~𝒁𝒘𝒂𝒏𝒛𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒔~

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Erschrocken verschlucke ich mich und muss husten. Nach einer Minute geht es wieder und ich kann Khalids vorwurfsvollem Blick nicht länger ausweichen. „Du meinst, warum ich ihr heute keine Chance gebe?"
Er nickt.

„Es... es würde schlichtweg nicht passen. Fünf Jahre habe ich sie ignoriert und jetzt..."

„Jetzt änderst du es!" Khalids Antwort kommt viel zu schnell und ungebremst, sodass ich erst mal schnell „nein" sage.

„Warum denn nicht?"

„Na ja, weil... - es geht nicht", stottere ich. Khalid seufzt und rollt sich auf den Rücken. „Wie wäre es, wenn du langsam anfängst. Ich kann verstehen, dass du dich nicht so schnell ändern kannst, aber wie wäre es, wenn du normal mit ihnen redest. Vielleicht isst du sogar mit ihnen."

Unentschlossen wiege ich den Kopf hin und her. „Ich möchte aber auf keinen Fall mit Esperanҫa darüber reden, warum ich mich anders verhalte als vorher. Das könnte ich nicht."

„Musst du ja auch nicht. Ich denke, Esperanҫa wird sich selber genug Gedanken machen und irgendwann, wenn euer Verhältnis wieder gut ist, kannst du mich als deinen Katalysator auch mal einladen." Khalid lacht sein mattes, melodisches Lachen.

„Du möchtest Esperanҫa wirklich kennenlernen? Warum?"
„Ich muss doch wissen, bei wem dieses freche Mädchen wohnt", entgegnet er und stupst mich an. Diesmal durchfährt mich ein wohliges Kribbeln, bei dem ein gewisser Stolz mitschwingt.

„Und jetzt? Willst du wirklich hier bleiben?", fragt er nach einer Weile und setzt sich auf.
„Ich finde es ernsthaft schön hier", antworte ich und stütze den Kopf auf meine Arme. Für einen Moment stelle ich mir ehrlich vor, wie es wäre die Nacht hier zu verbringen.

„Auch, wenn du die ganze Nacht hier bleiben würdest? Die Alternative ist immer noch, dass mein Vater uns abholt und du Zuhause unter deiner warmen Decke schlafen könntest und nicht hier auf Ameisen", sagt er und schnipst ein kleines Viech vom Dach.

„Du hast Recht. Ein warmes Bett klingt verlockend. Wann wollte dein Vater denn kommen?", frage ich und zittere plötzlich. Keine Ahnung ob es nur von der Angst vor der Autofahrt oder wirklich von der Kälte ist, setze ich mich auf und schlinge die Arme um meine Beine.

„Ich habe ihn noch nicht angerufen", sagt Khalid und sieht mich entschuldigend an.
„Was?", frage ich überrascht und habe das Gefühl, dass es von schlag auf schlag immer kälter wird.

„Ich rufe ihn an", sagt Khalid sofort und springt vom Bushaltedach runter, um zu telefonieren. Zusammengekauert bleibe ich sitzen und versuche mich so wenig wie möglich zu bewegen, während Khalid telefoniert. „Komm runter, hier ist es wärmer", ruft er nach einer Weile von unten und steckt sein Handy ein.

Vorsichtig robbe ich zum Rand und springe ebenfalls herunter. Unten angekommen, muss ich feststellen, dass Khalid recht hat. Die dicken Holzwände bieten einen idealen Windschutz, der mir gerade mehr als Recht ist.

„Mein Vater beeilt sich, hat er gesagt. In fünfzehn Minuten müsste er hier sein, wenn er Gas gibt."

„Das ist gut", murmle ich und lehne mich gegen die Wand. „Willst du meine Jacke haben, dann ist dir vielleicht wärmer", bietet Khalid an, aber ich schüttle dankend den Kopf. „Da könntest du richtig liegen, aber dann ist dir ja kalt. Ich halte das schon aus, alles gut."

„Wirklich?", fragt er nochmal und lässt seinen Blick über meine dünne Jeansjacke gleiten. Ich nicke bestätigend.

„Wir können ja kuscheln. Dann ist es auch warm", schlägt er vor und sieht mich offen an. WAS?! Das hat er nicht wirklich gesagt oder? Für einen Moment vergesse ich zu atmen. Kuscheln?! Mit ihm?! „Wie bitte?", krächze ich.

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now