13 | T O M

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»Keine Widerrede! Ich habe extra mehr gemacht.«

Seufzend sehe ich dabei zu, wie eine Kelle nach der anderen von Misses Rodriguez Manchamanteles de Cerdo in die Plastikbox wandert. Samuel wird sich freuen. Sagen, dass ich das selbst nicht essen werde, könnte ich ihr nie. Ich will sie nicht kränken. Das hat die kleine alte Dame, die sich aufopferungsvoll um ihren Mann kümmert, nachdem er einen Schlaganfall hatte, einfach nicht verdient. Jeden Tag fährt sie mit ihm im Rollstuhl spazieren, obwohl der Zahn der Zeit auch an ihr langsam nagt. Außerdem muss sie nicht wissen, dass ich dieses scharfe Zeug nach wie vor nicht vertrage.

»Ich weiß doch, wie das ist«, sagt sie mit ihrem spanischen Akzent. »Ihr jungen Leute seid immer zu beschäftigt, um euch etwas Anständiges zu kochen. Aber Menschen, die viel leisten, müssen eben auch genügend essen.« Mit einem Augenzwinkern drückt sie mir die bis zum Rand gefüllte Box in die Hand.

Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Danke. Sie sind wirklich zu gut zu mir.« Es ist nicht so, dass ich nicht die Zeit oder die Lust hätte zu kochen. Aber seitdem ich wieder alleine lebe, lohnt es sich einfach nicht, sich stundenlang in die Küche zu stellen.

Bevor sie noch auf die Idee kommt, ihren Kühlschrank leerzuräumen, mache ich lieber, dass ich wegkomme. Sie hat sowieso nicht viel Geld. Da soll sie es nicht auch noch für mich ausgeben, nur weil ich ihren Müllschlucker repariert habe oder ab und an bei meiner Nachbarin den Rasen mähe.

Draußen empfängt mich ein Schwall heißer Luft. Kinder lachen und toben auf der Straße. Gerade in dieser Gegend leben viele Familien. Parks bieten genügend Grünfläche und kleine Geschäfte decken den täglichen Bedarf. Trotzdem ist Sun Valley nicht gerade einer der beliebtesten Stadtteile. Etwas, das weniger an dem großen Anteil der Latinos liegt, sondern mehr daran, dass die Köpfe von Menschen oftmals voll von Vorurteilen sind. Die Mittagssonne brennt sich in meine verschwitzte Haut, sodass ich schnell zur gegenüberliegenden Straßenseite laufe und froh bin, mein Haus betreten zu können.

Bereits im Flur überkommt mich eine Gänsehaut. Leider liegt es nicht daran, dass die Klimaanlage auf Hochtouren läuft. Ohne zur Wand am Treppenabsatz zu blicken, gehe ich in die Küche. Gähnend stelle ich die Plastikbox in den Kühlschrank und trinke auf diesem Wege gleich einen Schluck Wasser. Mein Blick wandert zur Couch. Vielleicht sollte ich doch ein Nickerchen machen. Zwar habe ich nach jedem Vierundzwanzig-Stunden-Dienst immer zwei Tage frei, aber nach dem letzten Einsatz bin ich kaputt. Wir haben ziemlich lange gebraucht, bis wir alle Arbeiter aus der Lagerhalle befreien konnten, da das Gebäude einem Labyrinth glich. Erst danach konnte Nelson mit seinem Löschtrupp den Außenangriff starten, ohne die Menschen da drin bei lebendigem Leib zu kochen wie Hummer in der Suppe.

Leider bekomme ich wie so oft kein Auge zu. Stattdessen liege ich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf der Eckcouch und starre an die Decke.

Nach drei weiteren erfolglosen Versuchen gebe ich es endgültig auf. Auch wenn ich den Schlaf dringend bräuchte, stehe ich wieder auf, um in die Küche zu gehen. Jetzt hilft wohl nur noch Kaffee.

Als ich mit der Tasse in der Hand die Veranda betrete, knallt die Sonne erneut erbarmungslos auf mich herab. Genauso wie nachts setze ich mich auf die oberste Stufe und schlürfe meinen Kaffee. Die hauptsächlich weißen Blumen hinter dem Haus strecken sich dem Licht entgegen. Ich muss gestehen, dass Gartenarbeit nach wie vor nicht meins ist. Dennoch versuche ich alles in Schuss zu halten, ohne etwas zu verändern. Darauf wartend, dass die Wirkung des Koffeins endlich einsetzt, fällt mein Blick auf etwas, das in mir Erinnerungen hervorruft, die ich eigentlich nur noch vergessen will.

»Wie stellst du dir dein Leben eigentlich in zehn Jahren vor?«

»Gar nicht. Ich lass es einfach auf mich zukommen.« Ich zucke mit den Schultern und grinse. Wieso sollte man auch bitte die Zukunft planen, wenn die Gegenwart schon mehr als perfekt ist?

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now