02 | loving family

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JULIA

Zu Hause angekommen, öffnete ich die Tür meines Apartments, legte mein Zeug ab und bewegte mich schnurstracks in die Küche, um mir einen Kaffee zuzubereiten.

Nachdem ich mir aus der Kanne etwas heiße Brühe in eine Tasse schüttete, begab ich mich in mein Zimmer zu meinem wackeligen Schreibtisch, der jeder Zeit drohte, einzustürzen. Ich stellte den Kaffee ab und klappte meinen Laptop auf, um meine ersten Hausaufgaben für dieses Schuljahr zu bearbeiten.

Als ich gerade in die Suchleiste Genetik eingegeben hatte, wurde ich von einem Klingeln aufgeschreckt. Unten rechts in der Ecke erschien ein kleines Fenster aus Skype. Sofort schlich sich ein Grinsen auf meine Lippen und ich klickte auf den grünen Hörer.

»Grace!«, kreischte ich fast, als der Bildschirm komplett von ihr eingenommen war.

»Hey, Ana!«, begrüßte mich meine Schwester ebenso freudig. Obwohl mein Name Juliana war, nannte mich die Mehrheit Julia, doch seitdem ich denken konnte, sagte meine Schwester zu mir Ana. Sie fand es einzigartiger, wenn nur sie mich so nennen würde, genauso wie Sean und Tamara mich die meiste Zeit über Jules nannten.

»Es ist so schön von dir zu hören.«

Grace studierte nun das zweite Jahr auf der NYU. Und schon seit Anfang ihres Studiums, bekamen wir sie alle immer seltener zu Gesicht. Sie fühlte sich seitdem Dad weg war, für uns alle verantwortlich. Selbst für Mom. Dass sie dann Meilen weit von uns weg studieren würde, fand sie schrecklich, allerdings war das die einzige Möglichkeit für ein bereichertes Leben. (Moms Worte, nicht meine).

»Ich habe mich zusammengerissen und endlich etwas Zeit beschafft. Wie geht es meiner Lieblingsschwester?« Ihre Straßenköter-blonden Haare waren zu einem unordentlichen knoten gebunden. Einzelne Strähne hingen raus.

»Ich bin deine einzige Schwester«, rief ich ihr ins Gedächtnis.

Sie schnalzte mit der Zunge. »Trotzdem meine Lieblingsschwester.«

»Mein erster Tag war ganz okay, und wie war es bei dir?«

»Ebenfalls okay. Meine Professoren sind echt theatralisch.«

»In wie fern?«

»Ugh, sie nehmen ihren Job einfach viel zu ernst. Das erste was sie sagen, sobald sie in den Hörsaal eintreten ist: Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Tut mir echt leid für dich.«

»Halb so schlimm. Jetzt erzähl lieber mal, warum dein Tag nur Okay war.« Mit Anführungszeichen wechselte sie das Thema.

»Meine Chemielehrerin bemängelte meine Erläuterung über die verschiedenen Aggregatzustände, weil ich zu viel erklärte.« Ich deutete ebenfalls Anführungszeichen. »Angeblich sollte ich ja nur die Grundkenntnisse wiederholen.«

»Ach Ana, mach dir nicht immer so viel Kopf über kleine unnötige Dinge.« Mit verschränkten Armen vor der Brust, ließ sie sich an die Rückenlehne ihres Schreibtischstuhls fallen.

Ich wagte einen Blick in ihr Zimmer. Die Berge an getragenen Klamotten häuften sich. Überall auf dem Boden lagen Papiere und Ordner. Ich wusste, wie viel Grace immer zu tun hatte, aber dadurch, dass sie selbst immer so tat, als hätte sie alles unter Kontrolle, verlor man schnell den Durchblick darauf.

Fears Between UsWhere stories live. Discover now