Kapitel 32

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Fritz

Der König war tot.

Fritz saß auf seinem und Paulas Ehebett und starrte an die Decke. Paula lag neben ihm. Es war schon spät und die Kinder schliefen. Vor wenigen Stunden war ein Brief mit der traurigen Nachricht und einer Einladung, nein, Aufforderung zur Teilnahme an der Beerdigung angekommen.

„Das war niemals ein natürlicher Tod", murmelte Paula. „Niemals."

„Möglich." Fritz wusste nicht, was er denken sollte. „Ich traue das meine Mutter zu."

„Du gehst zur Beerdigung?"

Fritz legte sich seufzend hin. „Wir gehen zur Beerdigung."

„Ich bringe die Kinder morgen zu meinen Eltern. Und dort bleiben sie fürs erste. Ich werde sie nicht dem Zorn deiner Mutter aussetzen." Paula schnaubte. „Oder ich bringe sie zu Hany. Das ist vielleicht besser, sollte sie bei meinen Eltern nach unseren Kindern suchen lassen...Sie ist eine gefährliche und wahnsinnige Person! Hany und seine Frau wünschen sich Kinder, doch sie hatten nie Glück. Sie kümmern sich gerne um unsere beiden."

„Und wir?"

„Wir holen sie zu uns, wenn es wieder sicher ist." Eine Träne kullerte Paulas Wangen herunter. „Wann auch immer das sein wird. Sie dürfen nicht hierbleiben. Hany wird ein guter Vater sein."

Fritz nickte.

Julia

Peter hatte die Nachricht über König Friedrichs Tod gefasst aufgenommen, als Julia sich endlich ein Herz fasste und ihm von diesem Teil ihrer Vision erzählte. Sie selbst wusste nicht, was sie fühlen sollte... Ihr Vater war liebevoller als die Königin gewesen, doch er war oft fort. Immer unterwegs im Auftrag der Königin, oder er verkroch sich in der Bibliothek, um dort seine Ruhe zu haben. Sie hatte nur wenige Erinnerungen daran, wie er mit ihr spielte, als sie noch klein war. Und Peter? Peter hatte sich zuletzt mit ihm gestritten.

Sie hatten sich nicht verabschieden können. Julia vergrub das Gesicht in ihrem Kissen und zog ihre Decke über den Kopf.

Sollte sie trauern? Es kam ihr alles so fern vor. Diese Vision. War das wirklich passiert?

Sie grübelte eine ganze Weile, bis sie spät in der Nacht einschlief.

Julia ging durch weiße Wolken und schillerndes Licht in sanften Regenbogenfarben. Von irgendwo kamen flüsternde Stimmen, doch sie sah niemanden. Manchmal hörte sie das Geräusch von schlagenden Flügeln oder ein leises Lachen. Alles wirkte wie verzaubert. Als stünde sie inmitten von sanfter Magie.

Sie ging eine ganze Weile durch den schillernden Wolkennebel, bis sie zwei Frauen mit Vogelfüßen und prächtigen Schwingen. Die beiden lächelten ihr entgegen. Julia blieb kurz stehen. Sollte sie zu ihnen gehen?

„Komm nur, Kind!", sagte eine der Frauen. Ihre Schwingen schimmerten in Weiß und Gold. Sie hatte goldenes Haar und trug ein Kleid aus Licht. Wie alt mochte sie sein? Zwanzig?

Waren das Harpyien?

„Ich glaube, sie ist noch verwirrt!" Die andere Frau lachte amüsiert und schüttelte ihre grauen Schwingen. Auch ihre Haare waren grau, obwohl sie nicht alt war. Vielleicht etwas über dreißig?

„Mehr als nur verwirrt!", antwortete Julia und kam zu ihnen. „Wer sind Sie? Und wo bin ich?"

„Du hast eine kleine Reise gemacht. Ich wusste, du würdest zu uns kommen." Die Frau mit den weiß-goldenen Schwingen legte einen ihrer Flügel um Julia. Sie fühlte sich in ihrer Nähe seltsam geborgen und die Federn erschienen ihr weicher als die der Drachen. Es störte sie nicht, dass diese Fremde sie umarmte.

Hexe - Die KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt