Kapitel 2

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Wenn es noch ging, dann verfinsterte sich der Blick von meinem Chef, nein das sagte ich jetzt nicht, das klang ja als würde ich mich unterwerfen wollen, von Herr Carter jetzt noch mehr.

Er zog seine Stirn kraus und starrte um umher.

"Auch Stress?", fragte ich, als ob ich nicht begreifen würde, dass ich in höchster Gefahr schwebte. Er war bekannt für unberechenbare Wutausbrüche.
"Was Sie nicht sagen!", knurrte er.
Okay Juliette, nicht weiter fragen, ganz ruhig bleiben.

Endlich mein Stockwerk. Ich ging aus dem Aufzug und schlug den Weg Richtung Personalabteilung ein. Ich war gerade an der Tür, als Herr Carter noch etwas sagte.

"Um 19.00 Uhr bei der Tiefgarage."
"Aha. Na gut."
Er hatte wohl doch gesehen, dass mein Außenspiegel nun ab war.

Wie ich gedacht hatte, waren Lucy und Rob schon da. Nur leider räumten die beiden gerade nicht ihre Schreibtische frei, wie es aussah, würden sie bald über den Boden rollen, wenn sie sich weiter so küssten.

"In mein Büro." Die beiden zuckten zusammen. Schnell richtete Lucy ihre Bluse und sah Rob ängstlich an. Gut so. Ich war wütend. Schon wieder.

Ich schmiss meine Tasche auf meinen Schreibtisch und setze mich, nachdem ich meine Jacke ausgezogen hatte, auf meinen Stuhl.

Es klopfte.

"Kommen Sie schon rein."
Die beiden traten ein. Er hatte noch Lippenstift um die Lippen und ihre Haare waren zerzaust.
"Ich dachte mir", begann ich, ", dass Sie noch eine Weile bei mir in der Personalabteilung bleiben können. Also können Sie wieder an Ihre Arbeit gehen."

Die beiden sahen sich verdattert an. Dann machte sich plötzlich Respekt in Robs Augen breit.
"Danke", sagte sie beide wie aus einem Mund.
"Jetzt gehen Sie schon", ich hielt mich nicht länger.
Ich wunderte mich nicht, dass sie beide weiter in der Firma arbeiteten wollten. Die Arbeitsplätze waren gut bezahlt und sehr begehrt.
Endlich schloss sich die Tür und konnte tief durchatmen.
So vertraut, so freundlich, so nett

Das Wort nett spukte ich halb.
Auf einmal klingelte mein Telefon. Oh wie ich es hasste, im Büro zu telefonieren, doch das hätte ich mir nie anmerken lassen, als ich sah, wer mich anrief.

"Guten Morgen an die Chefin der Personalabteilung"
"Was möchten Sie mit mir besprechen Herr Carter?" Huch, jetzt hatte ich doch so gewirkt, als wollte ich nicht telefonieren.
"Es gibt ein Meeting der Chefs in 10 Minuten. Sie, Herr Anderson und ich."
"Was ist mit Frau Merige?"
"Oh, die hat gekündigt. War wohl wegen irgendetwas nicht zufrieden." Okay, das musste ich dann doch erst mal verdauen. Das war die Chefin der Finanzabteilung. Gut bezahlter Job. Super Location. Wer hier von sich aus kündigte hatte einen Knall. Oder aber der Big Boss hatte sie gezwungen. Ja, das war logischer.
"Ach so. Na dann. In 10 Minuten."
"Sie kommen jetzt gleich. Wichtig" Dann legte er auf.
Klar, ich komme, murmelte ich beleidigt. Vielleicht bekam ich ja eine Gehaltserhöhung. Ich war gespannt.

Ich ging vorbei an seiner Sekretärin, die mich mit einem "Halööööchen" grüßte.
Arghh, das konnte ich gar nicht ausstehen und ging, ohne ihre Begrüßung zu erwidern, in das Büro von Herr Carter.
"Ach, das ging aber jetzt schnell, Foss."
"Immer noch Frau Foss." Er überging meine Bemerkung mal wieder.
"Sie werden neue Chefin der Finanzabteilung. Sie haben Ahnung in dem Bereich und bekommen außerdem mehr Gehalt. Bis morgen den Vertrag unterschreiben - oder eben nicht." Er hielt mir eine Mappe unter die Nase.
Okay, was!? Ich wurde Chefin der Finanzabteilung. Wow!
"Okay, ich bringe ihn Ihnen morgen wieder."
"Perfekt. Und sagen Sie den anderen noch nichts, das wird erst nächste Woche bekanntgegeben."
"Okay."
"Herr Anderson wartet schon, beginnen wir mit unserer monatlichen Chefsitzung."

