Kapitel 15 - Im Archiv der AFE

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„Beeilung, die Herrschaften!", wies Derek uns am nächsten Morgen an, während wir halb schlafend über den Campus zum Bus liefen, der uns in die kanadische Hauptstadt bringen sollte. Und es war nicht irgendein Bus. Nein, für die verwöhnten Kids der Akademie gab es ein Luxusgefährt, von dem ich früher nur geträumt hätte. Wahnsinnig weiche Sitze, ganz viel Platz für die Beine, Fernseher an beinahe jedem Platz, eine Minibar und eine ziemlich komfortable Toilette.

Verschlafen ließ ich mich auf einen Sitz plumpsen und seufzte.
„Einfach traumhaft."

„Das kannst du laut sagen", entgegnete Mara, gähnte herzhaft und sank auf den Sitz neben mir.

„Aber warum muss es denn so früh am Morgen sein? Ich meine, es ist Samstag und da will ich gefälligst ausschlafen."

„Das ausschlafen müssen wir wohl auf morgen verschieben", seufzte ich mit geschlossenen Augen, während der Motor des Busses sanft brummte und ein kurzer Ruck durch meinen Körper ging, als er anfuhr.

Dann schweiften meine Gedanken zu meinem Vorhaben, was die Geschichte meines Vaters betraf und je mehr ich darüber nachgrübelte, desto verzwickter erschien mir das Ganze. Dort würde es vor Agenten nur so wimmeln, die Sicherheitsvorkehrungen wären extrem und meine Chancen, auch nur eine Tür zu durchqueren, die nicht zu unserer Führung gehören würde, waren gleich Null. Aber ich brauchte endlich Antworten. Ich beschloss, es erst einmal auf mich zukommen zu lassen und spontan zu handeln, was strategisch gesehen wahrscheinlich unschlau war, jedoch tausendmal besser, als sich jetzt den Kopf zu zerbrechen und am Ende als seelisches Wrack aus dem Bus zu steigen. Denn das würde auf jeden Fall auffällig sein und das letzte, das ich wollte, war Aufmerksamkeit erregen.
Also lehnte ich meine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und beobachtete, wie die Landschaft an uns vorbeisauste.

„Alles aussteigen und ich belehre euch hiermit ausdrücklich, euch zu benehmen. Es wird keine Magie benutzt und alle heimlich eingesteckten Waffen werden draußen gelassen. Alles klar soweit?", verkündete unser Kampflehrer gut gelaunt und wir nickten, obwohl ich das mit der Magie nicht versprechen konnte.
Mara rutschte von ihrem Platz und ich folgte ihr, wobei ich nicht aufpasste und wegen des engen Ganges auf jemandes Fuß trat.

„Hey!", beschwerte er sich und mit wurde kalt.

„Tut mir leid", murmelte ich entschuldigend und blickte Will über die Schulter hinweg an. Seine eisblauen Augen blitzten und schnell schaute ich wieder nach vorne, während mein Puls raste.
Während ich mich durch den Gang zum Ausgang schob, glaubte ich, seinen Blick im Rücken zu spüren und ich konnte gar nicht schnell genug an die frische Luft kommen. Hastig flüchtete ich mich zu Mara, die ihre Stirn runzelte.

„Frag nicht", meinte ich vielsagend und atmete erst einmal tief durch.

„Hatte ich nicht vor. Na gut, eigentlich schon." Sie grinste und ich schnaubte belustigt durch die Nase.

Dann folgten wir unserem Kampflehrer in das schlicht aussehende Gebäude der AFE. Unauffällig schaute ich mich nach den Sicherheitsvorkehrungen um und entdeckte schon im Eingangsbereich gut versteckte Kameras. Mein Mut sank, doch aufgeben wollte ich nicht. Ich brauchte diese Informationen, um wenigstens eine Antwort auf meine ganzen Fragen zu bekommen. 

„Wenn jemand von euch tatsächlich eine Waffe eingesteckt hat, dann gibt er sie jetzt ab. Ihr bekommt sie zurück, wenn wir gehen", sagte Derek und blickte auffordernd in die Gruppe. Niemand rührte sich.

„Na kommt schon. Irgendwer hat etwas dabei. Ich weiß es." Getuschel wurde laut und schließlich lösten sich ein paar Jungs aus den Reihen und übergaben ihre Messer dem Lehrer, dessen Augen amüsiert funkelten, während Mr. Greyham unser Naturwissenschaftslehrer, der als Begleitung dabei war, griesgrämig den Mund verzog.

„Ein wahrer Sonnenschein", flüsterte Mara mir schmunzelnd zu, die meinem Blick gefolgt war und ich kicherte.

„Leute, das ist Agent McCord. Sie wird uns begleiten und einiges über dieses Archiv erzählen", stellte Derek eine Frau vor, die uns streng musterte und zu meiner Überraschung noch recht jung zu sein schien. Als erstes fiel mir das gefährlich blitzende Schwert an ihrer Hüfte auf und ich biss mir auf die Unterlippe.

