Kapitel 8 - Eskalation im Speisesaal und eine Lichtung voller Feen

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Zu meiner Überraschung erschien Mara später tatsächlich zum Abendessen, obwohl ich verstanden hätte, wenn sie auf ihrem Zimmer geblieben wäre. Sie beteiligte sich an Ethans und meinem Gespräch, als sei nichts geschehen, doch ich konnte den Schmerz und die Trauer hinter ihrer Fassade aus vorgetäuschter Freude erkennen und es tat mir in der Seele weh. Ethan schien davon nichts zu bemerken. Nach dem Essen trennten wir uns rasch und jeder kehrte auf sein Zimmer zurück. Ich ging sofort ins Bett.

Am Sonntagmorgen klopfte ich noch vor dem Frühstück an Maras Tür. Ich wollte nur nach ihr sehen, bevor wir uns unter Menschen begaben. Schwungvoll riss sie die Tür auf, gekleidet in volle Trainingsmontur, die blonden Haare zu einem festen Zopf geflochten.

„Hi." Ich hielt inne. „Was hast du vor?"

„Kampftraining. Ich habe gleich meine erste Zusatzstunde bei Mr. Hilbour."

„An einem Sonntag?"

„Ja. Was dagegen?"

„Nein, nein überhaupt nicht. Ich wünsche dir ganz viel Spaß." Rasch bemühte ich mich um ein Lächeln.

Mara erwiderte es nicht. Stattdessen wurde ihre Miene sanft. „Ich weiß, dass du dir Sorgen um mich machst, aber ich komme schon damit klar. Irgendwie. Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt uns auch nicht weiter. Das werde ich Flora nachher ebenfalls klar machen, denn sie läuft herum wie ein Häufchen Elend. Wir müssen einfach das Beste aus der Situation rausholen. So schwer es auch sein mag, okay?"

Ich holte tief Luft. Ihre positive Sichtweise auf die Dinge hatte mir ein wenig die Sprache verschlagen. „Okay."

„Dann sehen wir uns später, ja?"

„Na klar. Mach sie alle fertig."

„Immer." Sie schnappte sich ihre Sporttasche und war schon an mir vorbei. Seufzend blickte ich ihr hinterher. Dann würde ich mich mal um meine Aufsätze kümmern. So verbrachte ich den restlichen Tag in der Bibliothek, vergrub meine Nase in Büchern und betrieb einen Schreibmarathon bis meine rechte Hand zu schmerzen begann. Dummerweise schweiften meine Gedanken dabei entweder zu Mara oder zu Flora oder – zu meiner besonderen Verärgerung – zu Will. Es war wie verhext und so kam es, dass ich schließlich Wörter aufschrieb, die überhaupt nicht in den Kontext gehörten und mein Text schlussendlich mit Dutzenden durchgestrichenen Worten versehen war. Das konnte ich so niemals abgeben. Mein Perfektionismus zwang mich dazu, das Ganze noch einmal zu schreiben und diesmal konzentrierte ich mich auf das Wesentliche. Bis in den späten Nachmittag saß ich mir den Hintern platt. Mein Kopf rauchte, mein Magen knurrte, meine Augen brannten und ich sehnte mich nur noch nach Schokolade und meinem weichen Bett. Mein Vorhaben, mir endlich die Akte meines Vaters anzusehen, verschob ich. Dazu war ich viel zu erledigt. Dieses Gefühl schlich sich in den darauffolgenden Wochen leider viel tiefer ein als mir lieb war. Der Herbst hielt Einzug, die Blätter der Ahornbäume färbten sich leuchtend gelb-orange, die Tage wurden kürzer und die Hitze wich kühleren Temperaturen. Zu gerne wäre ich öfter auf dem Campus spazieren gegangen und hätte meinen ersten goldenen Kanadaherbst genossen, doch die Lehrer der Akademie kannten keine Gnade. Es regnete Hausaufgaben, unangekündigte Tests und noch mehr Hausaufgaben. Mara bekam ich höchstens im Unterricht oder beim Mittagessen zu Gesicht, denn sie verbrachte jede Minute mit Kampftraining. Ethan leistete mir ab und zu Gesellschaft in der Bibliothek, half mir bei Mathe, während ich seine Aufsätze Korrektur las. Eines Abends tauchte Will aus heiterem Himmel an unserem Tisch auf und nickte mir sacht zu, ehe er Ethan um Hilfe bei irgendeinem technischen Problem bat. Am nächsten Morgen war er wieder da, beim Mittagessen wieder. Ethan schien sich daran nicht zu stören und mich stimmte es fröhlich. Mara sagte nichts dazu sondern bedachte mich bloß mit einem vielsagenden Blick, der mir die Röte in die Wangen steigen ließ. Was sollte ich denn machen? Will sagen, dass er sich an einen anderen Tisch setzen sollte? Na da konnte sie warten bis sie schwarz wurde. So schön diese dreißig Minuten des Essens auch waren, so niederschmetternd waren die weiteren Fälle von Magieverlust, von denen Mara mir berichtete. Ihr Kurs bei Mr. Hilbour wuchs um acht Elementarys innerhalb weniger Tage. Darunter sowohl Schüler als auch Lehrer. Es war erschreckend.

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt