Kapitel 18

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Mir taten schon die Füße weh von dem ganzen Gerenne und Rumstehen. Wir hatten aber doch tatsächlich alle Bücher bekommen, die wir wollten und die unser Verlag nur wegen mir herausgeben würde, schließlich hatte ich sie ausfindig gemacht. Wobei Andrew beim Verhandeln auch sehr hilfreich gewesen war.
Es war schon 23.24 Uhr und ich war einfach nur müde, aber Andrew unterhielt sich schon die ganze Zeit mit so einem anderen Boss. Natürlich stand ich nur daneben und dufte nichts mitreden, denn so etwas erledigte nur der Chef.
Ich war sehr froh, Julien nicht mehr gesehen zu haben, denn das hätte mich an diesem Abend wohl dermaßen aus der Bahn geworfen. Ich musste mich gerade mit meinen Gefühlen zu Andrew befassen und dabei meine Vergangenheit beiseitedrängen. Was keineswegs leicht war.
"Und das ist Juliette Foss, Die Chefin der Personalabteilung und der Finanzabteilung."
"Ah, sieh an, sieh an. Ich hoffe mal sie hat genauso viel Grips wie sie an Attraktivität hat."
Wenn es eins gab, das ich nicht leiden konnte, dann das, wenn so über mich gesprochen wurde, als ob ich nicht anwesend wäre, obwohl ich das gesamte Gespräch mitverfolgen konnte und zusätzlich direkt daneben stand.
"Ja, ich halte mich für sehr kompetent und wer sind Sie, wenn ich fragen darf." Diese dumme Nuss. "Ja natürlich dürfen Sie fragen. Netten Mädels wie Ihnen antworte ich immer gerne. Ich bin Nick Huster. Eigentlich Nicolas, aber für Sie mache ich da gerne eine Ausnahme."
Diese Sorte von Mann regte mich auf. Schon in den 70igern, graues Haar, den Ansatz von einem Bauch und definitiv zu viel Haargel.
"War nett, Sie kennenzulernen, Nicolas." Und mit diesen Worten drehte ich mich um und ging zu einem Bücherstand, der mir danach aussah, als ob ich dort nicht so schnell drankommen würde, denn es standen jede Menge anderer Leute an.
"Entschuldigen Sie mich einen Moment, ich werde auf Ihr Angebot zurückkommen."
"Okay. Machen Sie es gut und grüßen Sie mir Ihre liebe Juliette von mir. Die muss ich unbedingt mal im Waschraum nehmen."
Ich hörte Andrew noch murmeln: "Werden Sie bestimmt nicht." Da war sich jemand aber sehr sicher. So wie es aussah, wollte Andrew mir folgen, doch das würde ich nicht zulassen, schließlich hatte er auch über mich gesprochen, als wäre ich nicht anwesend.
Ich ging zielstrebig auf die Toilettenräume zu, sodass es für Andrew aussah, als würde ich mich dort verstecken wollen, doch stattdessen drehte ich mich, als ich um eine Ecke bog, blitzschnell um und duckte mich unter einen der Tische mit langen Tischdecken.
Es war einen Versuch wert.
Und tatsächlich er ging an mir vorbei weiter auf die Toiletten zu.
Schnell kroch ich wieder unter dem Tisch hervor und ging zielstrebig auf den Ausgang zu.
Endlich war ich bei der großen Tür angelangt. Ich warf einen letzten Blick über die Schulter und erstarrte.
Andrew war direkt hinter mir. Er umfasste mit seinen Händen meine Schultern.
"Ich würde sagen, wir steigen jetzt mal in ein Taxi und fahren zurück zum Hotel."
"Könntest du mich bitte vorher warnen, bevor du mich derartig erschreckst!"
"Wo bliebe dann der Spaß? Ich mag es, wenn du diesen Blick hast, der mir ganz genau sagt, dass du gerade in eine unerwartete Situation gekommen bist und sie nicht unter Kontrolle hast. Du siehst dann ein bisschen aus, wie wenn du denjenigen, der daran Schuld ist gleich umbringen wirst und dir dabei verdammt viel Zeit lassen wirst. Aber auch irgendwie süß. Das turnt an. Oh, warte, habe ich das gerade wirklich gesagt, wie peinlich."