Wir folgten Agent McCord und Derek einige Stockwerke in die Tiefe, wurden durch Gänge geführt, deren Wände kahl waren und die nur durch kaltes Neonlicht erhellt wurden. Ab und an kamen wir an einer Tür vorbei und hielten schließlich am Ende eines Ganges an.

„Dies ist das Hauptarchiv. Hier befinden sich die Akten aller registrierten Elementarys unseres Landes", erklärte McCord und lotste uns durch eine große Schwingtür. Der Raum dahinter war riesig. Vollgestellt mit Schränken, in denen sich die Akten stapelten.

„Wahnsinn", murmelte Mara neben mir und da war sie nicht die einzige von uns, die staunte.

„Agent McCord, wie wird das alles hier verwaltet? Ich meine, es ist doch beinahe unmöglich bei all diesen Akten den Überblick zu behalten", meinte Ethan.

„Da hast du vollkommen recht. Natürlich sind alle Daten in Computern erfasst, was es uns extrem vereinfacht, effektiv zu arbeiten. Jede Datei ist geschützt und nur von uns einsehbar, wo ich zu unserem Sicherheitssystem kommen will."
Ich spitzte die Ohren. Jetzt wurde es interessant.

„Wir haben überall im Gebäude Kameras sowohl die Üblichen, als auch Wärmebildkameras. Des Weiteren verfügen die Räume mit extrem wichtigen Akten über Magieerkennungssysteme, die jede Art von angewandter Magie – bekannt, als auch fremd – sofort an den Sicherheitsdienst leiten und innerhalb von fünf Minuten den Alarm auslösen, sollte bis dahin niemand die Anwendung der Magie bestätigt haben. Außerdem kontrollieren bewaffnete Agenten regelmäßig jeden Raum sowie die Gänge."

Ich unterdrückte einen Fluch und dachte angestrengt nach. Jetzt, wo ich so einiger Maßen über das Sicherheitssystem Bescheid wusste, fehlte mir nur noch ein kleiner Hinweis auf den Verbleib der Akte meines Vaters, denn sonst würde ich in diesem Berg von Akten nie etwas finden. Aber auch diese Frage wurde mir abgenommen und zwar von niemand anderem als Ashley.

„Agent McCord, haben Sie hier auch die Akten der Gorgonen? Oder Akten von Elementarys, die einmal zu Raven Dragonis Gefolge gehörten?" Dabei warf sie mir einen Blick zu, den ich geflissentlich ignorierte. Wahrscheinlich hatte sie bezwecken wollen, Wunden aufzureißen, was leider nicht klappte, denn ich war viel zu begierig darauf, die Antwort zu erfahren, auch wenn ich so zugeben musste, zu glauben, dass mein Vater tatsächlich ein Gorgon gewesen war.
Die Agentin zögerte mit der Antwort und ihr Gesicht verfinsterte sich ein wenig.

„Ja, solche Akten verwahren wir hier auch, jedoch in einem extra gesicherten Raum gegenüber diesem Hauptarchiv und für niemanden außer ausgewählten Leuten zugänglich." Genial.

„So, bevor wir uns in den Hörsaal begeben, wo Mr. Hampton uns ein wenig seiner kostbaren Zeit spendet, dürft ihr euch ein wenig hier umsehen, aber bitte Nichts anfassen", sagte Derek und wandte sich dann charmant lächelnd an Agent McCord, die plötzlich verlegen wirkte.
„Dann lass uns mal das Archiv unsicher machen", grinste Mara und packte mich voller Enthusiasmus am Arm. „Mal sehen, ob Madonna auch eine Elementary ist. Wollen wir wetten? Ich sage, sie ist eine. Du?"

„Warte, warte", bremste ich sie. Um was wetten wir überhaupt?"

„Keine Ahnung."

„Wie wäre es mit einem Gefallen? Wenn du recht hast, schulde ich dir einen und wenn nicht, dann schuldest du mir einen. Egal was, einverstanden?"

„Okay", stimmte Mara zu und wir schlugen ein.

„Ich sage, sie ist keine", meinte ich, während wir uns auf die Suche nach dem Buchstaben M machten. Leider gab es hier keine Kategorien wie „Sänger", „Schauspieler", „Autor" sondern nur elendig lange Gänge vollgestopfter Schränke, die so einigermaßen nach Buchstaben sortiert waren.

„Paul McCartney, Bob Marley, Mozart, aber keine Madonna! Ich glaube es ja nicht", beschwerte meine Freundin sich. „Dabei war ich mir doch so sicher."

„Ich würde sagen, jetzt schuldest du mir einen Gefallen", stellte ich fest und war insgeheim erleichtert, dass die blonde Sängerin ein ganz normaler Mensch war.

„Ich stehe Ihnen zur Verfügung", witzelte Mara und salutierte.

„Sehr gut. Dann werde ich meinen Gewinn jetzt gleich einlösen."  


Academy for Elementarys 1 - Verborgene KräfteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt