"

„Wunderbar?" Cleo zog Charlotte zu sich. „Findest du das auch?"

„Hätte ich dich sonst geheiratet?"

„Ich weiß nicht... Zumindest wäre mein Haus noch mein Haus..."

Charlotte streckte ihr die Zunge raus. „Dafür ist es jetzt ein Zuhause! Meine Großmutter war immer eine große Bewunderin der königlichen Familie. Aber sie war nie wichtig genug, um zu den meisten Bällen im Schloss eingeladen zu werden. Ich weiß nicht, wie oft sie eingeladen wurde... Viermal, vielleicht? In ihrem langen Leben. Sie ist nun dreihundert."

„Unser Zuhause! Aber etwas weniger Deko würde nicht schaden!" Cleo seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Großmutter bei einem der Bälle getroffen habe."

„Etwas mehr Deko würde nicht schaden!"

„Bitte nicht!"

Charlotte setzte sich auf Cleos Schoß und küsste sie. „Und jetzt?"

„Mehr Küsse, und ich überlege es mir." Cleo seufzte. „Also... Wann müssen wir los?"

„Die Kusche müsste gleich da sein... Und du trägst noch deinen Schlafanzug! Cleo!"

„Du sagtest doch, ich könnte nackt erscheinen..."

„Bitte. Zieh dir was ordentliches an." Charlotte kletterte wieder von ihrem Schoß. „Wie wäre es mit dem neuen Anzug, den wir haben anfertigen lassen?"

„Du meinst, den du hast anfertigen lassen... Ich sehe darin aus wie ein in Gold gewickeltes Geschenk!" Cleo schnaubte. „Der Stoff glänzt!"

„Du wirst das hübscheste Geschenk sein!"

„Das hatte ich befürchtet."

Doch Cleo tat Charlotte den gefallen und zog das glänzende Ungetüm an. Der Anzug stand ihr ausgesprochen gut. Wenn er nur weniger glänzen würde...

Hexe - Die KöniginWhere stories live. Discover now