Kapitel 33 - Nacht-und-Nebel-Aktion

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Kalter Wind pfiff mir um die Ohren und zerrte an meinen Haaren. Der Aufprall raubte mir den Atem. Schmerz zuckte durch mein Fußgelenk und ich sog scharf Luft ein. Aber immerhin war ich auf den Füßen gelandet. Hastig rappelte ich mich hoch, testete meinen Fuß und atmete erleichtert auf, als ich auftreten konnte, ohne, dass es wehtat.

Dann schlich ich lautlos wie ein Schatten über das Campusgelände. Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Finsternis und trotzdem beschlich mich ein unheimliches Gefühl. Ich beschleunigte meine Schritte, konzentrierte mich nur auf den Weg vor mir und verdrängte die unterschwellige Angst. Steine knirschten unter meinen Füßen, als ich den schmalen Schotterweg zu unserem Treffpunkt einschlug und irgendwo knackte es.

„Hannah. Hier her", zischte jemand und ich drehte mich nach links, wo ich zwei dunkle Gestalten entdeckte. Mara und Will.

„Wie spät ist es?", wisperte ich.

„Fünf vor um", erwiderte Mara und das Licht ihres Handys tauchte ihr Gesicht in einen schwachen Schein.

„Hat euch jemand gesehen?"

„Nein."

„Gut." Dann schwiegen wir. Die Minuten zogen sich wie Kaugummi in die Länge und ich tippte nervös mit meinen Fingern auf den Griff meines Schwertes. Es konnte so viel schief gehen. Doch noch bevor ich mich in Horrorszenarien verlieren konnte, vibrierte Maras Handy.

„Es kann losgehen. Die Zeit läuft. Ethan gibt uns zwanzig Minuten."

„Okay", sagte Will und schlich davon. Mit klopfendem Herzen folgten wir ihm zur Tür, die nur wenige Sekunden später beinahe lautlos aufschwang.

„Wie hast du-?", flüsterte ich beeindruckt, aber er legte mir seinen warmen Finger auf den Mund und ich verstand. Hintereinander schlichen wir mit gezogenen Schwertern die steile Treppe hinunter in den Rachen der Dunkelheit. Im Kopf zählte ich die Schritte.
42, 43, 44, 45.

Gleich mussten wir auf den Wächter treffen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und mein Atem dröhnte in meinen Ohren. Da flammte eine Feuerkugel in Wills Hand auf und wir blickten in das vor Überraschung gezeichnete Gesicht eines Mannes. Bevor der auch nur einen Ton von sich geben konnte, rammte Will ihm den Knauf seines Schwertes gegen die Stirn und er sackte bewusstlos zu Boden. Ich gab Mara mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie hier Schmiere stehen sollte, während Will sich schon an dem Türschloss zu schaffen machte. Ich blickte auf die Anzeige meines Handys. Es waren gerade mal drei Minuten vergangen und mir war es wie eine Ewigkeit vorgekommen. Plötzlich klickte es leise und Will nickte mir zu. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und spähte ins Innere. Meine Hände waren schweißnass vor Aufregung und zitterten leicht.

„Die Luft ist rein", wisperte er und schlüpfte durch den Spalt. Ich schluckte und tat es ihm gleich. Das Gefängnis glich einer Kuppel. Hohe Wände, eine gewölbte Decke. Schwaches Licht erhellte den Raum und ich war unendlich froh, endlich wieder etwas sehen zu können. Mein Blick suchte nach der Direktorin und da erblickte ich sie. Sie saß gefesselt an einem metallischen Tisch. Schnell steckte ich mein Schwert weg und rannte auf sie zu. Auch sie schien uns bemerkt zu haben und ihre grünen Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Hannah? Was machst du hier?"

„Wir holen Sie jetzt hier raus. Will? Wie viel Zeit haben wir noch?"

„Fünfzehn Minuten", erwiderte Will knapp und trat neben mich. Meine Gedanken rasten.
Fünfzehn Minuten. Meine Augen glitten über die Handschellen an Elaras Handgelenken und der dunkel schimmernden Manschette. Die Direktorin folgte meinem Blick.

„Will? Meinst du, du kriegst das durchgeschmort?", fragte ich und deutete auf die Kette zwischen den Handschellen.

„Ich hoffe es." Damit kniete er sich auf den Boden und entfachte eine glühende Flamme. Angespannt sah ich zu, wie das Feuer an dem Metall leckte. Quälend langsam begann es zu glänzen, als es schmolz. Wills Kiefermuskeln mahlten vor Konzentration aufeinander und ich kaute auf meinen Lippen herum.
Unruhig wanderte mein Blick umher und erst jetzt fiel mir auf, dass die Direktorin im schummrigen Licht ziemlich bleich aussah und ein Bluterguss an ihrer Schläfe schimmerte.

