~𝑨𝒄𝒉𝒕𝒆𝒔~

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Weil ich keinen Besuch erwarte keinen, können das eigentlich nur Esperanҫa und Kamil sein. Aber normalerweise klopfen sie nicht an meiner Tür. Und vor allem nicht so penetrant.

Mittlerweile wird das Klopfen aber immer lauter, während ich wie angewurzelt neben meinem Fenster stehe und überlege, warum da jemand klopft. „Laira, öffne bitte die Tür!", höre ich Esperanҫa. Das ist das erste Mal, dass sie ihre Stimme erhebt. „Laira wir müssen mir dir reden!", höre ich Kamils Stimme daneben. Seit wann wollen sie mit mir reden und seit wann benutzen sie diese Art und Weise mich dazu zu ermutigen, die Tür zu öffnen?

Als ich nicht antworte, wird das Klopfen weniger. „Laira, bist du da drinnen?"
Ich antworte immer noch nicht. „Das wird Konsequenzen haben", höre ich eine weitere Stimme. Moment. War das etwa meine Spanischlehrerin? Was tut sie hier?

Ich höre gedämpftes Gemurmel und dann wird es ganz still.
Als sich nach mehreren Sekunden immer noch nichts regt, bin ich mir sicher, dass sie gegangen sind. Aber weil ich  mittlerweile neugierig geworden bin, wieso die Senora bei mir Zuhause aufkreutzt, öffne ich die Tür vorsichtig einen Spalt breit und linse durch den Schlitz. Wie erwartet sind Esperanҫa und Senora Garcia gegangen, als ich aber aufeinmal eine Hand direkt über meinen Augen schweben sehe, schrecke ich zurück und schlage die Tür zu.Die Hand gehört einer Frau, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe.

„Ich weiß, dass du mich nicht kennst, aber ich will mit dir reden, Laira. Ich bin die Vertrauenslehrerin. Du kannst mir alles anvertrauen, was sich bedrückt. Wir können darüber reden. Wenn du magst, müssen deine Eltern... Adoptiveltern auch nichts davon wissen", sagt die Frau hinter der geschlossenen Tür.

Irritiert hebe ich eine Augenbraue. Wer hat denn gesagt, dass ich bereit bin über die Beziehung zwischen mir und meinen Adoptiveltern zu reden? Ich war das ganz bestimmt nicht. Und weil ich nicht gezwungender Maßen über mein kompliziertes Leben reden, fasse ich einen Plan.

Selbst wenn die Vertrauenslehrerin keine Schuld hat und mir wahrscheinlich wirklich nur helfen will, bin ich überzeugt sie loszuwerden. Deshalb öffne ich entschlossen die Tür und stelle mich ihr mit verschränkten Armen in den Weg. Überrascht zuckt die zierliche Frau zusammen und tritt von der Tür weg.
„Danke, aber ich komme bestens alleine zurecht. Ich brauche Ihre Hilfe nicht und deshalb würde ich Sie bitten zu gehen."

Auch wenn die Worte hart klingen, sind sie höflich und ehrlich formuliert, deshalb hoffe ich, dass die sie mich versteht. Die Vertrauenslehrerin sieht mich traurig an und tritt dann einen Schritt zurück.
„Deine Eltern... Adoptiveltern warten in der Küche und deine Spanischlehrerin auch, sie würden gerne mit dir reden", sagt sie mit leiser Stimme und sieht mich an.

„Ich aber nicht mit ihnen. Das sollten sie sich auch für die Zukunft merken!", rufe ich aufgebracht und verschließe die Tür hinter mir. „Ach du meine Güte. Das arme Kind", haucht sie noch leise, was ich sicher nicht hören sollte. Habe ich aber und deshalb reiße ich die Tür blitzschnell wieder auf. „WAS haben Sie gesagt?!", schreie ich und muss mich zusammenreißen, nicht vollkommen durchzudrehen.
Ich merke, wie mein Gedultsfaden allmählich reißt, aber ich bin nicht in der Lage einen Gang runter zu schalten.

Die dünne Frau schluckt merklich und senkt ihren Blick. Sprachlos starre ich sie an und versuche meine aufkochende Wut so gut es geht zu unterdrücken. „Das kann nicht Ihr Ernst sein! Und Sie wollen eine Vertrauenslehrerin sein?! Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass man so kein Kind dazu bekommt, Ihnen etwas anzuvertrauen?!", rufe ich aufgebracht und lasse sie vor meinem Zimmer stehen.

So schnell ich kann, laufe ich zur Tür und sprinte das Treppenhaus nach unten. Draußen fange ich an zu rennen und muss mich zusammenreißen nicht anzufangen zu heulen. Ich weiß, dass sie mir nur helfen wollte, aber dass sie mich mit meinem Tabuthema provoziert bringt niemanden was. Außerdem löse ich Dinge lieber alleine, selbst wenn es länger dauert. Aber dann verstehe ich jedenfalls eher warum ich einen Fehler gemacht habe, als wenn mir jemand Fremdes das vorgibt.

Honeymilk SmellWhere stories live. Discover now