Kapitel 16 - Eine riskante Aktion

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"Du musst mir dabei helfen, in dieses geheime Archiv zu kommen und die Akte meines Vaters zu finden." Während ich sprach, senkte ich meine Stimme so weit, dass außer Mara niemand etwas hören konnte.

„Guter Witz, Hannah", kicherte Mara, doch das Lachen verging ihr schnell, als sie meinem ersten Blick begegnete.

„Du meinst das ernst oder?"
Ich nickte und sie wurde nachdenklich.

„Und es ist dir so wichtig, dass du riskierst, von der Akademie zu fliegen, denn genau das wird passieren, wenn du erwischt wirst."

„Ja, ich brauche endlich Antworten." Meine Stimme klang fester, als ich gedacht hatte und ich war selbst überrascht, wie leicht mir diese Worte über die Lippen gekommen waren.

„Gut, dann helfe ich dir und wir fliegen zusammen von der Schule." Mara grinste mich schief an und ich hätte sie küssen können.

„Jetzt fang aber bitte nicht an zu heulen vor Rührung", warnte sie mich und hob abwehrend die Hände.

„Schon gut. Ich gebe mir Mühe."

„Und? Hast du schon einen Plan?"

„Naja, ich dachte, wir handeln spontan", rückte ich kleinlaut heraus und Mara schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

„Gut, was wolltest du nochmal werden? Ich hatte vor, mich an einer Uni zu bewerben und irgendetwas nicht Magisches zu studieren, aber ein Job als Kellnerin würde auch genügen. Ich denke, die Bewerbung habe ich in null Komma nichts fertig. Mensch, Hannah. Wenn du so eine riskante Nummer durchziehen willst, brauchst du einen richtig, richtig guten Plan und am besten noch einen Zweiten und einen Dritten."

„Meine Erfahrung in Sachen Pläne schmieden liegt bei ungefähr Null", entgegnete ich, während meine Freundin noch immer den Kopf schüttelte. Ob sie sich über meine Dummheit ärgerte oder darüber, dass sie sich darauf eingelassen hatte, konnte ich nicht so genau sagen.

„Pläne?", ertönte da hinter uns eine dunkle Stimme und wir fuhren erschrocken herum. Bei Wills Anblick setzte mein Herz für einen Moment aus und ich war nicht in der Lage, ein einziges Wort hervorzubringen.

„Ja, Pläne", sprang Mara ein. „Pläne, wie ich Hannah dazu kriege, sich von dir fernzuhalten, weil sie dummer Weise ein Auge auf dich geworfen hat."

Oh nein. Das hatte sie jetzt nicht wirklich gesagt. Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und am liebsten wäre ich auf der Stelle im Erdboden versunken. Meine Wangen brannten vor Scham und ich wich Wills prüfendem Blick aus, indem ich angestrengt auf meine Fußspitzten starrte. Konnte dieser Moment noch schlimmer werden?

„Ist das so, Hannah?", richtete Will das Wort an mich und jetzt musste ich ihn anschauen. Seine eisblauen Augen musterten mich intensiv, sodass meine Knie weich wurden.

„Ähm ..."

„Da siehst du es. Dein Auftauchen hat ihr die Sprache verschlagen. Sie ist an einem kritischen Punkt angekommen und da braucht man nun mal einen richtig, richtig guten Plan. Wenn du uns entschuldigen würdest", gab Mara zurück, ergriff meinen Arm und zog mich an ihm vorbei in einen anderen Gang. Erst da fand ich meine Sprache wieder und riss mich los.

„Dein Ernst? Warum hast du ihm nicht gleich unter die Nase gerieben, dass ich ihn heiraten möchte?" Ich fuchtelte verärgert mit den Armen vor ihrer Nase herum. „Nicht hilfreich."

„Hätte ich ihm stattdessen in aller Ausführlichkeit erklären sollen, dass wir vorhaben, in ein streng geheimes Archiv einzubrechen und Akten zu stehlen?"

„Wir stehlen doch keine Akten! Wir suchen nur die meines Vaters und machen Fotos!"

„Aber wir brechen ein."

„Trotzdem. Weißt du, wie peinlich das war?"

„Immerhin hält er dich jetzt für eine weitere verknallte, lästige Verehrerin und du kannst ihn dir aus dem Kopf schlagen."

„Und morgen bin ich damit Ashleys Opfer Nummer eins."

„Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel von der Akademie zu fliegen."
 
Ich seufzte resigniert und gab es auf, mit ihr zu diskutieren. Gegen Mara kam ich einfach nicht an.

„Ich hab's verstanden. Können wir uns jetzt bitte auf das Wichtigere konzentrieren?"

„Mit Vergnügen."

Aber wie sehr wir auch darüber nachdachten, keiner von uns wollte etwas Vernünftiges einfallen und ehe wir uns versahen, trommelte Derek uns alle zusammen, um zu Mr. Hamptons Rede zu gehen.

„Was machen wir denn jetzt?", flüsterte ich Mara leicht panisch zu, während wir unserem Kampflehrer und Agent McCord in den Gang folgten.

