96 | big realization

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JULIA

Es war der Abreisetag meiner Schwester.

Mom, Finn, Grace und ich machten uns auf den Weg zum Haus der Sullivans.

Alleine diese Straße war besonders. Erinnerungen verbargen sich hinter jedem gestutzten Busch, jeder gezüchteten Blume, jedem entstandenen Schlagloch und jedem geschmückten Briefkasten.

Für einen kurzen Moment fuhren meine Augen über das Haus neben dem der Sullivans. Unser altes Haus. Es wurde ein Jahr nach unserem Auszug schon neu renoviert. Die weiße Fassade war früher rot und die Dachziegel schwarz. Alles war anders, bis auf die Mohnblümchen im Vorgarten. Die hatten die neuen Bewohner beibehalten. Ich erinnerte mich, als Mom, Tonys Mutter Ethel und ich sie anpflanzten ...

Die Sullivans standen bereits in ihrem Vordergarten. Tony wurde mit Küsschen und festen Umarmungen überhäuft. »Ich werde dich so vermissen. Du bist mein Baby und wirst es für immer sein.«

»Ich kriege keine Luft mehr, Mom!«, nuschelte Tony eingeengt.

Zaghaft ließ sie ihn los. »Tut mir leid, Süßer.« Sie lächelte und streichelte ein letztes Mal seine Wange.

Sobald sie Grace entdeckte, schubste sie förmlich ihren Sohn beiseite und flitzte mit offenen Armen auf meine Schwester zu. »Gracie, Liebes! Pass auf meine Jungs auf, okay?«

»Sie sind weiterhin gut bei mir aufgehoben.« Grace war ein Stück größer als sie, weshalb sie problemlos über ihre Schulter zu Tony schauen konnte. Sie zwinkerte ihm zu.

Tony verdrehte lächelnd seine Augen und verabschiedete sich von seinem Dad.

Mehr Umarmungen und mehr Verabschiedungen wurden zwischen allen ausgetauscht. Jeder mit jedem. Nur Jonah stand am Rand des Geschehens und sah uns skeptisch von der Seite zu, ohne seinen Kopf in unsere Richtung zu drehen. Er wirkte genervt.

Das bestellte Uber, welches die drei zum Flughafen fahren würde, hielt am Straßenrand. Jonah begann sogleich das Gepäck von sich, Tony und Grace im Kofferraum zu verstauen.

Es verblieb nur noch Grace' und meine Verabschiedung.

»Also ...«, fing sie zögerlich an. »Denkst du, du wirst es ohne mich überleben?«

Langsam überkam mich die Traurigkeit, weil mir von Sekunde zu Sekunde bewusster wurde, dass das hier ein Abschied war. Und keiner von uns wusste, ob wir uns noch einmal sehen würden, bevor ich zu ihr an die NYU gehe.

Die erste Träne kullerte über meine Wange. »Wahrscheinlich nicht.«

Ihr rutschte ein Lacher von der Zunge. »Nicht die Antwort, mit der ich gerechnet habe, aber na ja ... Du wirst das schaffen. Bleib stark, Ana. Ich werde versuchen – die Betonung liegt auf versuchen – mich öfters bei dir zu melden, ja?«

Ich nickte.

Sie umfasste beide meine Wangen. »Ich liebe dich über alles und kann es kaum noch abwarten bald mit dir gemeinsam in New York zu leben. Das wird der Hammer.«

»Es dauert trotzdem noch ein halbes Jahr ...«

»Mag schon sein, aber dadurch wird das hier kein Abschied sein. Sieh es eher als ein ... Bis später!«

Fears Between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt