~𝑽𝒊𝒆𝒓𝒖𝒏𝒅𝒛𝒘𝒂𝒏𝒛𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒔~

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Als wir bei der Endstation ankommen, steigen wir aus und werden von den Massen erst mal gegen unseren Willen in die Bahnhofshalle verleitet.

Als ich mich wieder selbstständig bewegen kann, drehe ich mich zu Khalid um, der die ganze Zeit dicht hinter mir gehalten hat.

„Wohin gehen wir?", rufe ich gegen den Lärm. Khalid sagt nichts, sondern deutet nur auf den Ausgang - vermutlich, weil er weiß, dass ich kein Wort verstehen würde, wenn er jetzt etwas sagen würde. Mit geducktem Kopf kämpfe ich mich weiter nach vorne und wundere mich, weshalb es hier so voll ist.

Kurz bevor wir die Türen erreichen, werden wir wieder von den Massen gestoppt. Fragend drehe ich mich zu Khalid um, der nur ahnungslos die Schultern hebt. Also durch da!

Mit aller Kraft boxe ich mich durch die dickflüssige Menschenmasse, bis ich endlich vor der Glastür stehe. Jetzt sehe ich auch, was das Problem ist.

Es regnet mal wieder in strömen.

Riesige Massen an Wasser treffen gleichzeitig auf dem Boden auf und verursachen ein peitschendes Geräusch auf dem Teer. Unschlüssig drehe ich mich zu Khalid um, der sich neben mich stellt und schweigend nach draußen starrt.

„Na super", seufzt er ironisch. „Wie sollen wir denn bei so einem Wetter ohne nass zu werden überhaupt irgendwo ankommen?", fragt er und deutet auf das Unwetter.

Mittlerweile sieht es so aus, als würde das Wasser aus Fäden bestehen, weil vom Boden bis zum Himmel kein Ende und Anfang zu sehen ist. Die Luft hat sich fast weiß gefärbt, sodass man kein Stück weit gucken kann und von der Dachrinne der Halle klatscht ebenfalls der Regen. Primitiv schüttle ich den Kopf. „Keine Ahnung."

„Lass uns kurz warten, das hört bestimmt gleich auf", hofft Khalid und dreht den Kopf in Richtung Osten. „Da hinten wird es schon heller."
Suchend fahre ich seinem Blick nach, kann aber nichts erkennen. Es fängt mittlerweile an zu dämmern und weil es jetzt auch noch regnet, ist es fast unheimlich dunkel. „Warum laufen wir nicht wieder durch den Regen", frage ich und erinnere mich an unseren letzten Ausflug quer durch den strömenden Regen.

„Weil wir dann klitschnass sind und wir das heute nicht gebrauchen können", verwirft er meine Idee und wischt auf seinem Handy herum.

„Wieso, wohin gehen wir denn?"

„Du stehst doch auf Überraschung, also sage ich es dir noch nicht", bestimmt er und lächelt mir unverschämt zu.

Gespielt genervt verdrehe ich die Augen. „Darf es dafür nicht regnen?", frage ich und sehe, wie Khalid zuvor in Richtung Osten. „Mhh", macht er und tippt konzentriert auf sein Handy.

Abwartend mustere ich ihn. Seine dunklen frizzeligen Haare, bilden mal wieder einen optimalen Kontrast zu seiner hellen Jacke und auch zu dem weißen Shirt darunter. Seine schwarze Cargohose hat er mit hellen Nikes kombiniert, die sich gerade nervös über den Boden bewegen. Wahrscheinlich bewegt Khalid seine Fußspitzen hoch und runter, was ich aber nur erahnen kann.
Mein Blick fährt wieder hoch zu seinem Gesicht, dass sich in dem Moment zufrieden aufhellt.

„Und?", frage ich neugierig.

„Für heute hat es genug geregnet", antwortet er und vergleicht die Informationen mit denen von draußen. Und er hat Recht. Der Regen klingt ab und die dunklen Wolken ziehen almählich ab, sodass es - ohne dass ich es gemerkt habe - heller geworden ist.

„Wohin gehen wir?", frage ich, als Khalid zwei Minuten später die Türen aufstößt und nach draußen läuft. „Komm!", sagt er ohne meine Frage zu beantworten und zieht mich mit sich.

„Warte", rufe ich und knie mich hin um meine Schuhe zu zubinden, da die Schleife aufgegangen ist. Khalid nickt und mustert mich, während ich auf dem Boden hocke. Als ich mich wieder aufrichten will, entfährt mir ein erschrockener Schrei, als direkt über mir ein dicker Strahl Wasser aus der Regenrinne über mir tropft und mich damit nass macht.

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now