~𝑬𝒊𝒏𝒖𝒏𝒅𝒛𝒘𝒂𝒏𝒛𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒔~

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Als ich am Samstag von der Arbeit nach Hause komme und die Wohnungstür aufschließe, werde ich von Esperanҫa und Kamil überrascht, die mich im Flur erwarten.

Überrascht und leicht irritiert mustere ich die beiden. Esperanҫa wechselt einen unsicheren Blick mit Kamil, ehe sie mir die gestreckte Hand hin hält. „Hey komm, gib mir deine Tasche", sagt sie mit zitternder Stimme.

Verwirrt lasse ich meine Tasche den rechten Arm herunter rutschen und auf Esperanҫas Hand fallen. Meine Adoptivmutter sieht mich mit großen Augen an, als sie den Riemen der Tasche in der Hand hält. Ein weiteres Mal sieht sie zu Kamil, der das Gesicht kein bisschen verzieht.

Langsam ziehe ich die Stirn in Falten. Was ist hier los?!

„Schön, dass du wieder da bist", flüstert Esperanҫa und lächelt mir schüchtern zu. Auf einmal verwandelt sich die Verwirrung in Wut. Was soll das Theater?! Ich komme mir vor, als wäre ich ein Tier im Zoo, das gerade aus der Schutzhütte gekommen ist und jetzt viele Zuschauer erfreut, so beobachtet fühle ich mich.

Außerdem: Was soll das Gefasel von Esperanҫa? Ich bin wie jeden Tag von meiner Arbeit nach Hause gekommen, da ist nichts faszinierend dran, also warum behandelt sie mich so, als wäre ich Wochen nicht Zuhause gewesen?

Wütend reiße ich ihr die Tasche wieder vom Arm und laufe in mein Zimmer. Während ich hinter mir die Tür zuschlage, kann ich Esperanҫa noch seufzen hören. Augenrollend schließe ich ab und lasse mich auf mein Bett fallen. Warum können sich die beiden nicht wie immer verhalten. Das wäre am Einfachsten. Nur weil ich diese Nachricht geschrieben habe, heißt das doch nicht, dass ich jetzt wieder mit ihnen rede. Das geht mir nämlich alles zu schnell.

Durch einen plötzlichen Zwang zum Kuscheln schnappe mir mein Kopfkissen und drücke es mir gegen die Brust. Irgendwie tut das gut. Solange ich hier in meinem Zimmer bin, brauche ich meine Komfortzone nicht zu verlassen und fühle mich sicher. Aber sobald ich in den Flur trete, wird da immer dieses Gefühl von Schutzlosigkeit sein, dass überall dort ist, wo andere Menschen sind.

Ein Grund, warum ich nicht gerne unter anderen Leuten bin, ist, dass ich etwas falsch machen könnte und man mich dafür hassen könnte. Warum sollte ich das riskieren? Ich habe doch sowieso nur wenige Leute, denen ich vertraue. Eigentlich ist es nur Hannah... und vielleicht Khalid.

Nein!

Ich verwerfe den Gedanken sofort wieder. Wie komme ich eigentlich auf Khalid?

Ich kenne ihn nicht mal richtig. Er könnte immer noch plötzlich eine Seite von sich aufdecken, auf die ich nicht vorbereitet bin. Es gibt noch so viel, dass ich nicht von ihm weiß. Na gut, ich weiß, wo er wohnt und kenne seine Familie. Aber das ist noch lange nicht alles. Was ist, wenn er ein Doppelleben spielt und plötzlich ganz anders ist?

Es mag sein, dass ich mir zu viele Gedanken mache und besonders bei dem Thema Khalid sehr sensibel reagiere, aber ich kann nicht anders. Die Angst, dass er anders sein könnte, als ich denke ist einfach zu groß.

Andererseits hat er nichts falsch gemacht, oder? Es gibt nichts, weshalb ich denken könnte, dass er eine geheime zweite Seite an sich hat. Nein, er war eigentlich immer nett zu mir, bis auf, dass er mich zu Beginn häufig ungewollt berührt hat. Aber danach hat er mir nichts getan. Trotzdem habe ich Angst. Warum nur?

Angestrengt presse ich mir die Handballen gegen die Schläfen und lasse dann meine Hände sinken. Niemals hätte ich gedacht, dass eine plausible Erklärung darauf so schwer wäre.

Seufzend stehe ich auf und schlurfe zur Tür. Bevor ich sie öffne, halte ich inne. Wo will ich überhaupt hin? Egal, Hauptsache raus.

Leise öffne ich die Tür und schleiche in den Flur. Ich bücke mich nach meinen Vans und gerade als ich in den ersten steigen will, höre ich Schritte, die sich dem Flur nähern. Erwischt gucke ich hoch und starre in das Gesicht von Esperanҫa.

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now