Kapitel 16

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Schwer atmend löste wir uns voneinander.
Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu schauen.
Waren seine Pupillen auch so geweitet, wie meine es waren?
Seine Wangen rot?
Wollte er diesen Kuss?

„Hey."
Jetzt sah ich ihn doch an.
„War... also ich meine... na ja... war das für dich... okay?"
Das war das erste Mal oder auch zweite Mal, dass ihm die Worte fehlten.
„Ja.", hauchte ich.

Es war wunderbar gewesen.
Wie ein Frühlingsmorgen.
Zart wie Krokusse, sanft wie eine Brise.
Aber doch so verlangend, dass ich mich nicht hätte wehren können.
Er hatte so gut geschmeckt.
Seine Lippen, seine Zunge.

„Komm, wir gehen weiter."
„O-kay."

Und so gingen wir nebeneinander den Weg weiter. Keiner sagte ein Wort.
Aber es wäre auch jedes Wort eins zu viel gewesen.
Diese Stille war, das wusste ich nämlich nicht von Dauer.
Irgendwann würden wir darüber reden.

Ich wollte ihn mein Vertrauen schenken. Wenn er mir deins schenkte.
Ich fasste mir ein Herz und ging einen Schritt zu ihm.
„Wer bist du?"
Ach shit, das hatte jetzt viel zu poetisch geklungen.
Musste ich auch alles immer vermasseln!

Doch anstatt mich auszulachen sah er mich ernst an.
Irgendwie sah er so aus, wie wenn er jetzt gleich mit einem einstündigen Vortrag über Philosophie beginnen würde.
Nach 20 Sekunden wurde es dann langsam peinlich, er sah mich nur an und sagte kein Wort.
Er hatte dabei aber ein ganz ernstes Gesicht.

Und dann! Plötzlich brach ein in ein Lachen aus. Er konnte sich kaum noch halten, so sehr lachte er.
"Tut mir leid! Ich kann nicht anders. Das war grad einfach zu komisch."
Er prustete weiter.

Okay, meine Frage war vielleicht wirklich etwas komisch gewesen, aber er hätte mir ja wenigstens antworten können.
Ich wurde etwas wütend und meine Augen verengten sich leicht.
"Die Frage war ernst gemeint."
"Hey, ich lache ja gar nicht über dich. Ich fand nur, dass die Situation perfekt in ein Buch gepasst hätte."
"Aha. Beantwortest du sie mir trotzdem?"
"Also ich weiß nicht genau, was du meinst. Soll ich dir etwas von mir erzählen?"
Ich schwieg. Ich wusste nicht einmal, was ich gemeint hatte.

Er war jetzt gerade so anders. Und da kam mir auch, was anders war.
Er versuchte krampfhaft zu überspielen, dass wir uns gerade eben geküsst hatten.
Hatte er es nicht gewollt?
Bereute er es?
"Ach, wenn du nichts sagst, dann fange ich einfach an."
"Mhhh."
"Also na ja haha ich  bin Andrew Carter. 30. Bin Chef eines Verlags. Single. Ich mag den Winter. Keiner weiß, dass ich heimlich Bücher unter einem Decknamen schreibe. Also hey! Nicht weitersagen. Ich hasse Erdbeereis. Dafür kann man mich mit Schokolade bestechen. Ich bin noch nie Fallschirm gesprungen. Ich habe Platzangst. Ach irgendwie wird das jetzt peinlich. Ich will ja nicht, dass Frau Foss von der Personal -und Finanzabteilung all meine Geheimnisse kennt. Jetzt bist aber du dran. Ich meine ich habe ja jetzt auch was erzählt." Er grinste.

Ich war verwirrt. Warum erzählte er mir das?
Ablenkung?
Oder einfach, weil es ihm grad Spaß machte?

"Ach. Ich hab nicht so viel, was ich von mir erzählen könnte." Ich konnte nicht einfach so über mich sprechen. Das war zu schwer.
"Komm schon. Sonst habe ich einen Wunsch frei. Also entweder du erzählst mir jetzt was, um deine Schulden zu begleichen oder ich habe einen Wunsch bei dir frei." Er grinste schon wieder.
Veralberte er mich hier nur?
Nein. Es machte ihm einfach Spaß. Von Sekunde zu Sekunde wurde er gelöster. Offener.
So hatte ich ihn noch nie erlebt.

Also tja, jetzt musste ich mich entscheiden.
Das hatte ich mir das nun eingebrockt. Wunsch?
Ja, das war wohl besser.

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