Kapitel 26

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Ein Kellner kam zu unserem Tisch, gab uns die Speisekarten und fragte, ob er schon etwas zu trinken bringen dürfte.

Die beiden Sponsoren, eine Frau und ein Mann, die sich als Frau Ilham und Herr Meier vorgestellt hatten, bestellten eine Flasche Wein für uns alle. Ich war zwar eigentlich nicht der Typ, der zu Mittag schon einen Wein trank, aber um die beiden glücklich zu stimmen, musste ich jetzt wohl oder übel mittrinken.

Es war Weißwein und er klang ziemlich teuer.
Wir saßen am Tisch und während Andrew das Gespräch eröffnete, sah ich mir die beiden genauer an. Es schien, als ob sie schon eine ganze Weile zusammenarbeiten würden und sich dabei auch schon nähergekommen wären, aber genau sagen konnte ich das natürlich nicht.

"Ja, wir wären an einer Unterstützung Ihres Verlages interessiert.", gab Frau Ilham gerade bekannt und ich merkte, wie Andrew sich ein wenig entspannte.
Ich war mir nicht sicher wie wichtig diese Sponsoren für uns waren, aber dass es besser war, sie auf unserer Seite zu wissen, das konnte ich mir auch denken.

Es wurde ein angenehmes Mittagessen und wir lachten viel zusammen.

Das war nicht immer selbstverständlich. Denn ich hatte gehört, viele Sponsoren seien hinterlistig und reizten einen.
Nach guten Eineinhalbstunden verabschiedeten wir uns und endlich war ich mit Andrew allein. Sein Freund war nachdem er uns abgesetzt hatte, weitergefahren und jetzt mussten wir nur drei Blöcke weiter zu unserem nächsten Autor gehen. Unser zweites Buch würden wir auch bekommen. Hoffte ich zumindest, denn es hatte leider auch noch andere Interessenten für "Keiner ist keiner" gegeben.

Doch jetzt musste ich meine Zeit sinnvoll nutzen, um Andrew zu erzählen, was bei Madame Rombouz geschehen war. Ich war immer noch vollkommen aufgeschmissen, hatte mich aber während dem Mittagessen wenigstens etwas beruhigt.
"Andrew, ich muss mit dir ganz dringend reden."
"Ich weiß, du siehst aus, als würdest du gleich platz...", dann sah er in mein Gesicht und bemerkte den Ausdruck, der in meinen Augen stehen musste.
"Klar, du kannst mir alles sagen, das weißt du doch."
"Na ja, so schnell ändere ich mich nicht, ich meine, vor ein paar Wochen hätte ich mir nicht in meinen kühnsten Träumen vorgestellt, dass ich irgendwann mit dir oder irgendjemand anderem über meine Gefühle reden würde."
"Und trotzdem tust du es jetzt. Du kannst dich ändern. Ich helfe dir!"
"Danke!" Und das meinte ich aus tiefstem Herzen.
"Okay, was willst du mir sagen?"
"Also:", ich holte tief Luft, "du weißt ja, dass ich heute Vormittag bei Madame Rombouz war, um mit ihr den Vertrag mit unserem Verlag durchzugehen und es war richtig komisch."
"Hast du den Vertrag nicht?"
"Doch, doch. Den habe ich schon, aber der Rest. Sie war komisch."
"Na ja, das wussten wir aber auch schon vorher." Andrew schmunzelte leicht.
"Ja, aber so, als ob sie mich persönlich kennen würde. Als ob wir eine gemeinsame Vergangenheit hätten."

Wir gingen einige Meter weiter, bevor Andrew stehen blieb und mir direkt in die Augen sah.
"Hast du Verwandte hier in Paris?"
"Nein." Wie kam er denn auf die Idee, dass Madame Rombouz mit mir verwandt war.
Ich hatte keine lebenden Verwandten, sonst hätten mich meine Eltern nicht in ein Kinderheim stecken müssen.
"Du bist dir ganz sicher?"
"Ja, wie kommst du darauf?"
"Weil ich gerade an eine Stelle in ihrem Buch denken musste. Kannst du mir das Buch geben? Ich lese sie dir vor."
"O-okay."

Ich kramte das Buch aus meiner Tasche hervor und gab es Andrew.
Er blätterte ein paar Mal hin und her, bis er die richtige Stelle gefunden hatte und begann zu lesen.
Nach und nach stellten sich alle meine Haare auf. Ich hatte eine richtige Gänsehaut.
"Ich blickte in seine Augen, die wie immer von einem eisernen stahlgrau waren. Hatten sie jemals aufgehört Kälte auszustrahlen? Ich war mir nicht sicher. Nur für zwei Personen auf der Erde waren sie zu einem sanften Schneesturm geworden. Für die Liebe seines Lebens und für seine Tochter, die seine Augen geerbt hatte. Und nun war er tot. Und seine Tochter wurde immer mehr zu dem Menschen, der er einst gewesen war, bevor er seine Liebe gefunden hatte. Und dann war da ich. Wieso konnte ich alles immer nur von außen betrachten. Weil ich nicht den Mut fand und ihn auch nie finden würde.
Weil ich eben nur aus roten Blüten bestand. Die Liebe, natürlich. Die jedoch nie die eigene Liebe finden würde. Mit gingen die Buchstaben, aus denen ihr Name bestand nicht aus dem Kopf. I-E-L-U-J."
Mir wurde kalt und die Zeit blieb für mich stehen.
"Julie. Das sind deine Buchstaben."
"Ich... ich habe es gehört. Das kann nicht sein. Das ist Zufall."
"Julie, das ist deine Chance, du kannst vielleicht etwas über deine Vergangenheit erfahren."
"Und was, wenn es wieder eine Sackgasse ist. Der Brief meiner Eltern reicht mir."
"Und was wenn nicht?"
"Hast du auch schon mal bedacht, dass ich nicht bereit sein könnte?"
"Nein, tut mir leid. Aber nach so vielen Jahren. Und diesmal bist du nicht allein. Ich helfe dir."
"Aber das kann doch nicht sein. Ich meine, wer sollte sie sein. Ich habe keine Verwandten."
"Vielleicht doch. Was hat sie dir erzählt?"

Und so schilderte ich ihm das gesamte Aufeinandertreffen und alles, was mir sonst noch so aufgefallen war. Hatte ich doch noch eine Familie?
Mein Herz pochte laut bei dem Gedanken.
Auf einmal spürte ich Andrews Hand in meiner, die mich festhielt und meine Hand drückte.
"Du bist und bleibst das kostbarste Geschenk für mich. Egal, was wir herausfinden werden."
"Ich liebe dich, Andrew!"

"Ich dich auch."

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