Kapitel 14 - Furchtbare Neuigkeiten

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So sehr ich versuchte, meiner Freundin zu glauben, so sehr hatte sich der Zweifel in mein Gehirn gebrannt, dass es nicht so war. Und dann war da ja noch die Sache mit meiner Mum und den seltsamen Anspielungen auf meinen Vater. Und nicht zu vergessen, ein paar eisblauer Augen, die mich ziemlich aus dem Konzept brachten, obwohl ich das überhaupt nicht beabsichtigte. Ich unterdrückte ein Seufzen. Wann, um alles in der Welt, sollte ich mich um all diese nicht gerade wenig komplizierten Dinge kümmern? Mir fehlte einfach die Zeit. Vor allem, weil ich mich auch noch auf den Unterricht konzentrieren musste und die Lehrer uns in den Tagen nach dem Fest mit Hausaufgaben vollstopften, sodass ich abends nur noch vollkommen erschöpft in mein Bett fiel und sofort einschlief.

Flora erschien nicht zum Unterricht und auch sonst war sie nicht zu finden. Wahrscheinlich ging es ihr doch nicht so gut, wie sie behauptet hatte. Meine Sorge um sie hielt sich in Grenzen und doch ging mir der Vorfall nicht aus dem Kopf. Auch meine Mum bekam ich kaum bis gar nicht zu Gesicht, da sie voll und ganz mit Schulkram beschäftigt war, den Elara ihr aufdrückte und so kam ich nicht dazu, das Gespräch über meinen Dad fortzuführen.

In meiner minimal verbliebenen Freizeit, suchte ich in der Bibliothek nach Hinweisen zu meinem Vater oder irgendetwas, das auf ihn, in Zusammenhang mit Raven Dragoni hindeuten könnte, aber nachdem ich Stunde um Stunde, erfolglos staubige Bücher durchgeblättert hatte und schließlich sogar meine Freunde mitgeholfen hatten, gab ich es auf.

Es schien, als hätte es niemanden gegeben, der Ravens engster Vertrauter gewesen war. Kein einziger Satz, nicht einmal ein Verweis machte die Existenz einer solchen Person deutlich. Zum gefühlt tausendsten Mal seufzte ich - inzwischen genervt - auf und legte das Buch, das ich gerade durchgeblättert hatte, auf den Tisch, auf dem sich die Wälzer nur so stapelten. Müde rieb ich mir die Augen. Dämmriges Licht fiel durch das große Fenster und ich knipste die kleine Leselampe neben mir an. Die Bibliothek war fast leer und ich genoss die Ruhe, die mich umgab.
„Auf ein neues", murmelte ich und packte ein dickes, großes Buch mit verschnörkelter Schrift. Aber auch das eingestaubte Buch brachte mir keine Erkenntnisse. Dafür erfuhr ich eine ganz erschreckende Menge an gruseligen Informationen über den anderen Elementary mit zwei Elementen. Die Angaben zu seiner Person waren unterschiedlich und man schien sich nicht einigen zu können, ob er jetzt fünfzig oder hundertfünfzig Jahre alt war, obwohl mir letzteres eher unwahrscheinlich erschien. Soweit ich gelernt hatte, wurden wir Elementarys nicht besonders viel älter, als normale Menschen.

Ich funktionierte ein Notizheft zu meinem neuen Informationsspeicher für böse Elementarys um und machte mir seitenweise Stichpunkte zu Raven Dragoni.
-Alter: ca. 50
-Augenfarbe: schwarz oder rot (oder irgendwas dazwischen)
-Elemente: Erde und Feuer (genauso mächtig, wie Elara Frey)
-Anführer der Gorgonen (ist eine Gruppe abtrünniger Elementarys)
-tötet ohne Gnade
-Mörder meines Vaters
-soll mit Gorgonenblut experimentieren (sowas gibt es wirklich noch?)
-hat seine Seele angeblich Hades verschrieben (Hades ist der Gott des Elements Erde und Gott des Todes, der Unterwelt)
- führte Angriffe gegen unterschiedliche Einrichtungen der Elementarys durch (sogar gegen die AFE!!!)
-wurde seit Jahren nicht mehr gesehen, was verdächtig ist

Nach einer weiteren Stunde der Recherche fielen mir vor Müdigkeit fast die Augen zu und ich gähnte herzhaft. Ich klappte mein Notizheft zu, steckte es in meine Tasche und stapelte all die dicken Bücher zu einem ordentlichen Turm. Zum Aufräumen hatte ich jetzt wirklich keine Motivation mehr, denn die befand sich schon im Halbschlaf.

Todmüde knipste ich die Lampe aus und lief raschen Schrittes durch die dunklen Gänge der Bibliothek in Richtung Ausgang. Ein prüfender Blick auf die Uhr über dem Eingangstresen sagte mir, dass ich noch genau zwei Minuten bis zur Nachtruhe hatte. Ich würde es niemals pünktlich in mein Zimmer schaffen. Niemals. Da blieb mir nur die Hoffnung, dass heute meine Mum Aufsicht hatte und niemand von den anderen Lehrern.

Schnell schloss ich die mächtige Tür der Bibliothek und rannte die Treppe hinunter. Kühle Herbstluft bescherte mir eine Gänsehaut und ich beeilte mich noch mehr. Obwohl ich mich nicht einmal in der Nähe des Waldes befand, überfiel mich ein ungutes Gefühl und wieder dachte ich an Floras Unfall vor einigen Tagen.

