Kapitel 38 - Blutrote Augen

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Elara schien meine Sorge um sie wirklich ernst zu nehmen und hielt sich die nächsten Tage zurück, was die Arbeit anging, sodass sie ziemlich schnell wieder fit war. Auch die Anzahl schniefender Schüler nahm ab und an den volleren Klassen war deutlich zu merken, dass die Erkältung erfolgreich überwunden wurde.

So stand ich in der Pause mit Mara auf dem Campus. Schülergruppen schlenderten lachend und schnatternd über die Wiese, trotz des schlechten Wetters. Der Himmel war wolkenverhangen, ein kalter Wind pfiff uns um die Ohren und es lag der Geruch von Regen in der Luft. Ich kuschelte mich fest in meine Jacke und wünschte mir, Will wäre hier. Mit seiner Feuermagie würde er die Kälte im nu vertrieben haben, doch mein Freund war dummerweise leider von Derek abkommandiert worden. Er sollte irgendwelche Waffen testen.

„Wann ist diese Pause endlich vorbei?", bibberte Mara. „Du hast ja keine Ahnung, wie ich mich freue, gleich bei Direktorin Frey im Unterricht zu sitzen. Da ist es wenigstens warm."

„Keine Ahnung", erwiderte ich und vergrub die Hände in den Jackentaschen.

„Lass uns ein Stück laufen", schlug meine Freundin vor und ich nickte. „Vielleicht finden wir Ethan irgendwo."

Mit gesenkten Köpfen liefen wir über den Campus und boten dem Wind die Stirn, bis mir etwas in den Sinn kam.

„Mara, warte mal."

„Was denn?"

„Wenn ich Wind erzeugen kann, kann ich ihn doch bestimmt auch umlenken."

„Kann sein."

Ich zog die Hände aus den Taschen und konzentrierte mich auf die warme Energie in meinem Inneren. Prickelnd floss die Magie durch meine Arme bis hin zu meinen Fingerspitzen. Ich konnte die Strömung der Luft spüren, fühlte ihre Bewegungen wie Federn auf der Haut. Vorsichtig führte ich meine Hände nach rechts, die Handflächen nach vorne gerichtet. Der Wind, der eben noch meine Haare zerzaust hatte, gehorchte, wenn auch nur widerwillig und wehte nun nach rechts. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich genoss dieses Kribbeln der Magie.

„Hannah!"

Maras aufgeregter Schrei ließ mich zusammenzucken und ich wirbelte herum, wobei ich die Verbindung zu meinen Kräften unterbrach und der Wind mir mit voller Wucht ins Gesicht rauschte. Ich schnappte nach Luft.

„Was?"

„Da!"

Mit der Hand deutete sie auf eine kleine Traube von Schülern unweit von uns entfernt, die sich scheinbar um jemanden versammelt hatten.

„Oh nein, nicht schon wieder", murmelte ich entsetzt und rannte los. Mara folgte mir. Wir ahnten beide, was dort passiert war. Ein weiterer Angriff.

Kaum hatten wir die Gruppe erreicht, fiel mein Blick auf die am Boden liegende Gestalt. Es war ein Mädchen nicht älter als wir. Ich kannte es nicht und doch versetzte mir ihr Anblick einen Stich. Alle starrten das Mädchen an, doch niemand machte Anstalten, ihr zu helfen. Mara ergriff die Initiative und auf ihre Aufforderung hin, setzten sich auch einige andere in Bewegung.

Ich wollte ebenfalls behilflich sein, als ich es spürte. Wie ein eiskalter Windstoß fuhr es mir durch Mark und Bein und ließ mich erstarren.

Magie.

Dunkle Magie.

Böse Magie.

Es war die gleiche wie bei Maras Angriff. Ich wusste nicht, woher ich das nahm, doch ich war fest davon überzeugt. Sie stach unangenehm auf meiner Haut und ich ließ meinen Blick hektisch umher wandern. Der Täter musste noch in der Nähe sein. Ich versuchte, die Quelle der Magie auszumachen, als diese plötzlich schwächer wurde. Unauffällig entfernte ich mich von der Gruppe, vollkommen auf die fremde Kraft fixiert und folgte ihrer Spur in Richtung Wald. Kaum hatte ich die ersten Bäume hinter mir gelassen, wurde es deutlich dunkler. Der Wind brachte das Geäst zum Knarren und Ächzen, sodass mir ein Schauer über den Rücken lief. Doch ich hatte nicht vor, umzudrehen. Zum ersten Mal seit dem ersten Überfall hatte ich eine Spur und die würde ich nicht einfach verschwinden lassen! Entschlossen stapfte ich weiter, konzentrierte mich auf das Prickeln auf der Haut. Wurde es schwächer, änderte ich die Richtung, verstärkte es sich, wusste ich, dass ich richtig lag. Eine Weile irrte ich so durch den Wald, wich hängenden Ästen aus, die Ihre Zweige nach mir auszustrecken schienen, verhedderte mich mehr als einmal in dornigem Gestrüpp und stolperte über Wurzeln. Die einzigen Geräusche waren das Knirschen der Blätter unter meinen Füßen sowie mein schneller Atem. Ich spürte mein Herz gegen den Brustkorb hämmern, blieb kurz stehen und zwang mich zur Ruhe.

„Jetzt bloß keine Panik kriegen", murmelte ich und bemerkte, dass das Stechen auf meiner Haut sich nicht veränderte. Der Täter musste ganz in der Nähe sein. Unwillkürlich hielt ich die Luft an und fühlte mich völlig schutzlos. Es war totenstill. Kein Vogel zwitscherte, keine Maus huschte durch das Unterholz. Selbst der Wind hatte sich gelegt, dafür fielen die ersten Regentropfen durch die Bäume und klatschten mir kalt auf den Kopf.

Ein Ast knackte und ich wirbelte herum. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Gestalt. Ein Mantel flatterte. Dann explodierte der Schmerz in meinem Kopf und der Wald kippte zur Seite. Ich schlug unsanft auf dem Boden auf. Grelle Flecken tanzten vor meinen Augen und ich kämpfte krampfhaft gegen die Bewusstlosigkeit an. Jemand beugte sich über mich und ich blickte in zwei blutrote Augen, die bösartig funkelten, bevor die Dunkelheit mich überwältigte.   

******** 

„Nicht!" Mit einem Schrei fuhr ich hoch und stöhnte auf, als der Schmerz hinter meinen Schläfen aufflammte. Hektisch sah ich mich um und erkannte den Krankenflügel. Wie war ich hier gelandet?

„Hannah, alles ist gut", sagte jemand sanft und meine Mum drückte mich mit besorgtem Gesichtsausdruck in die Kissen zurück.

„Mum, der Mann! Er war im Wald! Er ist es gewesen! Seine Augen-"

„Hannah!"

Die Stimme meiner Mutter klang streng und ich verstummte. Noch immer glaubte ich den grausamen Blick des Fremden zu spüren, der mich durchbohrte wie ein Schwert.

Ich schwieg einige Sekunden, während die Kopfschmerzen unaufhörlich hinter meiner Stirn pochten, doch dann erhob ich erneut die Stimme.

„Kann ich mit Elara reden?"

Meine Mutter seufzte und ich konnte sehen, dass sie gerne etwas losgeworden wäre, es sich aber verkniff.

„In Ordnung. Deine Freunde machen sich übrigens große Sorgen um dich und du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar es war, als Derek dich herbrachte. Durchnässt, dreckig, verletzt. Hannah, du hast mir solche Angst gemacht." Jetzt zitterte die Stimme meiner Mutter und ich schluckte.

„Es tut mir leid", wisperte ich.

„Wir reden nachher. Ich hole Elara." Sie gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ den Raum. Ich schloss die Augen und spürte die Erschöpfung in jedem Knochen meines Körpers. Und wieder sah ich diese grausamen Augen und riss meine eigenen auf. Ich wollte jetzt an nichts denken, sondern einfach auf meine Tante warten, die Minuten später in den Krankenflügel gerauscht kam und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde ich mir wohl als erstes eine Strafpredigt anhören müssen..

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWhere stories live. Discover now