„Da bin ich ausnahmsweise überfragt", wisperte sie zurück und ich versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir kamen unserem Ziel immer näher und ich ließ mich zurückfallen. Mara tat es mir gleich und dann sah ich den Mann. Er kam aus einer anderen Tür, trat im Laufen zu der AFE-Agentin, sagte etwas zu ihr, woraufhin sie nickte und steuerte auf das Archiv zu, in das ich unbedingt hineinmusste.

„Mara", zischte ich und bedeutete ihr, noch langsamer zu werden. Dann kniete ich mich hin und tat so, als würde ich meine Schnürsenkel zubinden. Alle anderen der Gruppe liefen an uns vorbei, bis wir ganz hinten waren. Der Mann hatte inzwischen eine Karte gezückt und hielt sie vor ein kleines Gerät an der Wand. Es piepte und ein grünes Licht leuchtete auf.

„Jetzt", wisperte ich, sprang auf und huschte hinter dem Mann durch die Tür. Mein Herz raste und ich blieb stocksteif stehen. Der Mann war schon um eine Ecke verschwunden.

„Das hätte ich dir nicht zugetraut", flüsterte Mara mir von hinten ins Ohr und ich zuckte zusammen.

„Ich auch nicht."
Als ich Wills Stimme vernahm, hätte ich beinahe aufgeschrien. Schnell genug biss ich mir auf die Lippen und atmete tief durch.

„Was machst du hier?", zischte Mara ebenfalls sehr überrascht und warf ihm einen bösen Blick zu.

„Dasselbe könnte ich euch fragen."

„Aber ich habe zuerst gefragt."

„Klappe", fuhr ich so leise wie möglich dazwischen und warf den beiden einen warnenden Blick zu. In meinem Kopf ratterte es gewaltig. Dass Will hier aufkreuzte, war nicht vorgesehen gewesen. Ich holte tief Luft und verbannte den peinlichen Moment von vorhin so gut ich konnte. Jetzt zählte nur, dass wir ungesehen die Akte fanden und hier rauskamen.

„Da du schon mal hier bist, kannst uns genauso gut helfen", richtete ich mich an Will und versuchte so gefasst wie möglich zu wirken, obwohl mein Herz raste. „Die Kameras müssen außer Gefecht gesetzt werden und solltest du Magie einsetzen, haben wir danach höchstens fünf Minuten, bevor hier die Hölle los ist. Sucht nach der Akte von Jake Edwards. Wenn einer sie findet, fotografiert er alle Seiten ab und wir verschwinden. Verstanden." Selbst überrascht von meinem forschen Tonfall drehte ich meinen Kopf und ließ meine Augen suchend durch den Raum wandern. Dieses Archiv war deutlich kleiner und wirkte auf den ersten Blick viel sortierter. Dann entdeckte ich die erste Kamera.

„Da", flüsterte ich und Will nickte mit ausdruckslosem Gesicht, doch seine eisblauen Augen funkelten. Er schien Spaß an der Sache zu haben. Langsam hob er den Arm, richtete seine Hand auf die Kamera und ballte sie langsam zu einer Faust. Seine Fingerknöchel traten dabei weiß hervor. Es zischte und knisterte, als das Gerät an der Wand überhitzte und schließlich ausfiel. So verfuhr er auch mit den zwei weiteren Kameras, die wir entdeckten. Jetzt blieben uns nur noch aller höchstens vier Minuten.

„Los", zischte ich und huschte zu den Regalen. Meine Finger zitterten, als ich in der Luft die Namen an den Akten überflog.

„Nein, nein, nein, auch nicht", hörte ich Mara eine Reihe weiter wispern. In meinem Kopf wirbelten schon wieder die schlimmsten Szenarien herum, was geschehen würde, wenn man uns erwischte.

„Hannah", murmelte eine forsche Stimme an meinem Ohr und ich zuckte zusammen. Wie schaffte dieser Kerl es immer wieder, sich so anzuschleichen?

„Nicht träumen."

„Schon gut", erwiderte ich nervös und wich zur Seite. Unkonzentriert glitt mein Blick über die Akten und dann sprang mir der Name ins Gesicht.

Jake Edwards.
Ruckartig griff ich nach dem Ordner und zog ihn aus dem Schrank. Ich spürte, wie Will mir neugierig über die Schulter spähte und spannte mich unwillkürlich an.
Ich wollte nicht, dass er sah, was mein Vater getan hatte, auch wenn er wahrscheinlich nicht einmal wusste, dass es sich um meinen Vater handelte.

„Würdet du bitte einen Meter zurücktreten?", fragte ich mit unüberhörbarem Ärger und zückte mein Handy. Ohne richtig zu verstehen, was auf den Papieren stand, fotografierte ich eines nach dem anderen so schnell es ging und schob die Akte wieder auf ihren Platz.
„Und jetzt nichts wie weg hier." Meine Worte gingen in ohrenbetäubendem Lärm unter.

„Verdammt", hörte ich Will knurren, dann stürmte Mara zu uns.

„Hast du sie?"

Ich nickte und blickte mich hektisch um. Die Zeit war um und der Alarm dröhnte in meinen Ohren, sodass ich glaubte, mein Trommelfell müsse platzen.


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