33 | first call

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NAVEEN
january 2019, age 21

»Naveen, nicht!«, schrie eine weibliche Stimme. »Naveen! Naveen!« Immer und immer rief sie meinen Namen.

Dann wackelte plötzlich alles. Wie während eines Erdbebens. Doch nur ich allein bewegte mich heftig.

»Naveen!« Die weibliche Stimme wandelte sich in eine männliche. »Naveen!« Schon wieder.

Schweißgebadet wachte ich auf.

Rasch setzte ich mich auf und atmete abgehakt.

»Naveen!«, brüllte nun Zach und ließ mich vermuten, dass er mich die ganze Zeit über rief. Er hatte wohl versucht mich zu wecken, indem er meinen Körper rüttelte. »Alles okay?« Die Sorge in seinen Augen durchbohrte mich.

»Ja.« Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich Hyperventilieren würde.

»Laber keine Scheiße, Mann!« Er packte mein Kinn und schob es hin und her, als hätte er nach etwas gesucht. »Bist du verletzt?« Auch meine Arme kontrollierte er.

Ich zog meinen Arm aus seinem Griff und fuhr mir durchs nasse Haar. »Nein, warum fragst du?« Allmählich beruhigte sich mein Puls.

»Das letzte Mal hast du dich gekratzt und Ausschlag gekriegt. Naveen...«, seufzte er und rückte auf meinem Bett ein Stück nach hinten. Frustriert stemmte er seinen Kopf in seine Hände. »So kann kann das nicht weiter gehen.«

Seine traurigen Augen veranlassten mich zum schwer schlucken.

Weil ich nichts erwiderte, schüttelte er den Kopf. »Nav, ich kann nicht jede Nacht von deinen Schreien geweckt werden und dann Angst haben, dass dir irgendwas passiert ist. Ich respektiere es wirklich, dass du von den Pillen weggekommen bist, aber du brauchst jetzt ein neues Gegenmittel.«

Wütend blähten sich meine Nasenlöcher auf. »Ich brauche kein Gegenmittel.« Ich stand von meinem Bett auf und entfernte mich von ihm. Mit anderen Worten: Ich flüchtete.

Draußen ging schon längst die Sonne auf.

»Hey, hau jetzt nicht ab!«, rief Zach. Er lief mir hinter her und zwang mich an meiner Schulter, ihn wieder anzusehen. »Ich weiß, du bist verfickt gut im Abhauen, wirklich der aller beste, aber jetzt nicht! Nicht vor mir. Ich versuche dir zu helfen!«

»Ich brauche keine Hilfe, Zach! Es geht mir blendend! Das war bloß ein scheiß Alptraum, na und?« Das gesprochene und die aufgebrachte Tonlage harmonierten gar nicht gut.

Ja, ich hatte seit Jahren gewisse ... ungewöhnliche Träume. Aber nein, es war nicht so schlimm, dass ich Hilfe brauchte... Ich konnte das alleine hinkriegen. Jeder hatte mal einen schlechten Traum.

Fassungslos schnaubte er. »Naveen, die Nachbarn haben mich schon wegen deinen Schreien gefragt, ob ich der nächste verfickte Jeffrey Dahmer bin! Es ist seit einer Weile sogar schlimmer als sonst! Was hat es getriggert?«

Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen schauen. »I-Ich weiß nicht.« Jedoch hatte ich schon eine Vermutung seit Silvester...

Wir standen mitten in meinem Zimmer und ich schämte mich fast dafür. Zach versuchte mir bloß ein guter, fürsorglicher Freund zu sein, aber mein Dickschädel konnte es nicht zulassen. Die Wunden waren einfach noch zu tief und frisch, sodass nicht mal er mir helfen konnte.

Zach fuhr sich aufgebracht mit den Händen durch's Gesicht. Daraufhin atmete er einmal tief durch. »Ruf sie an.«

Verwirrt runzelte ich meine Stirn. »Wen soll ich anrufen?«

»Du weißt wer!«, brüllte er.

Ich dachte nach ... verarbeitete seine Worte... Und merkte anschließend von wem er sprach. Bitter lachte ich. »Niemals.«

Fears Between UsWhere stories live. Discover now