Zwei Stunden später war die Sitzung vorbei. Ich mochte diese Sitzungen nicht. Ich dachte, keiner mochte die.
Ich ging zurück in mein Büro und merkte, dass Elly, meine Sekretärin als sie mich sah, schnell etwas in ihren Computer eintippte. Daraufhin schauten alle erschreckt auf und begannen zu arbeiten. Das interne Kommunikationssystem erfüllte voll und ganz seinen Sinn und Zweck. Ich fühlte mich wie in dem Film "Selbst ist die Braut".

Elly konnte ich sowieso schon nie leiden. Doch Kaffee kochen und Kopieren ging bei ihr noch gerade so. Ihr Geläster machte mir nichts aus. Gar nichts!

In meinem Büro angekommen fing ich dann an, zu arbeiten. Das lenkte mich immer wunderbar ab, wenn ich mal wieder zu den Spielchen von Elly wurde. Doch niemand merkte, dass es mich traf. Niemand.
Oh, ich feuerte Elly nicht, weil sie wie alle anderen war. Nur nicht ganz so schlimm.

Um halb zwei merkte ich, dass ich schon längst Mittagspause gehabt hätte. Ich schnappte mir mein neuestes Buch und verzog mich in den Park.
Als ich aus meinem Büro kam, hörte ich schon das Getuschel.
"Hat mir jemand etwas zu sagen? Nein? Wie wäre es mit arbeiten?" Einige lachten verhalten.
"AN DIE ARBEIT!", schrie ich. Jetzt war es ruhig. Das Gefühl, dass mich durchströmte war angenehm, willkommen.
Ich war der Boss.

Ich ging in den Park. Doch alle Bänke waren besetzt. Toll!
Ich wollte aber jetzt nicht meine gesamt Mittagspause herumlaufen, deswegen setzte ich mich einfach auf eine Bank auf der bereits jemand mit einer Zeitung vor dem Gesicht saß. Ich schlug mein Buch auf Seite 347 auf und begann zu lesen.
Ich einmal sah ich einen nassen Tropfen auf dem Papier. Regnete es?
ich sah in den Himmel, doch ich konnte nichts erkennen. Meine Augen waren feucht. Ich weinte.
Ich las immer schneller und schneller, bis ich gar nichts mehr erkennen konnte, so sehr weinte ich.
Die Zeitung neben mir raschelte. Ich schaute auf.
NEIN! Das konnte jetzt nicht sein. Das war mein Big Boss.
Er schaute nur seltsam und reichte mir ein Taschentuch. Doch ich nahm es nicht an und stand von der Bank auf.
Gemessenen Schrittes ging ich zurück ins Büro. Ich betrachtete mich in einem Schaufenster. Man sah nicht, dass ich geweint hatte. Das sah man bei mir fast nie.
Da klingelte mein Handy.
"Juliette Foss", ging ich ran.
"Hallo, hier Mad Thalen. Ich rufe wegen dem Interview an, das Sie mir angeboten hatten." Ich war geschockt. Erfreut geschockt. Mad würde das Interview geben. Ich hatte ihn schon so oft gefragt. Juhu!
"Klar geht das Mad. Sie sind ein wirklich toller Autor! Morgen hätte ich einen Termin um 12.30 Uhr oder nächste Woche Mittwoch 11.00 Uhr."
"Ich nehme den Termin morgen."
"Ich habe es mir notiert. Bis morgen, Mad."
"Bis morgen, Frau Foss." Ja, ich hatte es geschafft, Mad zu einem Interview zu bekommen. Doch Timo Spencer offensichtlich nicht. Leider würde ich mich von ihm trennen müssen.

Ich ging zurück ins Büro. Und dann auf direktem Weg zu Herr Spencers Büro.
Ich ging hinein.
"Hey, können Sie nicht wenigstens anklop...", er sprach seinen Satz nicht fertig.
"Oh, tut mir leid, ich habe Sie nicht erkannt. Es tut mir so leid." Fehlte nur noch, dass er den Boden küsste.
"Herr Spencer, Sie sind gefeuert."
"W-Was?"
"Ja, ja. Sie haben schon richtig verstanden. Sagt Ihnen ein Interview mit Mad Thalen etwas? Nein, wahrscheinlich nicht, denn Sie haben ihn nie gefragt. Das hätten Sie nicht tun sollen. In einer Woche sind Sie hier weg."
Ich ging aus seinem Büro hinaus und sah noch, dass er mir folgte.
Och Timo, tu's nicht, murmelte ich noch.
"Sie Arschloch, Sie gefühlloses Wesen! Sie feuern mich doch bloß, weil Sie etwas Spaß in ihrem erbärmlichen Leben haben wollen. Weil Privatleben haben Sie ja sowieso keines! Ich-"
"Noch ein Wort und ich sorge dafür, dass keine andere Firma Sie annimmt."
"Sie-"
"Noch ein Wort."
Er drehte sich um und knallte seine Bürotür zu.
"Was schauen Sie so? Will noch jemand gefeuert werden?"
Alle fingen wieder an, zu arbeiten.

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