„Was haben die Ihnen angetan?", wollte ich wissen, während die Wut in mir hochkochte und meine Magie zum Brodeln brachte.

„Nichts, das nicht wieder heilt", erwiderte die Direktorin scharf.
Da vibrierte mein Handy und ich riss es aus meiner Hosentasche.

„Ja?"

„Hannah, ihr müsst sofort verschwinden!", drang Maras panische Stimme an mein Ohr. „Ethan hat mir geschrieben, dass was schief gegangen ist. Sie haben viel zu schnell herausgefunden, dass das System gehackt wurde."

„Verdammt", hauchte ich, während mein Atem sich beschleunigte.

„Hannah! Was ist los?", wollte Will wissen und sah mich mit Beunruhigung in den Augen an, während das Metall der Handschellen vor seine Füße tropfte und eine silberne Pfütze bildete. Dann ging alles ganz schnell. Am anderen Ende des Saals flog eine Tür auf und AFE-Agenten stürmten mit gezogenen Waffen herein. Instinktiv riss ich mein Schwert hervor und mein Blick schnellte zwischen den Männern und Will hin und her.

„Will! Hannah! Verschwindet!", fuhr Direktorin Frey uns an, doch obwohl alles in mir danach schrie, weigerte ich mich.
Will sprang an meine Seite und begann, Feuerbälle auf die Männer zu werfen, die sich daraufhin duckten. Da stieß die Direktorin zischend Luft aus und die weichen Handschellen rissen auseinander.

Mit zusammengepressten Lippen und vor eisiger Wut funkelnden Augen fing sie das Schwert, das Will ihr zuwarf. Nun standen wir zu dritt mindestens sieben ausgebildeten AFE-Agenten gegenüber und unsere einzige Chance, hier lebend rauszukommen, konnte ihre Magie nicht einsetzen. Zahlenmäßig waren wir absolut unterlegen. Meine Finger umklammerten krampfhaft das Schwert, das sich auf einmal viel zu schwer anfühlte. Aber ehe ich länger darüber nachdenken konnte, griffen die Männer uns an. Augenblicklich wechselte mein Körper in den Kampfmodus und Adrenalin pumpte durch meine Adern. Mit aller Kraft, die uns zur Verfügung stand, stürzten wir uns auf die Männer.
Klirrend traf mein Schwert auf Metall und der heftige Schlag erschütterte meinen Körper. Ich erinnerte mich an die Kampftechniken, die Derek uns beigebracht hatte und tänzelte leichtfüßig vor der Nase des AFE-Agenten herum, der mindestens zwei Köpfe größer und fünfzig Kilo schwerer war, als ich. Trotz dieser Tatsache war mir klar, dass ich niemals gegen ihn ankommen würde und beschloss, die Sache anders zu regeln. Kurzerhand sammelte ich meine Magie, hob die Hand und legte so viel Kraft in den Windstoß, dass der Mann zurückgeschleudert wurde, dabei einen seiner Kumpels mitriss und an die Wand prallte. Zufrieden wirbelte ich herum und sah, wie Will kurz davor war, einem der Typen einen Dolch in den Körper zu rammen.

„Stopp!", brüllte ich gegen den Lärm an und Will warf mir einen überraschten Blick zu. Hastig kämpfte ich mich zu ihm durch.

„Wir können nicht riskieren, irgendjemanden zu töten, weil einer von ihnen derjenige ist, der Direktorin Frey die Manschette abnehmen kann. Und tot nützt er uns wenig."
Dann warf ich mich erneut ins Getümmel. Von den sieben Männern waren nur noch drei übrig. Elara hatte einen mit dem Knauf ihres Schwertes in Tiefschlaf versetzt und sah sich mit funkelnden Augen nach uns um.

„Achtung!", rief ich warnend, als ich den Schatten erblickte, der sich von hinten an die Direktorin heranschlich. Sie wirbelte herum, doch der Kerl hatte sie schon am Arm gepackt und begann, an der Manschette zu zerren. Augenblicklich wich das Blut aus ihrem Gesicht, sie ließ das Schwert zu Boden fallen und sank kraftlos auf die Knie.

„Nein", hauchte ich entsetzt. Der Agent hatte sich die Macht der Manschette zu nutzen gemacht und gegen Elara eingesetzt. Die beiden restlichen Männer kamen drohend auf Will und mich zu und ich presste die Lippen zusammen. Dann warf ich Will einen Blick zu und er nickte entschlossen.

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWhere stories live. Discover now