"Ich bin eine Kämpferin"

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Alles, was in meinem Kopf herumschwirrt sind ihre Worte. "Du warst meine beste Freundin! Du bist für mich gestorben!". Immer und immer höre ich Emilys Stimme, die genau diese Worte sagt.

Ich will mich bewegen und meiner besten Freundin hinterher rennen. Ich will sie nicht verlieren, ich kann meine beste Freundin nicht verlieren. Sie ist mir wirklich wichtig, ich brauche sie.

Dennoch schaffe ich es nicht, ich kann mich nicht bewegen. Mein Körper macht nicht das, was mein Kopf ihm sagt. Wie erstarrt stehe ich da, meinen Blick auf die geschlossene Haustüre gerichtet. Die Haustüre, die Emily zugeknallt hat, nachdem sie aus dem Haus gestürmt ist.

Plötzlich höre ich, wenn auch nur gedämpft, Lukes Stimme. Erst da schaffe ich es mich aus meiner Starre zu lösen und den Blick auf meinen Freund zu richten. "Mh?" ist alles, was ich im Stande bin von mir zu geben. "Ich habe dich gefragt ob alles in Ordnung ist? Schon ein paar Mal um genau zu sein" wiederholt er seine Worte, da ich sie die ersten Male nicht gehört habe. Ich fühle mich, als wäre ich in meiner eigenen Blase gefangen, abgeschottet von der Außenwelt.

Als Antwort gebe ich Luke ein schwaches Kopfschütteln. Überhaupt nichts ist in Ordnung. Es ist eins der schlimmsten Gefühle, seine beste Freundin zu verlieren. Die Person, der man alles anvertrauen kann und die immer für einen da ist, wenn kein anderer hinter einem steht.

Es mag sein, dass ich Emily noch nicht ewig kenne, aber es fühlt sich ganz anders an. Es fühlt sich so an, als würde ich sie schon mein ganzes Leben kennen. Und wie soll man sich fühlen, wenn man genau das verliert, was einem so wichtig ist? Wie soll man sich fühlen, wenn eine Freundschaft zerbricht, von der man dachte, dass es niemals so weit kommen könnte?

Man fühlt sich alles andere als gut, man fühlt sich schrecklich. Nichts ist in Ordnung, alles ist dabei kaputt zu gehen. Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

"Komm her" sagt Luke leise und nimmt mich in seine Arme. Ich klammere mich automatisch an ihm fest. Sofort fühle ich mich geborgen und kann den Tränen, die ich die ganze Zeit über zurückgehalten habe, freien Lauf lassen. Ich fange an ununterbrochen zu weinen und kann nichts dagegen machen.

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Wenn etwas ungewolltes passiert und man zudem selbst die Schuld daran trägt, fühlt man etwas, das man nicht leicht beschreiben kann. Man weiß nicht, was man machen soll und man steht völlig neben sich. Die Situation überfordert einen und man kann nichts dagegen tun. Es ist als würde man unter Schock stehen.

Natürlich habe ich mitbekommen, wie Luke versucht hat mich Richtung Treppe zu führen. Aber ich kann mich nicht bewegen, ich befinde mich zurück in der Starre. Luke hat es sofort erkannt und mich einfach hochgehoben. Wie eine Braut trägt er mich die Treppe nach oben, in sein Zimmer. Er öffnet seine Zimmertüre und schließt sie hinter uns ab, bevor er mich vorsichtig auf sein Bett legt. 

Als er versucht mich loszulassen, klammere ich mich mit meiner Hand an ihn. Ich will nicht, dass er geht. Ich brauche ihn jetzt, ich brauche seine Nähe. Er ist das einzige, das mir im Moment Kraft gibt. 

Doch auch Luke kann nichts an der Tatsache ändern, dass ich nicht aufhören kann zu weinen. Luke ist für mich da und weicht nicht eine Sekunde lang von meiner Seite. Auch nicht als ich voller Erschöpfung meine Augen schließe und einschlafe. 

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Als ich aufwache, liege ich immer noch in Lukes Armen. Sofort erinnere ich mich an alles, was geschehen ist. Mit einem Schlag ist alles wieder da, begleitet von schrecklichen Kopfschmerzen. Ich könnte sofort wieder anfangen zu weinen, doch ich hindere mich selbst daran. Ich darf und will nicht mehr weinen. 

Ich bin kein Mädchen, das einfach aufgibt. Ich bin die Sorte Mädchen, die nach einem Fall mit erhobenen Haupt wieder aufsteht. Ich bin die Sorte Mädchen, die kämpft. Ich bin eine Kämpferin und ich werde kämpfen. Ich werde um meine Freundschaft kämpfen, egal was es kostet.

