Kapitel 1 - Erstens kommt es anders

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Es schüttete noch immer wie aus Eimern, als ich den Schlüssel ins Schloss der Haustür steckte. Alles an mir war nass. Meine braunen Haare, die sich nun in wilden Locken kräuselten, mein schwarzes Top, meine Hose, meine geliebten Sneaker, denen man sowohl farblich als auch anderweitig ansah, wie häufig ich sie getragen hatte. Das Sommergewitter hatte mich völlig unvorbereitet auf meinem Weg von der Schule nach Hause überrascht. Aber immerhin hatte es für ein wenig Abkühlung gesorgt und den Staub der letzten Wochen aus der Luft gewaschen.

Rasch betrat ich den Flur, lief mit quietschenden Sohlen die Treppe hinauf und bemühte meinen Schlüsselbund ein zweites Mal. Kaum hatte ich die Tür aufgeschubst, wehte mir der verlockende Duft von Essen entgegen. Knoblauch, Tomaten, Basilikum. Wenn meine Mum kochte, konnten die Restaurants in der Gegend einpacken.

„Hi", rief ich in Richtung Küche, während ich meine Tasche abstellte und aus den durchgeweichten Schuhen schlüpfte. Mein Magen knurrte. Also beeilte ich mich mit dem Umziehen, warf meine Tasche achtlos aufs Bett und machte mich auf den Weg in die Küche. Als meine Mutter mich sah, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus.

„Hi, Schatz. Ich bin hier gleich fertig." Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem lockeren Knoten in ihrem Nacken gelöst hatte und nun widerspenstig auf und ab wippte. Die Lockenmähne hatte ich von ihr. Ebenso wie die dunkelblauen Augen. Saphiraugen nannte meine Mutter sie. Ich mochte den Vergleich irgendwie. Auch ansonsten konnte ich mich über meine Gene nicht beschweren.

„Ich decke schon mal den Tisch." Galant schob ich mich um sie herum, sammelte Teller, Besteck und Gläser zusammen und platzierte sie auf dem winzig kleinen Tisch, der gerade einmal für uns beide und zwei Töpfe reichte. Ich mochte die kleine Wohnung, die wir seit ein paar Wochen bewohnten, obwohl ich gelernt hatte, mein Herz nicht mehr so schnell an unsere ständig wechselnden Wohnungen zu hängen, die wir dann für eine kurze Zeit unser Zuhause nannten. Inzwischen hatte ich mich an die ständigen Umzüge von einen US-Bundesstaat in den nächsten gewöhnt. Verstanden hatte ich es allerdings nie richtig. Und Mums Erklärungen waren in meinen Augen eher fadenscheinig. Meist schob sie ihren Job als freischaffende Künstlerin vor, der von ihr verlangte regelmäßige Tapetenwechsel zu veranstalten, damit ihre Inspiration neue Reize bekam. Mir war es gleich, denn ich liebte unsere gemeinsamen Roadtrips, die Ausflüge zu faszinierenden Orten und Landschaften. Was ich selbst nach Jahren noch verabscheute, waren die Schulwechsel. Das neue Schuljahr hatte gerade begonnen, weswegen es nicht ganz so schlimm war, in eine neue Klasse zu kommen, wie mitten im laufenden Semester. Meine neuen Mitschüler auf Zeit schienen dem ersten Eindruck nach sogar ganz in Ordnung zu sein, doch ich hatte mir angewöhnt, keine Freundschaften zu knüpfen. Lose Gespräche, ein bisschen Small Talk, aber mehr nicht.

„Bitte sehr." Schwungvoll drapierte meine Mutter den Topf Spaghetti und danach die Bolognese Sauce auf dem Tisch. Dazu stellte sie ein Schüssel mit geriebenem Käse. Hungrig tat ich mir eine Portion auf, die ich dann mit mehr Käse als Sauce überhäufte. Theoretisch konnte ich mich nur von Käse ernähren.

„Lässt du mir auch noch was übrig?", fragte meine Mum lächelnd.

„Etwa?" Ich grinste zurück und reichte ihr die Schale. Wir aßen gehüllt in einvernehmlichem Schweigen, wofür ich sehr dankbar war, denn ich war viel zu hungrig, um Fragen zu meinem Tag zu beantworten.

Als es plötzlich klingelte, sah ich auf.

„Erwarten wir Besuch?"

Meine Mutter schüttelte den Kopf, erhob sich und nahm den Hörer von der Wand, um über die Lautsprecheranlage herauszufinden, wer da was von uns wollte. Ich kratzte die letzten Nudeln zusammen, legte die Gabel zur Seite und beobachtete sie dabei.

Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWhere stories live. Discover now