~𝑺𝒆𝒄𝒉𝒔𝒕𝒆𝒔~

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Als am Donnerstag Nachmittag bei der Schauspielschule ankomme, läuft mir der Schweiß von der Stirn. Obwohl es die letzten Tage richtig schön kühl war, sind die Temperaturen heute nochmal auf 26 Grad gestiegen.

Dabei haben wir Ende September. Die Blätter fallen so langsam von den Bäumen und sammeln sich in bunten Mengen auf dem Boden in Nischen und Gullis wieder. Jetzt, wo die Sonne scheint, mag es für viele ein schöner Herbsttag sein, aber für mich ist es ein verirrter Sommertag inmitten des immer kühler werdenden Herbstes.

Ich bin ein Routine-Mensch und aus diesem Grund passt diese plötzliche Wetterveränderung mir und meinem Kreislauf gar nicht. Die Sonne bereitet mir Kopfschmerzen, die ich heute mal gar nicht gebrauchen kann, schließlich hatte ich vor, Simon meinen Regisseur, zu beeindrucken. Den ganzen gestrigen Tag, habe ich meine Rolle geübt und ich muss sagen, dass ich mich verbessert habe.

Mit schweren Schritten betrete nun ich die Halle und gehe durch zur Bühne. Das Besondere an unserem Stück ist, dass wir keine Kulisse besitzen. Die Bühne ist aus braunem Holz, über das wir je nach Szene nur Tische und Stühle schieben müssen. Mit Details und Bühnenbild könnten wir das Stück auch nie in vier Monaten proben. Denn zu unserer Aufführung am ersten Dezember muss alles sitzen.

„Leute!", die laute Stimme des Regisseurs lässt uns zusammenzucken. „Wir haben noch zwei Monate zum Proben und ich bin sehr stolz über unseren Fortschritt", fängt er an, als er von allen Anwesenden die Aufmerksamkeit hat.

„Heute setzen wir uns zuerst an das Ende des ersten Aktes, denn die letzte Szene sitzt noch nicht perfekt", verkündet er und macht eine Wischbewegung, um uns alle auf die Bühne zu holen. Lächelnd, weil ich weiß, was jetzt passiert, schlittere ich mit Socken über den glatten Holzboden und stelle mich in den Kreis. Zusammen mit Simon machen wir einige Aufwärmübungen, die für Außenstehende bestimmt sehr komisch aussehen. Damit wir uns ganz unserer Rolle hingeben können und nicht steif und abgelenkt da stehen und unseren Text runter rattern, dehnen wir unsere Gelenke und Lungen. Auch wenn wir keine Singrollen haben, versuchen wir hohe, sowie tiefe Töne zu erzeugen und gehen das Alphabet durch, um jeden Buchstaben einzelnd zu betonen.

Nachdem wir uns aufgewärmt haben, setze ich mich zu einigen anderen, die in der Szene auch nicht mitspielen an die Seite, wo später das Publikum sitzt. Simon hat extra angeordnet, dass wir uns dort auf den Boden setzen sollen und manchmal auch Fotos machen oder ein bisschen tuscheln sollen, schließlich dürfen sich die Schauspieler bei der Aufführung auch nicht ablenken lassen. Simon ist richtig cool, denn weil er selber noch Student ist, hat er eine gewisse Nähe zu uns und macht gerne manchen Quatsch mit. Trotzdem sieht er es sehr ernst, das Stück gewissenhaft zu proben und kann es gar nicht leiden, wenn wir zu spät kommen oder früher los müssen.

Als alle auf ihren Plätzen sind, wird es dunkel und Patrik in seiner Rolle als Kauptperson fängt  hinter der Bühne an zu sprechen.

„... Oh wie täuschend das Leben doch manchmal ist. Als ich im Heim ankam, holte mich meine Sozialarbeiterin schnell zurück, auf den harten Boden der Realität."

Das Licht geht wieder an und Julia kommt auf die Bühne, um sich an den Tisch zu setzen.

Ja, unser Verhältnis war nicht das allerbeste, aber in dieser Zeit hatte es definitiv seinen Tiefpunkt. Durch die Diskussionen und Streitgespräche mit meinen Leuten war ich immer seltener in der WG, was sie als Undankbarkeit empfand. Ihr Problem, mein ständiges Versagen im Thema Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Mein Problem, zu wissen, dass sie irgendwie Recht hatte."

Jetzt betritt Patrik als Philippus die Bühne und taumelt gespielt angetrunken auf den Tisch zu. Ein aufgebrachtes Räuspern ertönt und  Julia dreht sich zu Patrik um.

Honeymilk SmellNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