5 | T O M

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Wenn Blicke töten könnten, wäre ich vermutlich längst unter der Erde. Aber wo ist ihr Problem? Sie hat doch gemeint, direkt die Fronten klären zu müssen. Dabei wollte ich sie nicht gleich heiraten, sondern nur einen blöden Kaffee mit ihr trinken. Ein bisschen quatschen.

Reden. Du? Mit einer Frau? Bist du krank?!

Woher auch immer diese Stimme in meinem Kopf kommt – langsam geht sie mir tierisch auf die Eier!

»Ja, los! Worauf wartest du? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«, motzt sie über ihre Schulter hinweg und ich beschließe, ihr zu folgen.

Das Klackern ihrer Absätze auf dem Asphalt erinnert mich an ein Maschinengewehr, während sie im Eiltempo das nächste Café ansteuert. Ich habe gar nicht damit gerechnet, sie in diesem Park anzutreffen. Doch sie scheint öfter hier zu sein, wie mir ihr verträumter Blick verraten hat. Gut zu wissen.

Gut zu wissen? Bist du bescheuert? Ablenkung war der Plan. Stattdessen dackelst du ihr hinterher wie ein Schoßhündchen!

Ja. Das wollte ich. Aber als ich sie gesehen habe, musste ich sie einfach ansprechen. Irgendwas fasziniert mich an dieser Frau. Vielleicht liegt es an dem komischen Gefühl, das sie in mir ausgelöst hat, als sie mir um den Hals gefallen ist. Etwas, das ich nach all den Jahren vergessen hatte.

Oder ist es dieses Strahlen in ihren Augen, das mir so vertraut vorkommt? Verrückt, wenn man bedenkt, dass ich gerade mal weiß, wie sie heißt.

Ganz gefährliches Pflaster, mein Freund, warnt mich diese Stimme prompt und das nicht ohne Grund.

Innerlich seufze ich. Sie hat recht. Ich darf das nicht zulassen. Ich sollte mich nicht von irgendwelchen Emotionen leiten lassen, die mich geradewegs dahin zurückkatapultieren, wo ich nie wieder hin will. Und schon gar nicht bei ihr. Schließlich gibt es an die tausend Gründe, warum ich mich von dieser Frau fernhalten sollte.

Trotzdem zeige ich mich von meiner besten Seite und greife zur Klinke, um ihr die Tür aufzuhalten. Emma, die den gleichen Gedanken hat, streckt ihre Hand ebenfalls aus. Es ist nur eine flüchtige Berührung und doch höre ich über den Lärm der hupenden Autos hinweg dieses Knistern. So als ob man einen dezenten Stromschlag verpasst bekäme. Das ist doch nicht mehr normal.

Ich räuspere mich und deute ins Innere des Cafés. »Nach dir.«

»Danke«, nuschelt sie, bevor sich ihre Lippen wieder zu einem schmalen Strich verziehen.

Klar war es nicht nett, ihr zu sagen, dass sie nicht mein Typ ist, aber da sprach wohl der verletzte Stolz aus mir. Ich bin es absolut nicht gewohnt eine Abfuhr zu kassieren. Außer einmal, da war es anders.

»Rein oder raus?«, fragt ein Mann mit einem Mädchen an der Hand, welches sich ihren Donut schmecken lässt und ich registriere erst jetzt, dass ich nach wie vor die Tür festhalte.

»Sorry.« Ich räuspere mich erneut und mache den beiden den Weg frei, um Emma zu folgen, die einen der hinteren Tische ansteuert.

Sie stellt ihre Tasche auf der cremeweißen Lederbank ab und setzt sich. Auf der Bank gegenüber lasse ich mich nieder und halte nach der Bedienung Ausschau. Hier drin ist es zwar nicht ganz so voll wie beim bekannten Kaffeemogul mit dem großen S, aber in Sachen Inneneinrichtung tun sich die beiden nicht viel. Mainstream halt. Ist nicht so meins, doch Emma scheint es zu gefallen. Zumindest sind die Schwarz-Weiß-Fotos an der Wand neben ihr spannender als ich.

Gerade nimmt sie eines der bekanntesten Motive des zwanzigsten Jahrhunderts ins Visier. Elf Männer, die auf einem Stahlträger in zweihundertfünfzig Metern Höhe über der Skyline von New York die Beine baumeln lassen und Mittagspause machen. »Lunch atop a skyscraper«, sage ich und ernte dafür einen verwirrten Blick.

Where Doubts should be silentWhere stories live. Discover now