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Ich habe nicht nur ein Brett vorm Kopf, sondern eine ganze Holzhandlung! Seit einer gefühlten Ewigkeit gehe ich im Schlafzimmer auf und ab, in der Hoffnung, dass sich der Boden endlich unter mir auftut.

Doch es passiert wie immer ... nichts!

Erneut fasse ich mir an die Stirn. Gott, ist das peinlich! Wieso kann ich auch nicht einmal meine vorlaute Klappe halten? Wie soll ich Tom denn je wieder unter die Augen treten? Der hält mich doch für komplett bescheuert. Wenn er das nicht vorher schon getan hat.

In meinen Gedanken vertieft, übersehe ich die Bettkante und fluche leise, als sich ein pochender Schmerz in meinem großen Zeh ausbreitet.

Einen Schmerzensschrei unterdrückend hüpfe ich auf einem Bein durch den großen Raum. »Mist verdammter!« Das ist alles nur Lucys schuld! Sie und ihre verfluchte ›alle gutaussehenden, netten Männer sind schwul‹ Theorie! Ich schwöre, wäre sie jetzt hier, würde ich ihr den Hals rumdrehen.

Seufzend lasse ich die Schultern sinken. Denn noch etwas wird mir in diesem Moment klar.

Wenn Tom nicht schwul ist, was verbirgt er dann vor mir?

Es muss einfach einen Haken geben. Niemals würde sich ein Mann wie er mit so einer wie mir abgeben. Er könnte jede haben. Ich verstehe es einfach nicht. Wieder muss ich an die Berührung denken. Jetzt noch stellen sich die feinen Härchen an meinen Unterarmen auf.

Wieso tut er das? Gut. Wir sind Freunde, aber so berührt man doch keinen Freund. Bisher dachte ich ja, dass es das nur in Büchern gibt. Der Coole vom Schulhof verliebt sich in die hässliche dicke Streberin und ...

Ich schüttele mit dem Kopf. Verlieben ... jetzt drehe ich völlig durch. Tom und ich, wir sind Freunde.

Ja sicher! Wie oft willst du dir das noch einreden, in der Hoffnung, dass es tatsächlich so ist?

Bäuchlings lasse ich mich aufs Bett fallen und schreie ins Kissen, als Lucy erneut in meinem Kopf ihr Unwesen treibt. Wieso setzt sie mir ständig solche Flöhe ins Ohr? Da muss Frau ja verrückt werden.

Leider löst das mein Problem nicht. Ein Blick auf meine Armbanduhr lässt mich neue Hoffnung schöpfen. Vielleicht hat es ihm ja zu lange gedauert und er ist längst gegangen. Das wäre die beste Option. Verstehen könnte ich ihn nach meinem Auftritt.

Erwähnte ich bereits, dass ich eine besondere Vorliebe für Fettnäpfchen habe? Sie sind quasi mein Zuhause. Widerwillig erhebe ich mich vom Bett, um kurz darauf mit einem von Johns Shirts in der Hand vor dem großen Spiegel im Ankleidezimmer zu stehen.

»Okay. Tief durchatmen, Emma. Du schaffst das. Chaka!«, motiviere ich mich und begebe mich anschließend nach unten.

Wie zu erwarten, wird mein Wunsch natürlich nicht erfüllt. Toms Blick gibt mir endgültig den Rest. »Ähm ja ... ich hoffe«, stottere ich, ohne ihm in die Augen zu sehen, und reiche ihm das Shirt. »... das ist okay. Etwas anderes habe ich auf die Schnelle leider nicht finden können.«

Sagt sie, nachdem sie fast fünfundzwanzig Minuten verschwunden war.

»Jetzt halt endlich die Klappe«, schimpfe ich leise, was dafür sorgt, dass Tom mich noch seltsamer anguckt.

»Was?«

»Äh ... nicht du! Ich meine ...«

Ich hätte ja nicht gedacht, dass er seine Augenbraue noch weiter anheben kann, aber inzwischen verschwindet sie unter seinen Ponyfransen. Durch den Kunstschnee ist von seiner ordentlichen Frisur nicht mehr viel übrig. Man könnte fast meinen, er käme frisch aus der Dusche. Der Kaffeedusche, wie mir ein kurzer Blick auf den braunen Fleck in seinem hellen T-Shirt beweist.

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now