Kapitel 13 - Schreck am Abend

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Erschrocken riss ich den Kopf herum. Irgendwas war da los.
Ich hetzte los, drängelte mich durch die anderen Schüler, die scheinbar wie erstarrt in den inzwischen dunklen Wald blickten und tuschelten. Vor den Bäumen blieb ich stehen und lauschte. Meine Haut begann zu prickeln und ich wusste, dass hier Magie im Spiel gewesen sein musste. Mara und Ethan tauchten neben mir auf, beide ein wenig außer Atem, gefolgt von meiner Mutter und der Direktorin sowie Blake Hampton.

Nach wenigen Minuten schälte sich eine dunkle Gestalt aus den Schatten und ich hielt vor Spannung den Atem an. Dann erkannte ich Derek, unseren Kampfsportlehrer. Er trug etwas oder eher gesagt jemanden auf den Armen.

„Flora?", fragte Mara leicht entsetzt und wir eilten Derek entgegen, um ihm zu helfen. Vorsichtig legte der Lehrer das Mädchen auf dem Boden ab. Sie schien unverletzt zu sein, war aber ohnmächtig.

„Was ist passiert?", verlangte Elara Frey zu wissen, während meine Mum sich um Flora kümmerte.
Derek richtete sich auf.

„Ich war ganz in der Nähe, als ich den Schrei hörte, bin losgerannt und habe sie bewusstlos auf dem Waldboden liegen sehen." Das klang logisch.

„Wurde sie angegriffen?", fragte die Direktorin, aber meine Mum schüttelte den Kopf.
„Ich kann keine äußeren Verletzungen finden."

Ich betrachtete Flora mit gerunzelter Stirn. Wieso war sie im Wald gewesen? Und dazu noch ganz alleine? Und was war da passiert?
Da blinzelte das Mädchen verwirrt und schlug sie Augen auf.

„Wo bin ich?", flüsterte sie und schaute sich ängstlich um.

„Alles ist gut", beruhigte meine Mum sie, während wir schweigend drum herumstanden.

„Flora, kannst du dich an etwas erinnern, was im Wald vorgefallen ist?", fragte Direktorin Frey, aber das Mädchen schüttelte nur den Kopf.

„Es ist, als hätte ich eine Lücke in meinen Erinnerungen. Da ist nichts. Nur schwarz!" Ihre Stimme schraubte sich in die Höhe und meine Mum warf Elara einen mahnenden Blick zu, den die Direktorin mit zusammengekniffenen Lippen erwiderte.

„Ich lasse meine Leute den Wald zur Sicherheit einmal absuchen", schaltete Blake Hampton sich ein und war schon verschwunden.

„Wir sollten Flora zur Sicherheit in den Krankenflügel bringen", meinte meine Mum und half dem Mädchen auf die Beine.

„Mara, Ethan, Hannah, übernehmt ihr das?"

„Ja, klar, Mrs. Windemear", willigte Mara ein und hakte sich bei Flora unter, die noch ziemlich blass um die Nase war. Gemeinsam brachten wir Flora zurück zur Akademie. Sie sagte kein Wort, sondern starrte einfach nur vor sich hin. Ich verspürte ein komisches Gefühl im Magen. Irgendetwas an der Sache gefiel mir nicht. Und dann war ja da noch das mit meinem Dad.

„Wie fühlst du dich?", fragte Mara in die Stille der Schule hinein und Flora zuckte zusammen.

„Wie?"

„Wie es dir geht?"

„Eigentlich ganz okay. Es ist nur merkwürdig, dass ich mich einfach an nichts erinnern kann. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, wie ich in den Wald gelangt bin. Eben stand ich noch bei Ashley und dann, urplötzlich, wache ich umgeben von Lehrern und euch auf." Sie verzog das Gesicht.

Nein, das war bestimmt keine angenehme Erfahrung. Schließlich erreichten wir das Krankenflügel und ein freundlicher Arzt, der hundertprozentig Erdmagie beherrschte, bat uns herein und untersuchte Flora, während wir ihm berichteten, was passiert war.

„Körperlich gesehen, fehlt dir nichts. Du solltest dich ausruhen und dann bist du bald wieder fit. Was die Gedächtnislücke angeht, mach dir da mal keine Sorgen. Irgendwann kehren die Erinnerungen wieder zurück", erklärte der Arzt Flora schließlich und das Mädchen seufzte erleichtert.

„Vielen Dank."  

Nach diesem Vorfall war das Fest sowieso gelaufen. Mara hatte Flora noch zu ihrem Zimmer bringen wollen, doch das Mädchen hatte abgelehnt und so liefen wir nun gemeinsam den Flur entlang. Ethan machte noch einen Abstecher an der Bibliothek vorbei und so trennten wir uns schließlich am Ausgang des Hauptgebäudes. Ich verspürte irgendwie das Bedürfnis noch einmal zum Waldrand zu gehen.

„Muss das sein?", fragte Mara murrend und ich sah ihr an, dass sie überhaupt keine Lust hatte.

„Wenn du nicht willst, dann geh ruhig schon auf dein Zimmer. Ich komme auch bald."

„Nein, ich lasse dich nicht alleine dahin gehen. Wer weiß, was Flora zugestoßen ist. Nachher endest du noch so, wie sie."

„Danke."

Ich lächelte meiner Freundin zu und sie hakte sich schwungvoll bei mir unter. Zusammen stapften wir noch immer in unseren Kleidern über den Campus, zurück zum Wald. Die Direktorin hatte das Fest beendet und nichts erinnerte mehr an das rege Treiben von vor einer halben Stunde. Dunkelheit legte sich über uns und einige Sterne funkelten am Himmel. Eine angenehme Stille hüllte uns ein, während wir auf die ersten Bäume zuliefen. Je näher wir den Bäumen kamen, desto komischer fühlte ich mich und auch Maras Griff um meinen Arm verstärkte sich. Die Blätter raschelten sanft im leichten Wind und ich ließ meinen Blick in die Dunkelheit gleiten. Minutenlang standen wir reglos auf der Wiese, das Schweigen begann drückend zu werden und plötzlich spürte ich es wieder.

Das Kribbeln von Magie auf meiner Haut. Angestrengt versuchte ich, etwas zwischen den dunklen Stämmen zu erspähen. Irgendetwas, dass Flora so eschreckt hatte, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte. Die Bilder aus meinem Geschichtsbuch fielen mir wieder ein und ich schauderte.

„Hannah?", flüsterte Mara. „Können wir gehen? Mir wird das langsam zu unheimlich."

„Gleich", erwiderte ich und versuchte, das Kribbeln zu deuten, doch es war einfach nur ein prickelndes Gefühl, wie bei jedem anderen auch.

„Hannah, bitte", drängte Mara und ich hörte tatsächlich so etwas wie Angst in ihrer Stimme.

„Okay." Trotzdem zögerte ich.

Da knackte ein Ast und nun begann auch mein Puls, schneller zu schlagen. Jemand war im Wald. Jemand, der Magie besaß.
Die Dunkelheit schien auf einmal schwärzer zu sein, als vor wenigen Minuten und Totenstille umgab uns. Mein Atem beschleunigte sich.
Mara zerrte an meinem Arm und ich stolperte ihr hinterher. Wieder knackte es und jetzt wollte ich auch einfach nur weg.

„Hannah? Mara?", ertönte da eine Stimme und wir fuhren herum.

„Mr. Hilbour?", rief Mara überrascht, als sie unseren Kampflehrer entdeckte, der aus dem Wald kam und sich ein paar Blätter von der Jacke wischte.

„Was machen Sie denn hier?", fragte ich erstaunt und mein klopfendes Herz beruhigte sich langsam, da Derek wohl kaum irgendein Monster war, das uns verspeisen würde.

„Das gleiche könnte ich euch fragen", erwiderte er streng. „Aber, um euch zu beruhigen ... ich habe noch einmal nach Spuren gesucht."

„Das haben doch Blake Hamptons Männer auch schon gemacht", sagte ich und runzelte die Stirn.

„Ich weiß, doch ich wollte einfach sicher gehen, dass sie nichts übersehen haben. Und jetzt raus mit der Sprache, was habt ihr noch hier verloren?"
Ich zögerte. Sollte ich ihm von meinem Gefühl erzählen? Dem Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Nein.

„Wir waren nach der Aufregung noch ein bisschen frische Luft schnappen", log ich und hoffte, dass die Dunkelheit meine Lüge tarnen würde.
„Da seid ihr aber ganz schön weit zum Luft schnappen gegangen", bohrte der Lehrer nach und ich schluckte.

„Nun ja, es war auch ganz schön viel Aufregung." Ich verzog mein Mund zu einem unschuldigen Lächeln und war mir sicher, dass Mara es mir gleich tat.

„Ja, das war es in der Tat. Jetzt aber zurück in die Akademie und geht ins Bett. Wir können alle ein bisschen Ruhe vertragen."

Ich nickte erleichtert und schnellen Schrittes liefen wir zum Hauptgebäude.
„Warum hast du ihn angelogen?", fragte Mara dann gerade heraus. Gute Frage? Warum hatte ich es getan?

„Ich weiß nicht", antwortete ich ehrlich. „Es erschien mir nicht richtig, ihm von meinem Gefühl, dass an der Sache mit Flora ganz schön viel faul ist, zu erzählen. Meinst du etwa, dass er mir geglaubt hätte? Einem Mädchen, das erst seit ein paar Wochen weiß, dass es überhaupt außergewöhnliche Kräfte besitzt? Vielleicht ist später der richtige Zeitpunkt."

„Hm, da hast du recht. Aber vielleicht war es auch einfach nur ein Unfall und es steckt nichts weiter dahinter."

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