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Schwer atmend lehne ich mich gegen die geschlossene Tür. Die Fahrt war die Hölle. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe nach Hause zu kommen, aber ich bin froh, dass ich niemanden verletzt habe.

Dass dieser Tag beschissen wird, war mir klar. Nicht umsonst nehme ich mir jedes Jahr in der Woche um den dritten November Urlaub, obwohl mir das, was ich tue, endlich wieder einen Sinn gegeben hat weiterzumachen. Aber an diesen Tagen bin ich einfach nicht in der Lage dazu, meine Arbeit gewissenhaft auszuführen. Eric weiß das. Vor zwei Jahren waren wir knapp besetzt. Da brauchte es einen plausiblen Grund, um seine Zustimmung zu bekommen. Seitdem weiß er auch, dass dieser Job mein Leben ist und hat deshalb mehr als nur ein Auge zugedrückt, wenn ich mich mal wieder wissentlich in Gefahr gebracht habe.

Daniel weiß es schon länger. Leider hat er mich zufällig gesehen, als er das Grab seiner Großeltern besucht hat. Obwohl ich nicht viel gesagt habe, konnte er eins und eins zusammenzählen. Er ist eben nicht blöd. Noch heute erinnere ich mich an unser Gespräch. Eine Antwort auf seine Frage schulde ich ihm bis heute. Ich weiß es ja selbst nicht mal. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich an die Details nicht erinnern kann. Ich blende es einfach aus. Bis auf dieses eine Mal. Seitdem geht er mir noch mehr auf die Nerven. Behauptet, dass ich mich systematisch kaputt machen würde. Das ganze Blabla eben, das mir langsam aber sicher zu den Ohren rauskommt.

Seufzend streiche ich mir den feuchten Pony zurück und stoße mich von der Tür ab. Ich brauche dringend Kaffee. Die letzte Nacht war kurz. Kürzer als sonst.

Auf dem Weg in die Küche komme ich an dem kleinen Regal vorbei. Ich will nicht zu dem schwarzen Mini Mustang sehen, den sie mir zu Weihnachten geschenkt hat. Doch ehe ich mich versehe spüre ich das weiße Isolierband unter meinen Fingern, das sie extra auf das Modellauto geklebt hat, damit es aussieht wie meins.

Es ist dunkel. Nur die Sterne leuchten uns entgegen, während eine Traube von Menschen an uns vorbeigeht. Sie lachen. Einige von ihnen halten Bierdosen in der Hand, obwohl sie sich gegenseitig stützen müssen.

Sie steht vor mir, das Gewicht auf ihr rechtes Bein verlagert, die Hand in die Hüfte gestemmt. Die andere hält sie mir auffordernd entgegen. »Nun gib ihn mir schon.«

»Ich weiß nicht. Lass uns lieber aufs Taxi warten«, schlage ich vor, doch sie winkt ab.

»Quatsch! Das wird ewig dauern. So sind wir schneller zu Hause und können uns den angenehmeren Dingen widmen.« Wie eine Katze schmiegt sie sich an mich, aber ich zögere.

Ich weiß nicht wieso, aber ich habe ein ungutes Gefühl dabei.

Sie zieht eine Schnute und fährt mit ihren Fingerspitzen lasziv über den Kotflügel. »Oder hast du etwa Angst, dass deinem Baby was passiert, Kleiner?«

»Nein. Ich ...« Ich seufze. Ich will ihr nicht das Gefühl geben, dass ich ihr nicht traue. Trotzdem ist da weiterhin diese Stimme in meinem Kopf, die dafür sorgt, dass sich das silberne Pferd noch tiefer in meine Handfläche bohrt.

Mein gequälter Gesichtsausdruck bringt sie zum Lachen. »Du und dein Auto. Ihr habt wohl auch 'ne ganz besondere Beziehung zueinander.« Ihre Schulter stößt gegen meine Brust, bevor sich ihre Lippen zu einem Schmollmund verziehen. »Also manchmal glaube ich fast, du liebst es mehr als mich!«

»Fuck!«

Wie in Zeitlupe fliegt das Modellauto vom Regal, um mit einem Knall in tausend Einzelteile zu zerschellen. Es klingt wie das furchtbare Geräusch, das mich Nacht für Nacht aus dem Schlaf reißt. Doch ich träume nicht. Das hier ist real. Meine Beine geben unter mir nach. Ich schaffe es gerade noch, mich an der Wand entlang nach unten gleiten zu lassen. Unzählige Einzelteile verteilen sich auf dem Boden. Bruchstücke, die mir knallhart vor Augen führen, wie kaputt ich wirklich bin. Stimmen hallen in meinen Ohren. Verzerrt. So als hätte ich Drogen genommen. Mein Blick verschwimmt. Alles dreht sich ... will mich in diesen Strudel reißen.

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now