~𝒁𝒘𝒆𝒊𝒖𝒏𝒅𝒛𝒘𝒂𝒏𝒛𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒔~

81 21 23
                                    

Als ich am Sonntag morgens in meinem Bett aufgewacht bin, kann ich mich nicht mehr erinnern, wie ich dorthin gegangen bin. Durch meine Tränen wurde meine Sichtweise verschwemmt und mein Sinn für die Realität in den Standbymodus gefahren.

Als ich jedoch am Montag Nachmittag auf dem Weg in die Schauspielschule bin, funktioniert mein Verstand zum Glück wieder. Den brauche ich schließlich auch, denn in fast einem Monat ist die Aufführung des Stücks und bis dahin brauchen wir noch viele Proben.

Das ganze Stück in einem sind wir noch nicht durchgegangen. Im Einzelnen klappen die Szenen schon ganz gut, allerdings hatte man da die Gelegenheit im zehn Minutentakt auf das Drehbuch zu gucken und sich den Text zu merken. Bei der Aufführung geht das natürlich nicht und der Text muss einwandfrei sitzen. Zum Glück bin ich ganz gut davor. In fünf Wochen sollte das auf jeden Fall zu machen sein.

Gähnend verlasse ich die S-Bahn und laufe auf das große, fast fensterlose Gebäude zu, dass eine vergleichsweise kleine Tür hat, die sich an der rechten Seite des Gebäudes befindet.

Weil am Montag immer gerade erst das Wochenende vorbei ist und der Mensch nach Simon noch immer im Chillmodus ist, geht er den Schauspielunterricht am Montag immer gelassen an.

So wundert es mich auch nicht, als ich reinkomme und Simon noch nicht anfangsbereit auf der Bühne steht. Wie immer laufe ich in den Backstageraum und lasse mich neben Patrik auf die Bank fallen. „Alles klar bei dir?", frage ich rhetorisch und beginne meine Schuhe auszuziehen.

Patrik nickt und richtet seinen Anzug, den er Probeweise heute angezogen hat. Belustigt betrachte ich ihn im Spiegel. „Das Zeug steht dir wirklich gut!" Patrik sieht mich unsicher an, erwidert dann aber schnell mein Lächeln. „Danke!"

„Warum bist du so aufgeregt?", frage ich weiter, weil er schon zum zehnten Mal an der angenähten Krawatte zupft. „Heute kommt doch Miss Freytag von der Schauspielschule Show."

Ah! Daher weht der Wind.

„Du denkst, du bekommst eine Rolle?"

Patrik sieht mich verunsichert an. „Also... äh, eigentlich dachte ich das, ja."

Freundschaftlich schlage ich ihm auf die Schulter. „Dass die dich nehmen ist so gut wie sicher, ich mache nur Spaß. Du hast Talent, dass sieht jeder sofort!"

„Wirklich?", haucht Patrik und sieht mich zufrieden an.

„Aber hallo!"

„Dich nehmen die aber bestimmt auch, schließlich bist du genauso gut", erwidert er und sieht mich aufgeregt an. „Hoffentlich", murmle ich und werfe einen letzten Blick in den Wandspiegel, bevor ich hinter Patrik den Theatersaal betrete.

+

Als ich am Ende der Stunde als Letzte den Umkleideraum betrete, könnte ich heulen. Gleich nachdem wir alle beisammen waren, kam auch schon Simon und kurz darauf Miss Freytag.

Miss Freytag kam auch direkt zum Thema und hat Umschläge an alle verteilt, die angenommen worden sind. Patrik war selbstverständlich einer der ersten, der einen Umschlag bekommen hat, aber auch einige andere haben nach und nach einen Brief bekommen.

Wenig später hielt Ms Freytag keinen Brief mehr in der Hand. ,Alle die Talent haben, halten gerade einen Umschlag in den Händen. Die, die nichts bekommen haben, brauchen sich kein bisschen unfair behandelt zu fühlen, schließlich läuft die Auswahl nicht per Lose. Das hat alles seine Richtigkeit. Ich brauche auch nichts schönzureden, wenn ich sage, dass ihr einfach nicht so viel Talent und Erfahrung habt, wie die, die einen Umschlag bekommen haben. Und an die mit Umschlag: Wir sehen uns am Samstag!, hat sie gesagt und applaudierend in die Hände geklatscht.

Honeymilk SmellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt