Kapitel 39 - Ist das möglich?

3.9K 295 0
                                    

Dementsprechend überraschend war die Tatsache, dass sie sich wortlos auf die Bettkannte setzte und ich das verräterische Glitzern in ihren Augen bemerkte.

Tränen.

Sie hob die Hand, als würde sie mir über die Wange streichen und sich vergewissern wollen, dass es mir auch wirklich gut ging, verharrte jedoch und ließ den Arm wieder sinken.

„Was hast du dir bloß dabei gedacht?", stieß sie hervor und klang nun doch ziemlich wütend.

„Ich konnte nicht nachdenken!", entgegnete ich.

„Nein, du hast überhaupt nicht gedacht! Das ist das Problem! Weißt du, was dir alles hätte passieren können?"

Ich konnte es mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen, wurde jedoch sofort von meinen Kopfschmerzen sowie einem bösen Blick meiner Tante bestraft.

„Ich weiß, ich hätte draufgehen können und so weiter", murmelte ich dramatisch.

„Darüber macht man keine Witze!", explodierte Elara urplötzlich und ich schrak zusammen. Ihre Magie kribbelte auf meiner Haut und schien um sie selbst zu pulsieren. Schnell ruderte ich zurück.

„Tut mir leid."

Meine Tante holte tief Luft.

„Schon gut. Ich- ... vergiss es. Was genau ist passiert? Ich weiß, dass Mara und du dem Mädchen, das angegriffen worden ist, helfen wolltet, doch dann warst du plötzlich verschwunden. Eine Stunde später trägt Derek Hilbour dich verletzt und bewusstlos aus dem Wald."

„Ich wollte helfen, doch dann habe ich Magie gespürt. Dieselbe Art von Magie, als Mara angegriffen wurde. Sie fühlte sich böse an und instinktiv bin ich der Spur in den Wald gefolgt. Es war unheimlich. Irgendwann änderte sich die Intensität der Magie nicht mehr und ich bin stehengeblieben. Dann war da ein Mensch. Jedenfalls habe ich einen Mantel oder so was gesehen, bevor ich niedergeschlagen wurde. Und dann waren da diese Augen." Ich unterbrach mich und schauderte.

„Augen?"

„Sie waren blutrot und haben mich förmlich durchbohrt. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll."

Das Gesicht meiner Tante verfinsterte sich schlagartig und ich ahnte, dass sie etwas ahnte.

„Elara? Wer war das?"

Sie zuckte kaum erkennbar zusammen.

„Ich weiß es nicht."

Das war nicht die Antwort, die ich haben wollte.

„Du weißt es! Oder du hast zumindest eine Vermutung! Also?"

Die Miene meiner Tante wurde hart.

„Du hast dir das wahrscheinlich nur eingebildet."

„Eingebildet?!" Jetzt ging sie aber wirklich zu weit! Verärgert setzt ich mich auf und ignorierte die pochenden Kopfschmerzen, die wie ein Presslufthammer gegen meine Stirn klopften.

„Ist das dein Ernst? Ich habe mir das alles nur eingebildet, ja?"

„Du hast einen Schlag auf den Kopf bekommen. Da sieht man schon mal Dinge, die nicht existieren."

Wut kochte brodelnd in mir hoch.

„Du willst doch bloß nicht zugeben, dass es möglich sein könnte!"

„Was soll möglich sein?", entgegnete sie kühl und auch in ihren Augen blitzte der Zorn.

„Tu nicht so scheinheilig!", fauchte ich und Elara erhob sich mit eisiger Miene, die Lippen fest zusammengepresst. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und machte Anstalten zu gehen, doch ich würde das nicht so auf mir sitzen lassen.

„Raven Dragoni!", rief ich ihr hinterher und sie erstarrte, als hätte man sie eingefroren.

„Du glaubst, dass er es gewesen sein könnte, stimmt's?"

Unheimlich langsam wandte sie sich erneut mir zu.

„Er kann es nicht gewesen sein", sagte sie und klang dabei so, als müsste sie sich selbst überzeugen.

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich nun endgültig herum und ließ mich allein. Seufzend kuschelte ich mich wieder in die Kissen, doch ich kam nicht dazu, mich auch nur ansatzweise auszuruhen, denn Mara, Ethan und Will stürmten in den Raum.

„Hannah!" Meine beste Freundin klang völlig außer sich vor Sorge, doch bevor sie komplett hysterisch werden konnte, hielt Ethan ihr den Mund zu, was sie aus dem Konzept zu bringen schien. Und während sie sich empört zu Ethan umdrehte, küsste Will mich sanft auf die Lippen. Seine eisblauen Augen strahlten Wärme und Ruhe aus und ich entspannte mich etwas.

„Wie geht es dir?", raunte er und ich lächelte leicht.

„Bis auf die Kopfschmerzen ist alles gut."

„Alles gut, ja?", schimpfte Mara mit in die Seite gestemmten Händen und starrte mich böse an. „Du verschwindest einfach und wirst halb tot aus dem Wald getragen! Und das nennst du gut?!"

„Mara, beruhige dich, bitte", sprang Ethan ein, doch auch in seinem Blick lag eine Mischung aus Neugier und Sorge.

„Ich bin ruhig!"

Ich warf Will einen vielsagenden Blick zu und wir beide grinsten uns an, denn Mara war mit den hektischen roten Flecken im Gesicht alles andere als ruhig.

„Okay. Okay. Alles in bester Ordnung", entgegnete Mara und bemühte sich, tief durchzuatmen. „Aber erzähl endlich!"

So berichtete ich nun auch meinen Freunden, was passiert war, haderte jedoch mit mir, ihnen auch von meiner Vermutung Raven Dragonis betreffend zu erzählen. Aber mir war auch bewusst, dass wenn ich vorhatte, auf eigene Faust nach Beweisen zu suchen, ich ihre Hilfe brauchen würde.

„Gut und jetzt haltet mich bitte nicht für verrückt", gab ich mir einen Ruck und die drei sahen mich fragend an.

„Ich glaube, es könnte Raven Dragoni gewesen sein."

Das Schweigen, das darauf folgte war mir Antwort genug und verletzte mich, auch wenn ich insgeheim damit gerechnet hatte.

„Ihr glaubt mir nicht, oder?"

„Na ja", setzte Mara zögerlich an. „Du musst zugeben, es klingt ziemlich weit hergeholt."

„Und außerdem hätten die AFE oder die Wächter irgendein Anzeichen fremden Eindringens feststellen müssen", schloss Ethan sich an und putzte heftig seine Brille, was bewies, wie unwohl er sich fühlte.

„Hast du Direktorin Frey denn schon gefragt, was sie davon hält?", wollte Mara nun wissen.

„Sie weiß irgendwas, streitet aber genauso ab, er könnte es gewesen sein", brummte ich verstimmt.

Herausfordernd sah ich Will an, der bis jetzt kein Wort dazu geäußert hatte.

„Und was glaubst du?" Mein Tonfall klang wahrscheinlich ein bisschen angriffslustiger als geplant, denn seine Augen wurden ein wenig schmaler.

„Es mag vielleicht verrückt klingen, doch ich halte es nach allem, was hier bisher passiert ist, nicht für unmöglich. Ich meine, erinnert euch an all die Elementarys, die ihre Kräfte verloren haben, an deine Erinnerungslücke, Mara. Wer außer einer wie er könnte dafür verantwortlich sein?"

Mir wurde warm ums Herz. Will glaubte mir und das reichte fürs erste, um mich zu besänftigen.   


Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt