Kapitel 15

436 12 1
                                    

„Du hast diese Bücher bekommen?!
Einige dieser Autoren geben ihre Bücher fast keinem Verlag. Wie hast du das gemacht?!"

Ha! Er war begeistert. Und mein kleines Lob hatte ich doch noch bekommen.

„Tja... also weißt du, ich beschäftige mich eben schon seit langem mit einigen der Autoren und kenne die Arten. Ihre Fangfragen konnte ich deshalb alle recht gut beantworten."
„Du erstaunst mich. Vielleicht sollte ich öfter wegbleiben."
„Haha, wag es ja nicht."
Doch auch der lockere Tonfall seiner Stimme konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihn irgendetwas belastete.

Ich war mir jedoch nicht sicher, ob ich ihn fragen sollte.
Seit wann dachte ich über so etwas eigentlich nach?
Und wieso stellte ich mir in letzter Zeit so viele rhetorische Fragen?

Ich hatte mich verändert.
Äußerlich nicht aber innerlich.
Und ich musste mir eingestehen, dass Andrew dabei einen großen Teil der Schuld auf seiner Kappe hatte.

Ich glaubte, dass es mir besser ging.
Ich war... glücklicher.
Das erste Mal in meinem Leben verspürte ich ein kleines Sandkorn des Glücks.

„Juliette? Wollen wir es so machen, dass wir jetzt die Bücher lesen und dann nachher eine Runde durch Paris gehen?"
„Erster Teil: Ja. Zweiter Teil: Weiß ich noch nicht."
„War klar." Er lachte und obwohl ich das gar nicht lustig finden sollte zuckte es zum dritten Mal in meinem Leben in meinen Mundwinkeln.

Er beugte sich zu mir hinüber.
„Das Lächeln steht dir."
Dann strich er zart über meine Wange.
Ich rührte mich nicht.
Kuss?!
Doch dann war der Moment vorbei und er lehnte sich wieder zurück.
Kurz sah er mich irritiert an, doch dann schnappte er sich einfach eines der Bücher und ging aus dem Zimmer, um es zu lesen.

Eine Stunde oder auch zwei Stunden später schlossen wir die Zimmertür hinter uns.
Ich hatte meinen Mantel an und er einen Anorak, der ihm ausgezeichnet stand.
Er sah mal wieder sexy aus!
STOPP!
Ich durfte nicht schwach werden.
Nicht bevor ich wusste, ob ich ihm vertrauen konnte.

Erst da realisierte ich, was ich da gesagt hatte.
Wenn ich ihm vertrauen konnte, wollte ich es versuchen.
Ich wollte jemanden lieben!
Und nicht nur jemanden, sondern ihn!

Ich kannte ihn seit zehn Jahren und nie war mir auch nur in den Sinn gekommen, dass ich etwas für ihn empfinden würde.
Doch jetzt - ich war mir nicht sicher, vielleicht war es die Reise gewesen, vielleicht aber auch, weil ich in den letzten Tagen so oft über meine Situation nachgedacht hatte, ich empfand Liebe.
Verlangen.
Begierde.
Lust.
Leidenschaft.
Hoffnung.
Und ich wünschte mir Vertrauen.

„Hey, Juliette! Hörst du mir zu?"
„Ähm... Was? Nein! Wie bitte?"
Er schaute mich genervt und auch etwas verärgert an.
„Wollen wir zum Fluss gehen?"
„Tut mir leid! Ja, warum nicht..."
„Ist schon okay. Dann mal los."

Wir gingen durch einige Straßen, die um diese Uhrzeit sehr befahren waren und gelangten irgendwann beim Park an.
Wir liefen den Weg, der mit kleinen Kieseln bestreut war entlang, als mich plötzlich jemand am Po berührte.
Ich fuhr herum.
Der Mann, ich kannte ihn nicht, machte Anstalten, mir auch noch an die Brust zu fassen.
Hier in der Öffentlichkeit!
„Finger weg!", fauchte ich und trat einen Schritt zur Seite.
Doch dieser Blödmann dachte gar nicht daran.
„Arrête!" Ich probierte es auf Französisch.
Wieder ging ich zur Seite.
Dadurch wurde auch Andrew auf den Perversling aufmerksam und kam schnell zu mir.
„Hauen Sie ab!"
Da hob der Mann seine Faust, um Andrew zu schlagen.
„Andrew! Achtung!"
Doch der dachte gar nicht daran, sich mit mir zu entfernen.
„Du willst Schläge? Die bekommst du! Man fasst nicht einfach so eine Frau an! Besonders nicht, wenn es sich um meine Freundin handelt."
Nachdem er das gesagt hatte, steckte er den ersten Schlag ein.
Der Mann hatte ihn direkt in den Bauch geschlagen.
Doch anders als erwartet taumelte Andrew nicht und ich bekam den Verdacht, dass er im Verein boxte.

ChefetageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt