~𝑫𝒓𝒆𝒊ß𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒔~

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„Hey Laira."
Eine dunkle Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und sorgt dafür, dass ich mich umdrehe. Vor mir steht Kamil und lächelt mich vorsichtig an. „Schön, dass du wieder da bist."

Ich nicke verlegen und sehe schnell weg. Mit meinem Adoptivvater habe ich noch fast gar nicht geredet. Oft ist er auch nicht da, wenn ich zu Hause bin, weil er arbeitet.
„Ich habe gehört Esperanҫa macht Chicken Curry und wir essen zum ersten Mal wieder miteinander." Ich nicke nochmal und würde am liebsten so viel sagen, aber mein Mund bleibt geschlossen.

„Komm doch mit in die Küche."
Ich folge Kamils Aufforderung und betrete nach ihm den Raum, aus dem es schön verführerisch nach Hühnchen riecht. Während Kamil sich neben Esperanҫa an den Herd stellt, fange ich an den Tisch zu decken und lege neben das Geschirr noch Servietten.

Wenig später setze ich mich auf einen der vier Stühle und befülle mir ein Glas mit Sprudelwasser.
Nachdem ich etwas getrunken habe, luge ich vorsichtig von meinem Platz aus auf den Herd, wo Esperanҫa schon die ganze Zeit kocht.
Gerade hebt sie den Deckel von einem Topf an und rührt darin herum. Zufrieden nickt sie und dreht anschließend den Herd herunter.

Kamil der neben ihr steht versucht etwas zu stibitzen, aber Esperanҫa haut ihm schnell auf die Finger. „Nichts da", schimpft sie lächelnd und erntet eine feste Umarmung von meinem Adoptivvater.
Esperanҫa lacht und schubst ihn sanft von sich weg. „Essen ist fertig", kündigt sie dann an und stellte beide Töpfe auf den Tisch. Die beiden setzen sich mir gegenüber und beginnen sich aufzufüllen. Als Esperanҫa fertig ist, reicht sie mir die Kelle und wartet, bis ich mir ebenfalls aufgefüllt habe.
Dann faltet sie die Hände zusammen und schließt die Augen, bevor sie zu sprechen beginnt. „Segne uns, o Herr! Und dies sind deine Gaben, die wir aus deiner Großzügigkeit durch Christus, unseren Herrn, empfangen werden."

Nachdem sie die AUgen geöffnet hat, sieht sie jeden von uns kurz an und greift dann ihr Besteck um etwas zu essen. Als sie meinen verwunderten Blick sieht, legt sie ihre Gabel wieder zur Seite und lächelt. „Das ist ein Tischgebet. Wenn du möchtest, kannst du nächstes Mal mitmachen."

„Ich weiß gar nicht, ob ich religiös bin", gebe ich zu und greife zu meinem Besteck.
„Das ist kein Problem", sagt Esperanҫa und ich atme erleichtert auf.

Das gesamte Essen verläuft friedlich und still schweigend, trotzdem bin ich unendlich froh, als Esperanҫa das Schlussgebet spricht und ich endlich in mein Zimmer gehen kann.

Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre an die Decke. Ich habe nie erwartet, wie anstrengend ein einfaches Essen sein kann und ich hoffe, dass mir das irgendwann leichter fallen wird.

+

Als ich drei Tage später, am Sonntag, in die Umkleidekabine im Hintergrund des kleinen Theaters trete, wäre ich am Liebsten wieder sofort gegangen. Heute ist Halloween - und die Umkleidekabine zum neuen Modeschauspot umfunktioniert.

Ich kann nicht erkennen, wer dort in den merkwürdigsten Kostümen, die ich je gesehen habe, vor dem Spiegel posiert, aber ich kann mir denken, dass jeden Moment Simon in die Umkleide platzen und dem Ganzen ein Ende setzen wird.

Ich feiere Halloween nicht, weil ich den Sinn dahinter, Leute zu erschrecken nicht verstehe, deshalb hebe ich nur eine AUgenbraue und lasse mich auf die Umkleidebank fallen. „Simon sieht das bestimmt nicht gernen", warne ich die drei verkleideten Gestalten und lege meinen Kopf auf meine Hände, während ich beobachte, wie ein Killerengel in der Kostümkiste wühlt.

Er richtet sich auf und schüttelt den Kopf. „Simon ist nicht da. Er ist mit den Tääälents zu Show gefahren." Das Wort Talents betont er extra stark und verschränkt dann wütend die Arme. „Ich finde das so scheiße, wie Ms Freytag uns letztes Mal behandelt hat. Sie kann doch nicht einfach sagen, dass wir kein Talent haben."

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now