»epilogue«

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NAVEEN
Juni 2020, fünf Monate später

Ich rutschte unwohl auf dem Polster hin und her. Selbst nach all den Monaten war es immer noch etwas fremd, hier zu sitzen und dem Mann mir gegenüber alle Fragen ehrlich zu beantworten.

Dr. Patel blätterte erst durch sein Klemmbrett, bevor er mir wieder in die Augen sah. »Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Urne begraben wurde?«

Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Galle. »Ähm ... wollen Sie das wirklich wissen?«

»Durchaus, Naveen. Dafür bin ich hier«, antwortete er in seiner ruhigen, fast schon distanzierten Tonlage. Um ehrlich zu sein klang sie sogar etwas gelangweilt, aber daran hatte ich mich längst gewöhnt.

»Sie werden mich für krank halten.«

»Ich verspreche Ihnen, dass ich das nicht werde. Erzählen Sie es mir, Naveen.«

Ich fuhr mir durch die Haare, während ich heftig seufzte. »Ich ... ich dachte mir ... zum Glück.«

Er schrieb etwas auf sein Klemmbrett. »Wieso dachten Sie das? Wie haben Sie sich zu dem Zeitpunkt gefühlt?«

»Ich ... Na ja, zum ersten Mal in meinem Leben, fühlte ich mich ... frei

»Frei ...« Er nickte mehrmals. »Wieso frei?«

»Weil mein Vater kein guter Mensch war. Die Welt und insbesondere meine Schwester und ich, sind ohne ihn besser dran. So gesehen war sein Tod also eine Art Erlösung.«

Er schrieb mehr auf. »Also meiner Meinung nach klingt das nicht krank. Viel mehr vernünftig. Seit ihr Vater vor ein paar Wochen verstorben ist, wirken sie auf mich nicht mehr so angespannt. Die Last auf ihren Schultern ist wie weggeblasen.«

»Ja, das hat meine Freundin auch gesagt ...«, murmelte ich mit Blick zu meinen schwarzen Boots und rieb meine Hände.

»Ihre Freundin – Julia – scheint eine kluge Dame zu sein. Sie ist der Grund, warum ich Sie an meinen Kollegen in New York abgeben muss, nicht wahr?«

Grundlos erschien ein dämliches Grinsen auf meinem Gesicht. »Ja.«

»So-so. Ich hoffe, dass Sie in New York glücklich werden, Naveen. Sie mögen es mir nicht glauben, aber ich werde unsere fehlenden Gespräche sehr bedauern.«

Ich nickte. »Ja ... Gleichfalls. Sie waren eine große Hilfe in den letzten Monaten. Es wird schwer sein, wieder jemand neuem alles anzuvertrauen«, gestand ich.

»Durchaus, Naveen. Aber glauben Sie mir, Dr. Reinhold weiß, was er tut. Ich werde Ihnen für den Notfall meine Büronummer mitgeben. Falls es irgendwelche Probleme oder Uneinigkeiten gibt, bin ich da um Ihnen zu helfen.«

»Danke, Doc. Fuck, irgendwie ist das ein deprimierendes Thema. Ich hätte nicht gedacht, dass unsere letzte gemeinsame Stunde so enden wird.«

»Gewiss, Naveen. Doch unsere Zeit ist leider vorbei. Sie waren ein angenehmer Patient. Ihre Geschichte hat mich bewegt. Ja, durchaus bewegt.« Er nahm sein Brillengestell von der Nase und säuberte die Gläser an seinem Hemd. »Selbst wenn sich unsere Wege trennen, erwarte ich nächste Woche einen Anruf, um zu wissen wie sich der Tod ihres Vaters weiterhin auf sie übertrug. Erzählen Sie mir jedes Detail.« Er setzte die Brille wieder auf. »Außerdem würde ich gerne wissen, wie Sie sich in der Stadt eingelebt haben.«

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