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»Ich weiß schon, warum du mein Vorbild bist«, meint Samuel und klopft mir auf die Schulter.

Innerlich verdrehe ich die Augen, während ich Emma von der Seite beobachte. Sie sieht immer noch geschockt aus. Wieso musste ihr Ben das auch erzählen?

Der scheint wohl zu merken, dass er Bockmist gebaut hat, wie mir sein gesenkter Blick verrät. Er meinte es bestimmt nicht böse, aber davon kann ich mir jetzt auch nix kaufen.

Meinen Teller schiebe ich endgültig zur Seite und greife zum Wasserglas. Ich brauche dringend etwas, um meinen trockenen Hals zu befeuchten. In der Hoffnung, dass dadurch auch das komische Gefühl im Bauch verschwindet, trinke ich einen großen Schluck und weiche dabei vor allem Daniel aus, der mich schon wieder die ganze Zeit observiert. Überhaupt ist die Stimmung komisch, was auch Emma nicht zu entgehen scheint.

»Ähm ... ja. Ich sollte jetzt wirklich mal so langsam gehen.« Sie erhebt ihren Hintern ein Stück, packt den Stuhl und setzt ihn zurück.

Sag was, Mann, meldet sich die Stimme in meinem Kopf zurück, als sie anfängt, die Teller einzusammeln.

Ich strecke die Hand aus, ziehe sie aber sofort wieder zurück, weil Emma zusammenzuckt und beinahe das Porzellan fallen lässt. »Lass.« Meine Stimme klingt eigenartig, weshalb ich mich räuspere. »Ich mach das.«

Stur wie sie ist, schüttelt sie mit dem Kopf. »Ach was. Das geht doch schnell«, widerspricht sie, schnappt sich erneut den Stapel Geschirr und geht in die Küche.

Während die anderen vielsagende Blicke austauschen, folge ich ihr. Mit ausreichendem Abstand öffne ich die Spülmaschine und packe die Teller hinein. Mein Essen landet vorher im Mülleimer. Michael kocht hervorragend. Da stimme ich den anderen zu, aber dieses scharfe Zeug ist keine gute Idee. Zumal mein Magen nach wie vor grummelt. So gern ich Emma auch um mich habe, es wird wirklich Zeit, dass sie hier wegkommt.

Da scheinen wir einer Meinung zu sein. Im Eiltempo füttert sie die Spülmaschine und verabschiedet sich anschließend. Von Steve ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Zum Glück! Der würde mir jetzt noch fehlen.

»Ich bring dich noch zum Auto«, sage ich leise, doch meine tollen Kollegen haben Ohren wie Rhabarberblätter und tuscheln mal wieder, was das Zeug hält, als Emma und ich den Raum verlassen.

»Seit wann macht der einen auf Gentleman?«, höre ich Brian fragen und hoffe, dass sie es nicht gehört hat.

Schweigend gehen wir zu dem schwarzen Mercedes auf dem Parkplatz neben der Wache.

Während ich mich frage, wie viele Luxuskarren dieses Arschloch eigentlich noch besitzt, kramt Emma in ihrer überdimensionalen Handtasche nach dem Schlüssel, den sie vor lauter Nervosität auch noch fallen lässt.

Sofort gehe ich in die Hocke, wobei sie den gleichen Gedanken hat.

»Danke«, flüstert sie fast und sieht vom Kiesboden zu mir auf. Zögernd streckt sie ihre Hand aus, bemüht sich aber darum, mich nicht zu berühren. »Ich ... sollte jetzt wirklich los. Ihr habt ja bestimmt auch noch zu tun.«

»Klar.« Ob sie sich wegen der Sache mit Steve so komisch verhält?

Blitzmerker! Was würdest du denn nach der Nummer denken?

Emma kommt aus der Hocke wieder hoch und ich tue es ihr gleich.

Eine Weile stehen wir uns gegenüber und wissen beide nicht, was wir sagen sollen. Während ich die Hände in den Hosentaschen vergrabe, krallt sie sich an dem Riemen ihrer Tasche fest. Im Hintergrund höre ich die vorbeifahrenden Autos. Wie so oft zur Rushhour bleibt auch das Hupkonzert nicht aus.

Where Doubts should be silentDonde viven las historias. Descúbrelo ahora