~𝑭𝒖̈𝒏𝒇𝒕𝒆𝒔~

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Kaum klingelt es nach dem Unterricht zur Pause, laufe ich hinter Mary nach unten in die Pausenhalle, wo schon Hannah und Sari warten. Keine Minute später sind die drei in ein Gespräch vertieft und ich sehe mir gelangweilt die Leute an, die aus ihren Klassen kommen und in Richtung Pausenhof strömen.

Gerade als ich anfange ein bisschen im Stehen zu schlafen, nehme ich im Augenwinkel meine Spanischlehrerin wahr, die aus dem Lehrerzimmer kommt. Sofort werde ich wieder hellwach und starre panisch in ihre Richtung. Es braucht nur einen kurzen Reflex, der mich dazu bringt, hinter Mary zu treten, die in meiner Sichtbahn steht.

Aber das lächerliche Versteckspiel hätte ich mir auch sparen können, denn meine Lehrerin hat gar nicht nach mir gesucht.

Mit klopfendem Herzen komme ich wieder hinter Mary hervor und verfolge Señora Garcia mit den Augen. Sie verschwindet im Büro und für einen kurzen Moment kann ich aufatmen. Aber als mir dann einfällt, dass ich gleich nach der Pause Spanischunterricht bei ihr habe, fängt mein Herz an, heftig zu klopfen. Mehrere Gedanken schießen durch meinen Kopf. Ich könnte schwänzen, wie ich es in letzter Zeit so oft im Spanischunterricht tue, aber dann kann ich mich auf ein unangenehme Folge gefasst machen. Señora Garcia schickt mich nämlich nach jedem Schwänzen zu der Schulleitung, deshalb könnte ich rein theoretisch auch direkt dorthin gehen.

Eine andere Möglichkeit wäre dennoch abzuhauen, denn auch wenn schwänzen keine Dauerlösung ist, handle ich mir leiber eine Standpauke von der Schulleitung ein, als mich im Spanischunterricht unwohl zu fühlen.
An sich mag ich die Sprache und ich bin sogar eine der Besten in diesem Kurs, denn nicht ohne Grund ist mein Nachname spanisch. Mit meinen Eltrn habe ich früher Zuhause durchgängig spanisch gesprochen, deshalb ist das Verständnis nicht das Problem. Viel mehr stört mich, dass die Señora mich dazu zwingt, ein Referat über meine Familie zu halten. Sie meint, dass die Familienverhältnisse als Adoptivkind bestimmt spannend wären, dabei interessiert es sie nicht, ob ich damit einverstanden bin über mein Privatleben zu reden oder nicht.

Ich fände es okay, ein Referat über meine Hobbies, meine Arbeit oder soetwas zu halten, aber meine Familie geht niemanden etwas an. Ich habe Señora Garcia auch mehrmals gesagt, dass ich den Eingriff in meine Privatsphäre nicht okay finde, aber sie will das nicht verstehen und droht mir bei jedem Protest mit ungenügend als Ergenbis.

Rein theoretisch könnte ich der Schulleitung auch mal erzählen, wweshalb ich jedes Mal schwänze als darüber zu reden, wie schlecht schwänzen ist, wenn ich nach der Schule mal wieder zum Gespräch im Büro sitze. Schon mehrere Male war ich auch kurz davor, aber ich habe das Gefühl, dass die Wahrheit in dem Fall nichts bringen würde. Meine Spanischlehrerin und die Schulleitung sind zufällig Geschwister, und auch wenn es in vielen Fällen nicht korrekt ist, halten sie immer zusammen.

Erst letzte Woche direkt nach der Spanischstunde, in der ich nicht da war, hatte ich eine Auseinandersetzung mit den beiden, die mich mit Giftblicken bombardiert haben, als wenn ich eine von beiden zutiefst beleidigt hätte.

Das Gespräch war wie erwartet kein bisschen sinnvoll, denn nach zehn Minuten Gerede und Feststellung der Tatsachen meinte die Rektorin, dass ich mal zur Vertrauenslehrerin gehen sollte. Aber dass ich dahin gehe, kann sie vergessen. Ich brauche nicht noch mehr Einmischung, denn wenn sie etwas zwischen meinen Adoptiveltern und mir ändern sollte, dann nur, weil ich damit einverstanden bin. Aber solange ich Esperanca aus dem Weg gehe, helfen auch dreißig willige Hilfepersonen nichts.

Nachdem meine Lehrein wieder in ihren Unterricht verschwunden ist, musste ich die nächste Stunde im Krankenzimmer verbringen, weil die Rektorin meinte, ich wäre seelisch am Ende. Daran merkt man, dass sie echt keine Ahnung hat, denn eigentlich war ich einfach nur genervt.

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now