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Gedankenverloren krame ich in der Kiste. Die Lichterketten, die sich mit dem Schleifenband verheddert haben, lasse ich erst mal außen vor und kümmere mich darum, die Klebebildchen zu sortieren. Um den Endgegner kümmere ich mich morgen oder so. Heute habe ich da auf jeden Fall keinen Nerv zu. Ich freue mich jetzt schon darauf, dieses Chaos in Ordnung zu bringen. Wie kommt man auch bitte auf die dämliche Idee, alles in eine Kiste zu packen?

Ja. Ich bin sauer. Immer noch. Auch wenn Charlotte am wenigsten dafür kann.

Aber alle Jahre wieder bricht für mich eine Zeit an, die ich am liebsten komplett aus dem Kalender streichen würde. Ich mag die unzähligen kleinen Lichter, die diese Stadt erhellen, als wären sie Sterne. Und ich nasche auch gern von den Plätzchen, die Martha gebacken hat.

Doch ich hasse Weihnachten.

Ich bin der weibliche Grinch. Nur eben nicht so pelzig. Grün geärgert habe ich mich in den letzten Tagen trotzdem. Zuerst habe ich Tom verflucht, dann mich und schließlich diese Zeit, die für mich einfach schwierig ist. Wahrscheinlich ist das ein Grund dafür, dass die Situation zwischen uns so eskaliert ist.

Ich wollte das nicht. Wirklich nicht. Aber spätestens, als er diesen Satz gesagt hat, war es vorbei. Während ich halbherzig gegen das Chaos vor meinen Augen kämpfe, breitet sich das in meinem Kopf zunehmend aus.

»Ich danke DIR.«

Was hat Linda damit gemeint? Und wofür sollte sie mir überhaupt dankbar sein? Wenn ich etwas Weltbewegendes getan hätte, könnte ich es ja noch verstehen. Aber so?

Um mich abzulenken, greife ich doch zu dem Kabelsalat. Leider scheitert der Versuch gnadenlos, sodass das Chaos am Ende noch viel größer ist.

»Mist verdammter«, fluche ich leise und schmeiße den Wulst zurück in den Karton. Manchmal kann ich eben ungeduldig sein. Charlottes Blick, der mich schon seit Tagen regelrecht durchbohrt, ignoriere ich. Genauso wie die Gedanken an Tom, die mich bis in den Schlaf verfolgen.

Dabei ist es besser so. Sie hatte recht. Er ist genauso wie alle Männer. Nur wollte ich das mal wieder nicht sehen. Es gibt eben keine Prinzen auf weißen Pferden, die die Prinzessin aus den Klauen des Bösen befreien. Und dass es dieses: ›Und sie lebten bis ans Ende ihrer Tage‹, in der Realität nicht gibt, sollte mir spätestens seit dem ersten Liebeskummer auch bewusst sein.

Aber nein! Ich konnte ja nicht hören. Das habe ich jetzt davon.

»Pass doch auf!«, schreie ich, als der Porzellanweihnachtsmann mit einem klirrenden Geräusch in seine Einzelteile zerspringt. So wie mein Herz, wenn ich darüber nachdenke, dass ich Tom nie wiedersehen werde. Denn obwohl ich mir schon die ganze Zeit einrede, dass es besser so ist, vermisse ich diesen Idioten.

»Ich ... wollte das nicht.«

Fassungslos blicke ich zu Zoé, die sich nicht mal traut mich anzusehen. Was habe ich nur getan? Da arbeite ich wochenlang daraufhin, dass sie mir vertraut und schmeiße jetzt alles mit meinem dicken Hintern um.

Eine wahre Meisterleistung.

»Das weiß ich doch, Kleines«, erwidere ich leise, obwohl ich am liebsten schreien würde. Ich bin so eine dumme Kuh! Vorsichtig strecke ich meine Hand aus, doch sie weicht zurück. »Ich ... hab mich einfach nur so erschrocken, weißt du?«, rechtfertige ich mich, aber sie hält immer noch Abstand von mir.

»Ich ... mach das wieder gut, versprochen.« Wie ein Häufchen Elend sitzt sie auf dem Boden und sammelt die Scherben auf.

Ich könnte mich ohrfeigen, in den Hintern beißen, am besten alles auf einmal. »Lass nur.« Erneut unternehme ich den Versuch, ihr näher zu kommen, indem ich meine Hand auf ihre lege.

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now