"Sonst wäre er jetzt nicht hier"

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Solange bis wir an Lukes Auto ankommen und dieser mich vorsichtig auf seinem Rücksitz absetzt, die Türe zumacht und sich neben mich setzt.

"Danke" sage ich leise. "Du brauchst dich für nichts bedanken. Ich würde alles machen, damit es dir besser geht" erwidert Luke. Ich hebe vorsichtig meinen Kopf, den ich wieder einmal bei angewinkelten Beinen auf meinem Schoss liegen habe.

"Luke, es tut mir leid, dass ich dir gestern eine gescheuert habe" sage ich und merke, dass ich meine Stimme wieder habe. Klar und deutlich. "Und mir tut es leid, dass ich dich als bekloppt bezeichnet habe" entgegnet Luke sofort.

"Du hast gar nichts falsch gemacht oder gesagt. Mein Verhalten gestern war bescheuert. ICH war bescheuert. Ich hab alles kaputt gemacht" meine ich und schaue wieder auf den Boden. "Ich war nicht besser. Und was um himmels Willen sollst du denn kaputt gemacht haben?" erwidert Luke.

"Das zwischen uns" sage ich ehrlich. "Du meinst, du hast unsere Freundschaft kaputt gemacht?" fragt Luke und sieht mich genau an. Gerade als ich etwas dazu sagen will, spricht er jedoch weiter "Du hast nichts kaputt gemacht, Mel. Gar nichts. Sonst wäre ich doch jetzt nicht hier. Bei dir. Es ist nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Manchmal passiert halt Dinge, die man im nächsten Moment wieder bereut, aber trotzdem geht eine Freundschaft deswegen doch nicht gleich kaputt" versucht Luke mir klarzumachen.

Sonst wäre er jetzt nicht hier. Das ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen. Wenn Luke mich wirklich hassen würde, wäre er nicht hier. Ein normaler Mensch geht nicht freiwillig zu der Person, die er hasst. Aber Luke ist eigentlich auch gar nicht freiwillig zu mir gekommen. Ich habe ihn in der Schule getroffen und bin anschließend weggerannt. Aber Luke ist trotzdem nicht gegangen. Er ist mir gefolgt und ist jetzt immer noch da. Hier. Bei mir.

Doch das alles ändert nichts an der Tatsache, dass das "zwischen uns" für Luke "nur" Freundschaft ist. Ich habe mich in diesen Jungen verliebt und kann nichts dagegen unternehmen. Ich merke, wie er mir mit jedem Moment, in dem er bei mir ist, noch wichtiger wird. Doch Luke sieht das Ganze nicht wie ich. Für ihn bin ich eine Freundin. Eine gute Freundin vielleicht. Aber mehr auch nicht.

"Mel? Hallo?" höre ich Luke und merke, dass er mit seiner Hand vor meinem Gesicht rumwedelt. Ich bin total in Gedanken versunken und habe gar nichts mitbekommen. "Warum weinst du?" fragt Luke besorgt und sieht mich an. Ich wische automatisch die Tränen weg, die ich vergossen habe. Unbewusst. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich wieder weine.

"Ach, keine Ahnung. Ich weiß nicht, was zur Zeit mit mir los ist. Ich denke zu viel nach. Und das tut mir nicht gut" antworte ich Luke und bin überrascht wie normal ich klinge. Nicht so als hätte ich zuvor mindestens drei Heulanfälle gehabt. Sondern wie immer. Nicht so gut gelaunt, aber trotzdem. "Du hörst dich wieder besser an" bemerkt auch Luke und lächelt mich an. Ich schaffe es dieses Mal sogar ihm ein kleines Lächeln zurückzuschenken.

"Über was denkst du so viel nach?" fragt Luke mich daraufhin. Mittlerweile habe ich mich so hingesetzt, dass ich mit einer Seite an den Sitz gelehnt war, meine Füße hochgezogen habe und Luke komplett sehen kann. Er sitzt normal da, einfach nur ein bisschen zu mir gedreht. Im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, was ich auf diese Frage antworten soll, doch dann wird es mir klar. Ich bin es Leid um "den heißen Brei" herumzureden. Luke hat verdient zu erfahren, warum ich so komisch bin.

"Über eine bestimmte Person" sage ich und gehe nicht direkt darauf ein, dass ich ihn meine. "Die dir was bedeutet?" hackt Luke nach. Ich nicke. "Sehr viel sogar. Mehr als es mir eigentlich lieb ist" gestehe ich ihm. "Und weiß die Person das auch?" will er wissen. Dieses Mal schüttle ich den Kopf. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich es ihr sagen soll" erwidere ich. "Wieso?" fragt Luke. "Naja, ich weiß nicht, was zwischen uns sein wird, wenn ich es ihr sage. Ob dann alles anders ist" antworte ich ihm und schaue ihn an. Ebenso wie er mich keine Sekunde aus den Augen lässt.

"Also verstehe ich dich richtig, du hast Gefühle für jemanden und hast Angst es ihm zu sagen, da du nicht weißt, ob dann alles anders sein wird?" fügt Luke alle Fetzen zusammen. Ich nicke wortlos. "Mel, der Junge der es geschafft hat dein Herz zu erobern, verdient es dies zu wissen. Du bist Perfekt. Du bist alles, was sich ein Junge wünschen kann" sagt Luke daraufhin und der Unterton in seiner Stimme bleibt mir nicht unbemerkt. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber da ist etwas.

"Danke Luke" sage ich und bin mir wirklich nicht mehr sicher, ob ich es ihm sagen soll. Hat er nicht gemerkt, dass ich über ihn rede? Will er es einfach nicht merken? Oder versucht er es einfach zu überspielen?

"Wer war das Mädchen, das gestern morgen bei dir war?" frage ich Luke und wechsle aprubt das Thema. "Was?" fragt Luke verwirrt. Er scheint auch in Gedanken versunken gewesen zu sein. "Das Mädchen von dem Ashton erzählt hat? Bedeutet sie dir auch etwas?" will ich nun wissen und versuche dabei von mir abzulenken, da ich mich doch umentschieden habe und es für besser empfinde, wenn ich nichts sage.

"Was? Nein!" sagt Luke schnell. Etwas zu schnell. "Also bedeuten tut sie mir schon etwas" verbessert er sich. Wieder merke ich einen Schmerz, der mich wie ein Stich trifft. "Aber nicht so, wie du es meinst. Das Mädchen heißt Lea und ist meine Cousine. Sie ist die Tochter von dem Bruder von meiner Mutter. Wir haben früher so viel zusammen gemacht und jetzt da sie weggezogen sind, sehe ich sie kaum noch. Und sie ist gestern morgen überraschend gekommen. Und jetzt ist sie auch schon wieder weg. Sie war nur für einen kurzen Zwischenstopp bei uns" erklärt Luke. Sofort lockere ich mich wieder.

Das Mädchen auf das ich so schrecklich eifersüchtig bin, ist also nur seine Cousine? Ich habe ihm eine gescheuert, wegen seiner Cousine? Sehr toll gemacht, Melanie. Das war wirklich gekonnt. Ich bin wirklich bescheuert. Daran kann man nicht zweifeln.

"War Lea etwa der Grund, warum du gestern auf einmal so komisch warst?" fragt Luke plötzlich und überrascht mich, dass er doch den Zusammenhang gefunden hat. Vorsichtig nicke ich. "Hast du mir wegen ihr eine geknallt?" hackt Luke weiter nach. Erneut nicke ich.

"Kann es sein, dass ich die Person bin, die dir etwas mehr bedeutet, als du eigentlich willst?" stellt Luke daraufhin die entscheidende Frage. Und ein drittes Mal kann ich nicht anders, als einfach nur zu nicken. Ganz langsam dieses Mal. Mit zusammengekniffen Augen, da ich Lukes Gesichtsausdruck nicht sehen will. Aus Angst.

Und plötzlich passiert etwas, das ich nicht erwartet hätte. Niemals.

Der Bruder meiner besten Freundin ~ Luke HemmingsWhere stories live. Discover now