Luke muss nach mir eingeschlafen sein und tut es immer noch. Ich löse mich vorsichtig aus seinen Armen und stehe auf. Einen kurzen Moment denke ich nach, was ich machen und wo ich anfangen soll. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Emily noch nicht wieder zu Hause ist. Sie würde so schnell nicht zurückkehren, da sie weiß, dass ich noch hier sein würde. 

Trotz längerer Überlegung fällt mir kein Ort ein, an dem Emily sein könnte. Natürlich weiß ich, dass Emily gerne unter Menschen geht, doch dies bezweifle ich im Moment stark. Ich würde auch lieber allein sein, alles Revue passieren lassen und darüber nachdenken.

Die einzige Person, die mir weiter helfen könnte ist die einzige Person, die Emily noch besser kennt, als ich. Ashton weiß vielleicht, wo Emily sich aufhält. Selbst wenn nicht, wird er mit helfen können sie zu finden. 

Luke liegt immer noch auf seinem Bett und schläft friedlich. Mein Blick fällt auf sein Handy, das aus seiner Hosentasche rausguckt. Ich könnte es nehmen und Ashton anrufen, da ich seine Nummer nicht habe.

Vorsichtig und leise  nähere ich mich dem Bett und Luke. Ganz langsam ziehe ich sein Handy aus der Hosentasche und versuche ihn dabei nicht aufzuwecken. Luke schläft glücklicherweise tief genug und dreht sich nur kurz, bevor er wieder ruhig daliegt und weiterschläft.

Ich entsperre sein Handy und muss lächeln, als ich seinen Hintergrund sehe. Es ist ein Bild von uns beiden. Das Bild, in dem ich auf Lukes Schoß schlafe, als er das erste Mal bei mir übernachtet hat. Die Erinnerung  an den Tag schafft es mich für einen Moment wieder glücklich zu machen.

Doch dieser vergeht auch schnell wieder, da mir bewusst wird um was es gerade geht. Ich gehe in Lukes Kontakte und finde auch schnell wonach ich suche: Ashtons Nummer.

Ohne viel nachzudenken drücke ich auf "anrufen" und halte das Telefon an mein Ohr. Nach wenigen Pieptönen begrüßt mich Ashton mit einem "Hey Lukey, was geht ab?". Wenigstens einer klingt fröhlich und gut gelaunt. "Hallo Ashton, hier ist Melanie" sage ich leise, da ich Luke nicht aufwecken will. Zudem ist meine Stimme auch noch ziemlich brüchig vom Weinen.

"Oh, hey Melanie. Was gibts?" fragt Ashton und klingt nicht mehr allzu fröhlich. "Du musst mir bitte helfen" sage ich. "Klar, was kann ich für dich tun?" will Ashton wissen. "Du kennst Emily noch besser als ich" beginne ich und werde sofort von Ash unterbrochen. "Ist was mit Em?" fragt er schnell, die Angst in seiner Stimme nicht zu überhören. "Ich glaube nicht. Nein, eigentlich nicht. Wo geht Emily hin, wenn sie alleine sein will?" frage ich mit kleinen Pausen zwischen den Sätzen.

Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille, Ashton scheint zu Überlegen. Damit behalte ich recht, da er etwa später antwortet "Ich hab da eine Idee. Ich hol dich ab". "Ich bin bei Luke" entgegen ich schnell, bevor Ashton auflegt.

Ich sperre das Luke Handy und lege es aufs Bett, als ich sehe, dass Lukes Blick auf mich gerichtet ist. "Hey Süße" sagt er liebevoll und lächelt mich aufmunternd an. "Hey. Ich wollte dich nicht aufwecken, sorry" erwidere ich und versuche zu lächeln. Keine Sekunde später steht Luke neben mir und nimmt mich in den Arm.

"Ich hab dein Handy nur genommen, weil ich Ashtons Nummer nicht hatte" stelle ich schnell klar. Ich will nicht, dass er etwas falsches denkt. Auch wenn ich mir eigentlich sicher bin, dass er dies nicht tut. "Hab ich mir gedacht. Aber keine Sorge ich hab auch keine Geheimnisse vor dir" versichert er mir und küsst mich auf die Stirn.

"Was hat Ash gesagt?" möchte Luke wissen. "Er hat eine Idee wo Em sein könnte, er holt mich gleich ab" antworte ich ihm. Luke nickt verständnisvoll. "Dann lass uns mal runter gehen und auf ihn warten" meint Luke und nimmt meine Hand. Womit habe ich diesen Jungen nur verdient?

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Ich werde Emily nicht verlieren. Ich werde um unsere Freundschaft kämpfen.

Der Bruder meiner besten Freundin ~ Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt