27 | E M M A

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Wie stellt man sich diesen einen Tag vor?

Romantisch? Ein bisschen kitschig? Mit Kutsche und einer ganzen Armee von Schimmeln? Einem Festsaal, der dekoriert ist mit Blumen? Unzählige Lichter, die das Ambiente wohlig warm wirken lassen? Nicht zu vergessen, die vielen Menschen, die nur gekommen sind, um mit dem glücklichen Paar diesen perfekten Tag zu feiern.

Doch ist es das, was eine Hochzeit sein muss? Perfekt? Oder ist es ganz egal, wie du diesen Tag gestaltest, solange du ihn mit dem Menschen verbringst, der dich komplett macht? Es klingt tatsächlich kitschig, aber für mich ist es das Wichtigste an diesem Tag. Vielleicht weil mir der Gedanke daran, dass es diesen jemand irgendwo auf der Welt gibt, geholfen hat, alles, was ich bisher erlebt habe, halbwegs zu ertragen.

Doch mit jedem Tag, den diese Hochzeit näher rückt, wird die Frage lauter, ob John wirklich dieser Mensch für mich sein kann. Bis vor Kurzem war ich mir sicher, dass er es sein muss. Allerdings hat sich in den letzten Wochen einiges verändert.

Ich habe mich verändert.

Nicht zuletzt dank Charlotte und dem Vertrauen, welches sie in mich setzt. Ich weiß nach wie vor nicht, wie sie das macht, aber sie hat es tatsächlich geschafft, mir meines ein Stück weit zurückzugeben. Sonst wäre ich wohl kaum in der Lage dazu, mich John öfter entgegenzustellen. Erst gestern hatten wir wieder eine Diskussion, als er meinte, ich würde viel zu viel Zeit mit diesen Kindern verbringen.

Diese Kinder. Es tut weh, wenn er das dermaßen abfällig betont. Zum einen, weil sie einfach wundervoll sind und es nicht verdient haben, so abwertend betrachtet zu werden. Und zum anderen, weil er damit gleichzeitig auch mich ein Stück weit abwertet, beziehungsweise meine Arbeit mit ihnen.

»Und das wäre dann die Braut-Suite. Exklusiv nur für Sie, Miss.«

Die Stimme der jungen Brünetten, die John, Jessica und mich durch Malibu Rocky Oaks – eine der angesagten und zugleich teuersten Hochzeits-Locations rund um Los Angeles – führt, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe mich um. Dieses ältere Gemäuer, das einem Anwesen in der Toscana gleicht, hat zweifelsohne seinen Charme. Alt vermischt sich mit neu. Warme Holzelemente und Rundbögen heben die weißen, klaren Linien der Wände und Vorhänge auf. Es muss einfach toll sein, in diesem großen alten Himmelbett aufzuwachen. Zu spüren, wie die warmen Strahlen der aufgehenden Sonne dich wach kitzeln. Sich darauf zu freuen, sein Leben bald offiziell mit dem Menschen verbringen zu dürfen, den man mehr liebt als sich selbst.

Leider weiß ich gerade nicht, ob es auch mein Traum ist.

»Sehr schön.« John lächelt, wobei das wohl eher Jessica gilt. In den letzten Wochen hat sie keine Gelegenheit ausgelassen, ihm nahe sein zu können. Eine Weinverkostung hier, ein Probeessen da. Wie ein Pfau auf der Balz hat sie jedes Mal mit ihren unechten Wimpern geklimpert, während sie ihm ihre voluminösen Brüste beinahe ins Gesicht gedrückt hat. Natürlich war John nicht abgeneigt. Welcher Mann wäre das auch bitte?

Erschreckender ist für mich ohnehin die Tatsache, dass es mir zunehmend egal ist. Was stimmt denn nicht mit mir? Ich müsste doch vor Eifersucht platzen. Ihr die Augen auskratzen. Irgendwas.

Oder ist es vielleicht das schlechte Gewissen? Immerhin weiß John nichts von Tom. Wie sich das anhört! Als hätten wir eine Affäre. Dabei sind wir nur Freunde. Wenn überhaupt. Seit unserem letzten Treffen verhält er sich merkwürdig.

›Schicker Ring‹, war alles, was er gesagt hat. Leider haben seine Worte weder zu seinem abwertenden Tonfall gepasst noch zu den verzogenen Lippen. Vollkommen irritiert war ich dann, als er es wenig später ziemlich eilig hatte. Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich. Er hat sich bisher immer Zeit genommen, wenn wir uns im Park getroffen haben.

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now