30 | T O M

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»Du willst mich also tatsächlich dafür bestrafen, dass ich dir das Leben gerettet habe?«

Seitdem Greg mich in seine Scheißkarre befördert hat, nervt er mich. Ging es mir nicht so dreckig, würde ich ihm den Hals rumdrehen. Ich hätte die Cola nicht exen sollen, aber um den Geschmack nach faulen Eiern aus dem Mund zu kriegen, war mir alles recht. »Hab dich nicht drum gebeten.«

Gregs leises Stöhnen ignoriere ich genauso wie das ekelhafte Ziehen und richte meinen Blick weiterhin aus dem Seitenfenster.

»Du musst versuchen, dich zu entspannen. Sonst endet das wie eben.«

Er soll sich lieber auf die Straße konzentrieren, anstatt mich vollzuquatschen. Vielleicht sollte ich einfach kotzen. Hat in den letzten Monaten ja auch geholfen. Aber dann geht der Klugscheißer neben mir erst recht auf den Sack.

»Hier. Trink einen Schluck Tee. Das hilft.« Er hält mir einen Thermosbecher hin, doch ich drehe mich nur angewidert weg. Seine Scheißratschläge kann er sich sonst wo hinstecken! Wieso musste er mir das antun? Und vor allem, wieso habe ich nicht daran gedacht, ihm den Zweitschlüssel abzunehmen? Ich bin so dämlich!

Seufzend stellt er den Becher zurück in die Halterung. »Es tut mir leid, okay?! Aber der Kram musste nun mal so schnell wie möglich raus. Und da du offenbar resistent gegen das Brechsirup warst, musste ich irgendwie ... nachhelfen.«

Ich traue meinen Ohren kaum. Aus einem Reflex heraus drehe ich mich doch zu ihm um.

Er hat die Kiefer zusammengepresst und die Hände ums Lenkrad geklammert. »Das alles wäre nicht passiert, wenn du diese verdammten Dinger nicht geschluckt hättest. Was hast du dir dabei gedacht?«

»Kümmere dich einfach um deinen eigenen Kram, okay?!«, gebe ich zähneknirschend zurück.

»Verdammt, Tom! Hast du dich mal angesehen? Du kannst so nicht weitermachen!«

Wer sagt denn, dass ich das überhaupt will? Ich habe die Tabletten ja nicht umsonst genommen. Ich wollte sterben. Wieso konnte er das nicht einfach akzeptieren?

Als hätte er meine Gedanken gelesen, schlägt er plötzlich mit voller Wucht gegen das Lenkrad. »Denk nicht mal daran, hörst du?!«, brüllt er. »Glaub mir, ICH werde nicht mehr tatenlos mit ansehen, wie du dich weiter zerstörst!«

Ich schweige, obwohl die Wut in mir hochkocht. Er hat keine Ahnung, wie es ist, langsam von innen aufgefressen zu werden.

»Ich kann ja verstehen, dass du ...«

»Einen Scheißdreck, verstehst du! Du weißt doch gar nicht, wie es ist jeden Morgen aufzuwachen und darauf zu hoffen, dass dieser verdammte Albtraum endlich vorbei ist!«, schreie nun ich und merke leider erst zu spät, dass das keine gute Idee war. »Halt an ...«

Anstatt endlich zu bremsen, sieht Greg mich nur erschrocken an.

»Sofort!«, presse ich hervor und springe aus dem Wagen, eher er ganz zum Stillstand gekommen ist.

Weit schaffe ich es nicht, bevor es mich überkommt. Einmal, zweimal. Selbst nach dem dritten Mal denkt mein Magen nicht im Traum daran, sich endlich einzukriegen. Er hat öfters rumgezickt in den letzten Monaten, aber gerade kommt es mir vor, als hätte er mir den Krieg erklärt.

»Also, wenn das normal ist, fresse ich einen Besen.«

»Dann tu es doch«, spotte ich zwischen zwei kurzen Atemzügen. Mein Herz rast und ich habe das Gefühl zu ersticken. Trotzdem kann ich nicht aufhören, mir die Seele aus dem Leib zu kotzen.

Where Doubts should be silentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt