Prolog

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》3 Monate zuvor《

Meine Mutter hatte freundlich gelächelt, als ich zu ihr ins Auto gestiegen war. "Hi Mom.", begrüßte ich sie und schnallte mich an. Es war ein Freitag gewesen, das heißt, wir würden zu meinem Vater nach Zürich fahren, wo wir das Wochenende verbringen wollten. Wie jeden Freitag hatte sie mich direkt von der Schule geholt, sodass wir immer gleich los konnten. So auch an diesem Tag.
Die Autofahrten mit ihr hatten immer unheimlich viel Spaß gemacht. Wir sangen die Songs im Radio mit, lästerten über die Leute in anderen Autos oder tratschten über sämtlichen neuen Shit aus der ganzen Welt.
Auf der Autobahn war nicht viel Verkehr, sodass meine Mutter wirklich Gas geben konnte. Es war eines der schönsten Gefühle, wenn man in unserem Audi R8 saß und die Bäume, Wiesen, Felder und anderen Fahrzeuge vorbei rasen sah. Ich fühlte mich zu diesen Zeitpunkten immer so frei.
Doch an diesem Tag sollte alles anders kommen. Niemand hätte damit rechnen können, dass meine Mutter plötzlich die Kontrolle über unser Auto verliert. Wirklich niemand. Ich bemerkte nur noch, wie wir plötzlich quer über die Fahrbahn schossen, direkt auf die Leitplanke zu. Danach hatte ich nur noch lautes Hupen und einen Knall wahrgenommen. Daraufhin wurde alles schwarz.

Ich erinnere mich, dass ich in einem sterilen, weißen Bett im Krankenhaus erwachte. Mein Blick war verschwommen, doch nahm ich die vielen Apparaturen um mich herum sehr wohl wahr. Alles piepste und zischte, das Licht war zu hell, es blendete in meinen Augen. Als ich mich letztendlich daran gewöhnt hatte, scharf sehen konnte, bemerkte ich, dass ich völlig unbeweglich da lag.
Vorsichtig versuchte ich meine Finger zu bewegen. Es klappte! Mein Kopf schmerzte, alles an meinem Körper tat weh. Um mehr sehen zu können, versuchte ich meinen Kopf ein wenig zu heben, scheiterte allerdings kläglich, da sofort ein stechender Schmerz meinen gesamten Rücken hinunter lief. "Scheiße.", fluchte ich laut, woraufhin sofort die Tür aufgerissen wurde. Ein Arzt in weißem Kittel stürmte hinein. Ein klemmbrett in der Hand folgte ihm eine Krankenschwester und machte sich bereits eifrig Notizen, ehe überhaupt etwas gesagt wurde. "Wie schön, Miss Schmuhl, dass sie endlich wach sind.", meinte der Doktor freundlich und lächelte mich mitleidig an. "Wo ist meine Mutter?", krächzte ich, als mir klar wurde, warum ich hier lag, mit solchen Schmerzen. "Es tut mir Leid...", begann er, doch wusste ich schon bevor er ausgeredet hatte, was passiert war. Ich hörte dem Arzt gar nicht mehr zu, nahm nichts mehr wahr, starrte nur noch die Wand an, welche ich von meiner Liegeposition aus betrachten konnte. "Nein, nein, nein.", flüsterte ich leise, Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, Verzweiflung kam in mir auf.
Sie ist tot. Die Person, die immer für mich da war, ist tot. Tot. Tot. Tot. Nie wieder wird sie mich von der Schule holen, mit mir lästern, geschweige denn Singen. Die Trauer drohte mich zu überwältigen, ich wollte schreien, rennen, weinen, doch nichts davon tat ich. Nicht ein einziges Mal.

Während der Beerdigung stand ich am Rande der Gruppe, sah nach einander in jedes Gesicht, versuchte irgendwo echte Trauer wahrzunehmen, fand jedoch nur geheucheltes Mitgefühl von Menschen, die sich sowieso nie für meine Mutter interessiert hatten.
"Nun bitte ich ihre geliebte Tochter, Viviana, vorzutreten und ein paar Worte zu sagen.", meinte der Pastor mit seiner sanften Stimme, woraufhin ich vor trat.
"Meine Mutter, Adriana Schmuhl, war einer der schönsten Menschen dieses Planeten. Ohne sie wäre ich heute nicht hier, so wie ich bin. Natürlich ist sie meine Mutter, natürlich liebe ich sie über den Tod hinaus, doch leider kann ich sie nicht mehr sehen.", ab diesem Moment ignorierte ich einfach die, von meiner Tante geschriebene, auswendig gelernte Rede und sprach meine Gefühle aus, "Ich vermisse sie, diese Frau, die mir alles beibrachte, was ich heute weiß. Immer wenn es mir schlecht ging, war sie bei mir, egal wie sie sich fühlte. Sie unterstützte mich in jeder Lebenslage, brachte für alle Situationen in die ich geriet, Verständnis auf. Mehr als einmal zog sie mich aus dem Dreck, half mir wieder auf die Beine. Ohne sie wirkt alles leer und karg, doch niemand von euch versteht das wirklich. Niemand weiß, wie es sich anfühlt, den wichtigsten Menschen zu verlieren. Den Menschen, dem man am meisten vertraute, meiner Mama, die mir einmal versprach, mich nie im Stich zu lassen. Ich glaube und hoffe, dass sie immernoch unter uns weilt, mir zusieht und irgendwann stolz auf mich sein kann. Mama, falls du das hier vielleicht hörst: Ich liebe dich und ich vermisse dich. Ewig."
Ich endete und verließ die Feier.
Manch einer möchte sagen, dass das unhöflich sei, doch wollte ich mir nicht die Schwäche geben und vor versammelter Mannschaft weinen. Es kam mir so falsch vor. Sie alle sind falsch. Falsche Schlangen.
Etwas weiter, zwischen ein paar Gräbern brach ich zusammen, fing an zu weinen, die Tränen flossen nur so aus mir heraus. Alles aufgestaute der letzten Wochen im Krankenhaus trat hervor.
Mein gebrochener Arm schmerzte, meine Krücken lagen verstreut, mein zertrümmertes Fußgelenk streikte, wegen der Belastung. Die Schmerzen, die Trauer und die Verzweiflung drohten mich zu ersticken. Ich hatte niemanden mehr. Ich fühlte mich allein. Allein.

Drugs ● Ardy (Reupload) Where stories live. Discover now