Doch irgendwie sah er überhaupt nicht danach aus, als ob es ihm peinlich wäre. Eher als ob er genau das damit bezwecken wollte, was er damit bezweckte. Es turnte jetzt MICH an!
"Das reicht, du Fiesling."
"Wie du willst, nachher wirst du um Gnade flehen."
"Seit wann bist du so... witzig?"
"War ich schon immer, hast du nur nie bemerkt."
"Ah."
Dann beugte er sich noch einmal zu meinem Ohr und raunte mir etwas zu, das eine Gänsehaut auf meinen Armen verursachte. Ich wusste nicht wie mir geschah, doch als er sich dieses Mal zu mir beugte, wollte ich es. Einen Kuss.
Ich war gerade dabei, mich von meiner Vergangenheit loszulösen, obwohl ich mich in Paris befand. Doch dann lehnte er sich in seinem Sitz zurück.
"Ich dachte, ich soll dir nicht mehr nahekommen. Das ist jetzt deine Schuld, dass ich dich nicht küsse. Außer du sagst Küss mich, Baby." Er lachte fies, weil er genau wusste, dass er mich hatte.
Doch ich würde etwas gegen meine Natur tun!
"Küss mich, Baby!"
Und ich drehte mich zu ihm um und gab ihm einen Kuss auf die Backe. Jetzt würde ich den Spieß umdrehen.
Ich verteilte Küsse auf seinem Hals und ließ nicht ab bis er sagte: "Hör-auf, bitte. Ich-ich halte das nicht durch!"
Ich lehnte mich zurück. Er sah erhitzt aus.
"Ich bin dein Boss, schon vergessen?"
Ach jetzt spielte er die Boss-Karte aus?
"Ja und ich die Chefin."
"Verdammt nochmal, wieso bist du so schwierig?"
Und ich sah es in seinen Augen, dass er es nicht so gemeint hatte, aber ich wurde gerade mit der ganzen Situation nicht mehr so richtig fertig und überhaupt, Paris und die ganzen Küsse, obwohl ich nie mehr jemanden anderen lieben wollte außer meinen Eltern und mein innerer Kampf, ob ich dem Verlangen trotzdem nachgeben sollte, weil er mich heilen könnte und ich war alles in allem einfach fertig und deshalb sagte ich einige oder besser zu viele Dinge, die ich nie hätte aussprechen sollen. "Andrew, du sagst, ich bin schwierig? Schau dich doch mal an, wie kaputt du bist! Lässt keinen an dich ran, machst immer dicht, sobald man dir näherkommen will. Du bist derjenige, mit dem etwas nicht stimmt. Du mischst dich in Sachen ein, die dich überhaupt nichts angehen! Du willst immer bestimmen, alles selbst entscheiden, traust anderen überhaupt nichts zu. Du bist ein Einzelgänger und wirst immer einer bleiben, denn wer würde sich schon freiwillig mit einem wie dir abgeben? Du bist doch eh nur eine Last!"
Wütend stieß ich die restliche Luft aus, die sich in meiner Lunge angestaut hatte. Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. Dann riskierte ich einen Blick zu Andrew. Sein Gesicht war versteinert und in dem Moment wusste ich, ch war zu weit gegangen. Viel zu weit und ich wusste, ich konnte diese Worte nicht zurücknehmen, sie waren zu stark. Er sah mich nur schweigend an. Dann holte er sein Portemonnaie hervor, bezahlte den Taxifahrer und ging ins Hotel.
Er blickte sich kein einziges Mal um, sondern ging in den hell erleuchteten Eingang hinein. Ich wusste, ich musste ihm jetzt folgen und alles geradebiegen. Doch zu biegen gab es da nicht mehr. Eher reden. Aber als ich in die Suite kam war er nicht da. Ich suchte alle Zimmer ab.
Ich hätte sowieso nicht gewusst, was ich sagen sollte.

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