„Verdammt, verdammt, verdammt!", fluchte ich, als ich am nächsten Morgen aufwachte und mit Schrecken feststellen musste, dass ich verschlafen hatte. Blitzschnell schlüpfte ich in eine enge Jeans, streifte meinen dunkelroten Lieblingspulli über und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. Dann schnappte ich mir meine Tasche und rannte los. Als ich gerade um die Ecke zum Unterrichtsraum sprintete, ließen eindringliche Stimmen mich abrupt innehalten.

„Mrs. Frey, es ist einfach schrecklich", sagte jemand und ich spähte vorsichtig in den Gang. Dort standen die Direktorin und eine Lehrerin, die ich bisher nur vom Sehen kannte.

„Lynn, beruhigen Sie sich", meinte Direktorin Frey ungewohnt sanft. Die Lehrerin mit dem rundlichen Gesicht holte tief Luft.

„Es geht um Flora. Sie war heute zum ersten Mal seit dem Vorfall im Wald wieder im Unterricht."

„Und?", hakte Direktorin Frey nach, als die Lehrerin schwieg.

„Sie kann ihre Kräfte nicht mehr einsetzen!"

Ich riss die Augen auf, angesichts dieser schockierenden Aussage.
„Nicht mehr einsetzen im Sinne von ...", setzte Elara Frey an, wurde jedoch von der aufgeregten Lynn unterbrochen.

„Im Sinne von sie hat keine Magie mehr, die sie nutzen könnte!"
Unheilvolles Schweigen legte sich über den Gang und ich bemerkte, dass ich die Luft anhielt. Es war förmlich sichtbar, wie Mrs. Frey nachdachte. Ihre Lippen waren fest aufeinandergedrückt und sie wirkte konzentriert.

„Schicken Sie mir Flora nachher in mein Büro", wies sie die Lehrerin an. „Ich will mit ihr reden."

„Natürlich. Und was gedenken Sie zu tun?"

Auf diese Frage war die Direktorin nicht vorbereitet und diese Lynn merkte es.

„Ich meine, nicht, dass das wieder passiert. Es wäre ein absoluter Skandal! Niemand würde sich hier mehr sicher fühlen! Wir sollten Blake Hampton informieren."

„Mrs. Newt!", zischte Elara. „Wenn Sie Ihre Lautstärke vielleicht auf ein Minimum reduzieren könnten. Dankeschön. Ich werde mich darum kümmern." Ihre Stimme hatte jegliche Sanftheit verloren und klang nun scharf. „Und ich bitte Sie, nicht gleich die gesamte Schule in Panik zu versetzen." Eindringlich starrte sie die kleine Lehrerin aus ihren kühlen, grünen Augen an und deren Selbstsicherheit fiel in sich zusammen wie ein Luftballon, aus dem man die Luft herausließ.

„Natürlich, Mrs. Frey", murmelte sie und verschwand hinter einer Tür. Elara Frey fuhr sich durch die perfekt gemachten Haare und stürmte dann den Flur hinunter. Auf Schuhen, deren Absatz mindestens sieben Zentimeter hoch war, wie ich feststellte. Nachdenklich kam ich aus meinem Versteck. Floras Kräfte waren verschwunden, aber wie war das überhaupt möglich? Hatte es vielleicht etwas mit dem Unfall während des Festes zu tun? Hingen die Vorfälle zusammen? Wenn ja, dann war dort im Wald etwas Schreckliches geschehen und ich musste unbedingt herausfinden was. Jetzt stand aber eine weitere Unterrichtsstunde mit Derek Hilbour an. Kampftraining. Jippie. Als ob ich nicht schon genügend blaue Flecke hatte.

Während ich mich zusammen mit den anderen Mädchen in meinen Kampfanzug quälte, erzählte ich Mara im Flüsterton, was ich vorhin zufällig belauscht hatte. Meine Freundin war sprachlos. Und das musste etwas heißen, denn Mara verschlug kaum etwas die Sprache.

„Weg? Wie puff und nicht mehr da?", fragte sie und ich nickte.
„Dann ist sie keine Elementary mehr. Sie ist nur noch ein Mensch. Hast du eine Ahnung, was unsere Eiskönigin mit ihr anstellt? Ich meine, Flora weiß quasi alles über uns. Sie wegzuschicken wäre riskant."

Ich stutzte. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht, aber Mara hatte recht. Was würde jetzt aus Flora werden?

„Bestimmt gibt es da auch eine Regel. Wie für alles andere auch", meinte ich und meine Freundin zuckte mit den Schultern, während sie mir den Reißverschluss am Rücken zuzog. Schnell band ich meine widerspenstigen Haare zusammen und wir liefen in die Turnhalle. Mit Ärger bemerkte ich, dass Ashley sich wohl schon eine neue Freundin gesucht hatte, die ihr Anhängsel spielte.

„Warum hat Flora sich überhaupt mit ihr abgegeben? Man merkt doch auf hundert Meter Entfernung, dass sie alle nur ausnutzt."

„Nun, wer will denn nicht die Schuhputzerin der Schulkönigin sein?", entgegnete Mara.

„Wehe, du lässt mich für die links liegen", drohte ich ihr gespielt und sie boxte mir gegen die Schulter.

„Spinnst du? Für kein mit Diamanten besetztes Schwert der Welt." Wir kicherten und ignorierten Ashleys abwertende Blicke.

„Leute?", verschaffte unser Kampflehrer sich Gehör. „Bevor wir anfangen, möchte ich noch etwas ankündigen. Morgen fahren wir nach Ottawa ins Archiv der AFE. Dort werden die Akten aller Elementarys aufbewahrt und ich habe meine Kontakte spielen lassen, um eine Führung für euch zu organisieren."
Diese Ankündigung schien wie der Wink des Himmels. Ich war wie elektrisiert. Dort würde sich auch die Akte meines Vaters befinden und ich musste irgendwie an sie herankommen.      


Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt